Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Sexagesima, 23. Februar 2003
Predigt über Lukas 8, 4-8, verfaßt von Richard Engelhardt
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

(Vorbemerkung: Der Mehrheit der Exegeten folgend insbesondere Joachim Jeremias und Hans Weder wird für die Predigt nur das eigentliche Gleichnis aufgenommen. Die bis V.15 folgenden Deutungen verschieben "den Akzent vom Eschatologischen auf das Psychologische und Paränetische" (Jeremias: Die Gleichnisse Jesu S.130). Das wäre eine andere Predigt.)

Liebe Gemeinde!

Das war Anfang der fünfziger Jahre, die DDR war noch jung und wir waren es auch: jung. Wir hatten den Krieg mit seinen Grausamkeiten, mit Bombenangriff, Tieffliegerbeschuss, Tod des Vaters erlebt und wollten eine neue bessere Welt, aber auch eine Welt mit Freiheit, nicht eine mit einer neuen Diktatur. Wir waren versammelt in der Jungen Gemeinde unserer Kirche und standen vor dem Abitur. Natürlich wollten wir studieren und dann mitbauen an einer freien und besseren Gemeinschaft. Aber der Staat und die, die ihn trugen, hatten eine andere Vorstellung. Man wollte unsere Gedanken und uns nicht dabei haben, es sei denn, wir ordneten uns den Vorstellungen einer sozialistischen Gesellschaft unter. Und da die Mächtigen und ihre Mitläufer keine Geduld hatten, da sie wohl auch der Wirkung ihrer eigenen Lehren nicht trauten, erklärten sie, dass für uns kein Platz mehr weder auf der Schule noch überhaupt in der Gesellschaft sei. "Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns", war der Wahlspruch. So gingen denn einige Tapfere einen dornenvollen Weg, einige sogar ins Gefängnis, wir andern "in den Westen".

Aber nicht nur die Diktaturen und Ideologien haben solche Geschichte geschrieben. Auch die Geschichte unserer Kirchen ist in grossen Zeitabschnitten durch Intoleranz und Verfolgung, durch die Prozesse gegen Ketzer und Hexen, Menschen also mit anderen Überzeugungen und Lebensweisen, geprägt. Offensichtlich fehlt es auch uns Christen wie anderen Menschen immer wieder an Geduld und an Vertrauen auf Gottes Wirken. Wir haben da etwas als wahr und gut erkannt und können es nicht dulden, dass andere Menschen in unserer Nähe es nicht so aufnehmen wollen und können, wie es uns als richtig erscheint. Sie müssen also überzeugt werden notfalls, und wenn sie sich nicht überzeugen lassen wollen, mit Gewalt.

Genau dies ist nicht die Botschaft Jesu von der Königsherrschaft Gottes und dem Wirken Gottes in der Welt.

Einmal kam eine grosse Menschenmenge zusammen; aus allen Orten strömten sie herbei. Da erzählte Jesus ihnen ein Gleichnis:
Ein Bauer ging aufs Feld, um zu säen. Als er die Körner ausstreute, fiel ein Teil davon auf den Weg. Dort wurden sie zertreten und von den Vögeln aufgepickt. Andere fielen auf felsigen Boden. Sie gingen auf, vertrockneten dann aber, weil der Boden nicht feucht genug war. Wieder andere fielen in Dornengestrüpp, das bald das Korn überwucherte und erstickte. Doch nicht wenige fielen auf guten Boden, gingen auf und brachten hundertfache Frucht.
Dann rief Jesus: Wer hören kann, soll gut zuhören.
(Lk.8,4 8. Übersetzung aus Die Gute Nachricht)

Jesus erzählt dieses Gleichnis. Die ersten drei Evangelien berichten es fast übereinstimmend. Aber schon sehr bald die Gründe dafür können wir nur ahnen wurde es mit einer Deutung versehen, die es kräftig verändert. Sehen wir uns daher nur dieses Gleichnis, die Parabel, wie es im Griechischen heisst, an:

Es geht Jesus um die Königsherrschaft Gottes. Es geht ihm darum, den Menschen die Augen dafür zu öffnen, dass Gottes Herrschaft nicht auf ein fernes unerreichbares Jenseits gehoben werden kann, sondern dass diese Königsherrschaft Gottes eine Wirklichkeit in dieser Welt ist. Dass sie erfahrbar wird, wo Menschen ihr Leben nach Gottes Wort ausrichten. Selig, und das heisst: unter und in der Königsherrschaft Gottes lebend, sind die Sanftmütigen und die, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, die Barmherzigen und die Friedfertigen. Und Jesus bietet dieses Wort Gottes an, dieses wirkungsvolle Wort Gottes.

