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Septuagesimae, 16. Februar
2003
Predigt über Matthäus 20, 1-16a, verfaßt von Johann Stephan Lorenz (-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de) |
„Wir … vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit“, so steht es im Buch Daniel. Es ist das Eingangswort des heutigen Sonntages mit dem lateinsichen Namen Septuagesimae. Das bedeutet eigentlich nichts anderes als, dass wir heute den 70. Tag vor Ostern haben. Das ist ja wie ein Motto, wie eine Überschrift über diesen Tag. Und der Predigttext von heute, das Evangelium scheint dieses Motto wieder aufzunehmen. Erzählt wird die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg. Sie geht so: Das Reich der Himmel ist gleich einem Hausherrn, der am frühen Morgen
ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg zusuchen. Schön erzählt – aber das Gefühl derer, die den ganzen Tag geschuftet haben, können wir gut verstehen. Unser Gefühl bleibt: hier sind Menschen ungerecht behandelt worden. Nehmen eigentlich die anderen Texte, die wir heute gehört haben, diese Thematik wieder auf? Der erste Text, den wir aus dem Jeremiabuch gehört haben scheint ja in eine ähnliche Kerbe zu hauen. Da mussten wir uns anhören: So spricht Gott: Ein Intelligenter bilde sich nichts auf sein Wissen ein, ein Mächtiger nichts auf seine Macht, ein Reicher nichts auf seinen Reichtum. Wer auf etwas stolz sein will, der sei stolz darauf, dass er klug ist und weiß, dass ich Gott bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit auf Erden übt; Das finde ich gut! (Jeremia 9,22-23) Wollen die Texte heute unserem Gerechtigkeitsgefühl und Lebenserfahrung widersprechen ? Ist ihre Botschaft wirklich: Ihr Menschen bildet euch nichts ein! Bildet euch nichts ein auf euer Wissen, eure Macht , euer Geld und eure Arbeit! Wird all das, was manche und mancher von uns sich so hart im Leben erarbeitet, hier einfach vom Tisch gewischt ? Ich denke, wahrscheinlich wie sie: Wissen hilft weiter, beruflich und
privat, und wer viel weiß, soll darauf auch stolz sein. Gar keine
Frage !! Wovon reden denn dann diese Texte, wenn sie nicht völliger Blödsinn sind : Vielleicht geht um das Gefühl Gerecht-Behandelt-zu werden. Vielleicht geht es um die Frage, inwieweit wir auf unsere Arbeit, auf unser Wissen unsere Macht stolz sein dürfen. Das deutsche Wort "Stolz" bezeichnet ursprünglich etwas, das mich stark macht. Die Worte "Stelze" und "Stütze" gehören hierher. Dann geht es also um Fragen, wie diese:
Mir fiel beim Predigtschreiben jemand ein, der mir einmal in einer Beratung gesagt hat: "Ach wissen Sie Herr Lorenz, ich glaube, ich könnte so klug sein wie Einstein, so reich wie Bill Gates und so mächtig wie der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, - und ich bin mir sicher, ich wäre immer noch nicht zufrieden.“ Der Mann hatte völlig recht, er würde sich weiterhin nicht sehr zufrieden fühlen. Denn seine Sehnsucht nach einem zufriedenen Lebensgefühl würde das Geld, die Macht und seine Arbeit nicht befriedigen. Er suchte nach etwas ganz anderem. Ich denke, der Prophet Jeremia und das Evangelium von den Arbeitern im Weinberg machen uns auf unsere Sehnsucht nach einem Leben aufmerksam, das uns ausfüllt und wir als befriedigend erleben. Auch die Epistellesung erzählt davon. Paulus schreibt in seinem Brief an die Korinther: " Es ist doch im Leben wie in einem Wettlauf im Stadion: Alle laufen,
aber nur einer kann gewinnen: Ihr müsst also laufen, damit ihr gewinnen
könnt! Und jeder Wettkämpfer bereitet sich auf den Wettkampf
vor, indem er Verzicht übt. - Und jetzt kommt das, was ich meine:
- Die Sehnsucht, um die es geht, ist bei Paulus in dem Sprachbild des "unvergänglichen Preises" beschrieben. In der Sprache des Jeremiatextes wäre dieser unvergängliche Preis das, was uns unvergänglich und immer stark macht, das, was unser Leben stützt. Ich will es jetzt mal so direkt sagen, wie es mir möglich ist: Ich habe den Eindruck, darum geht es heute: das ist die Botschaft der
Texte, die wir heute gehört haben. „Auf dich Gott vertraue ich; du lässt mich nie beschämt werden, du errettest mich in deiner Gerechtigkeit. …Lass dein Angesicht leuchten über mir und errette mich durch deine Barmherzigkeit.“ Vielleicht wird jetzt auch das eigenartige Evangelium des heutigen Tages verständlicher. Die Entlohnung der Arbeiter ist nach menschlichem Ermessen ungerecht, weil bei ihr die Zeit nicht berücksichtigt wird, die einer geschuftet hat. Es geht aber gar nicht um die Zeit, die einer gearbeitet hat, sondern
einzig und allein darum, dass einer überhaupt im Weinberg arbeitet,
sprich: Sein liebevoller Blick, der all unsere Scham- und Minderwertigkeitsgefühle gnädig aufhebt, verleiht unserem menschlichen Leben eine Perspektive, Kraft, Selbstbewußtsein und das Gefühl der Wichtigkeit. Dann wissen wir wofür wir uns anstrengen, und rudern nicht ziellos in der Luft herum. Gott ist unsere Stütze im Leben, sich von Gott liebevoll angeschaut zu wissen, macht unser Stolz. Was macht uns also im Leben wirklich stark, was macht uns im Leben mächtig ? Was stützt uns ? Was erfüllt unsere Sehnsucht nach einem befriedigendem Leben ? Seien wir ruhig stolz auf unser Wissen, seien wir ruhig stolz auf unsere Macht, seien wir ruhig stolz auf das, was wir uns erarbeitet haben, Befriedigt-Sein lässt uns aber allein, dass Gott uns – den vermeintlich Letzten und den vermeintlich Ersten gnädig anschaut. Wenn seine Liebe, die wir dann spüren, unsere Ausrichtung für unser Schafen in dieser Welt wird, wenn sein Wille und seine Barmherzigkeit zu einem Teil unserer Wertvorstellungen werden, dann wird unser begrenztes irdisches Leben ein Teil der ewigen göttlichen Existenz. Wir arbeiten in seinem Weinberg und werden einen unvergänglichen Preis bekommen. Und den verleihe Gott uns allen. Gottes Heiliger Geist befestige diese Wort in euren Herzen, damit ihr das nicht nur gehört, sondern auch im Alltag erfahrt, auf daß euer Glaube zunehme und ihr endlich selig werdet, durch Jesum Christum unseren Herrn. Amen Johann-Stephan Lorenz |
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