Aber seine Anhänger erfahren es immer wieder: Viele Menschen wollen es nicht hören. Vielleicht finden sie ihr Leben mit einem fernen Gott einfacher. Vielleicht wollen sie lieber ihren eigenen Interessen nachgehen. Die Anhänger Jesu erleben es immer wieder, dass dieses für sie so grossartige Angebot des nahen und sie begleitenden Gottes vielen Menschen nichts bedeutet, dass sie weggeschickt werden, wenn sie davon reden, das sie ausgelacht werden, wenn sie danach zu leben versuchen, ja, dass ihnen sogar Feindschaft entgegenschlägt von Menschen, die ihren eigenen Glauben bedroht sehen.

Und diejenigen, die sich auf Jesu Botschaft einlassen, verstehen soviel Abwehr als Arroganz oder Dummheit. Muss man da nicht doch gelegentlich Pflöcke einschlagen, mit Nachdruck und mehr oder weniger sanfter Gewalt nachhelfen, sich gelegentlich auch kräftiger durchsetzen?

Wir kennen die Ergebnisse solchen Denkens aus manch intoleranter Nachbarschaft, aus der Geschichte der Diktaturen und ihrer Ideologien bis in die Gegenwart. Wir kennen dieses Denken aber auch aus der Schule, wo Lehrer ihre Schüler auf vorgefertigte Wege bringen wollen, oder aus der Familie, wenn Vater oder Mutter nicht dulden wollen, dass die Kinder andere als die vorgegebenen Wege zu gehen sich anschicken.

In dem Gleichnis Jesu hat der Bauer eine unglaubliche Geduld. Er weiss, viel Mühe wird ergebnislos bleiben, viel Saatgut wird verloren sein. Trotzdem streut er es aus, denn er weiss auch, dass soviel auf den guten Ackerboden fällt, dass es eine reiche Ernte geben wird. Das, was auf den guten Boden fällt, wird Frucht in grosser Fülle bringen.

Wenn wir nun aus dem Gleichnis nur einen Aufruf zu mehr Toleranz und Geduld heraushören würden, hätten wir es immer noch nicht verstanden. Gewiss sind Duldsamkeit und Geduld gute christliche Tugenden, aber Jesus sagt mehr.

Wie der Bauer die Saat, so streut Gott sein Wort aus. Und Gottes Wort bringt reiche Frucht. Mag da noch so viel auf kargen Boden oder in taube Ohren fallen, mag da noch so viel zertreten werden, verdorren oder ersticken, der Ertrag wird trotz allem überwältigend sein. Die Königsherrschaft Gottes wird sich ausbreiten trotz aller Widrigkeiten und Rückschläge, die die Anhänger Jesu immer wieder erleben. Um die Wirkung des Wortes Gottes brauchen sie weder zu kämpfen noch zu bangen.

Und wie der Bauer zur Zeit Jesu erst nach der Aussaat mit dem Pflug über den Acker ging, wird Gott auch die Saat seines Wortes so in den Boden einbringen, dass ein gut Teil in fruchtbaren Acker gerät, wo Frucht wachsen kann. Um Vertrauen auf Gottes Geduld und auf die Wirkung seines Wortes, um Gottvertrauen wirbt Jesus. "0, ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam?" ruft er seinen Anhängern einmal in einer angstmachenden Lage zu. Lukas berichtet diese Geschichte wenige Verse nach diesem Gleichnis. Hier lautet die Frage: "Wo ist euer Glaube?"

Jesus hat in diesem Vertrauen auf Gottes Wort und seine Wirkung bis zur Hinrichtung auf Golgatha gelebt. Die ersten Nachfolger Jesu haben denn auch seinen Tod verglichen mit einem Samenkorn, dass nur dadurch, dass es in die Erde fällt und "erstirbt" wachsen und Frucht bringen kann. So konnten sie die Botschaft von der Auferstehung verbinden mit dem Gedanken an den Sieg des Wortes Gottes.

Im Matthäusevangelium wird berichtet, dass Jesus einmal, als viele Menschen gekommen waren, ihn zu hören, eine große Anrede damit begann, dass er zu all den vielen Menschen sagte: "Ihr seid das Salz der Erde ... Ihr seid das Licht der Welt ... " Er sagt nicht: "wenn ihr dies und jenes tut seid ihr". Er sagt auch nicht: "Unter dieser oder jener Bedingung könntet ihr sein". Dabei wird er sich bewußt gewesen sein, dass die Anrede: "Ihr seid ..." viele erreicht hat, die dann eben doch nicht Salz der Erde oder Licht der Welt sein konnten oder wollten. Aber mit dem Wort Gottes, das Jesus in der Bergpredigt mitteilt, ist es wie mit der Saat im Gleichnis: Es ist vieles nicht aufgegangen. Da aber, wo es aufgegangen ist, ist unendlich reiche Frucht gewachsen bis in unsere Tage.

Gott sei Dank! Amen.

Richard Engelhardt 19055 Schwerin
Pastor i.R. August Bebel Str.18A
Tel.: 0385 5815432 Fax : 0385 5815431


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