"Als Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann
zu ihm; der bat ihn 6 und sprach: "Herr, mein Knecht liegt zu Hause
und ist gelähmt und leidet große Qualen."
7 Jesus sprach zu ihm: "Ich will kommen und ihn gesund machen."
8 Der Hauptmann antwortete und sprach: "Herr, ich bin nicht wert,
dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein
Knecht gesund. 9 Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan,
und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so
geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht:
Tu das!, so tut er´s."
10 Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die
ihm nachfolgten: "Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich
in Israel bei keinem gefunden! 11 Aber ich sage euch: Viele werden kommen
von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich
zu Tisch sitzen; 12 aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen
in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern."
13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: "Geh hin; dir geschehe, wie
du geglaubt hast." Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.
Die Geschichte erzählt von einer Heilung, ein kranker Mensch wird
von Jesus auf wunderbare Weise gesund gemacht.
Es ist auch und vor allem eine Geschichte vom Glauben, denn der Hauptmann
und sein großes Vertrauen zu Jesus stehen im Mittelpunkt.
Und schließlich geht es darum, dass das Evangelium Grenzen überwindet,
weil es Menschen von überall her anspricht und ruft, egal, wer sie
sind, egal, woher sie kommen.
Ich bleibe erst einmal hängen bei dem Wortwechsel zwischen dem Hauptmann
und Jesus. Und finde in diesem Gespräch zwischen den beiden Männern
noch einen anderen Ansatzpunkt:
Um die Macht des Wortes geht es. Um Verlässlichkeit, um Klarheit,
darum, dass ein Wort Wirkung zeigt, weil dahinter die ganze Kraft dessen
steckt, der es spricht.
Für den dritten Sonntag nach Trinitatis, der die Grenzenlosigkeit
des Wortes Gottes beschreibt, und der auch als Bibelsonntag begangen wird,
ist das ein vielversprechendes Thema.
Der Hauptmann wendet sich mit einer Bitte an Jesus, bittet nicht für
sich, sondern für seinen kranken Knecht. Dass er zu Jesus gekommen
ist, zeigt, dass er von ihm Hilfe und Heilung erwartet.
Jesus reagiert auch sofort und verspricht, ins Haus zu kommen und den
Knecht gesund zu machen. Er kennt das, dass Menschen sich an ihn wenden,
ihn aufsuchen und bitten. Das ist sein Auftrag.
Er sagt zu.
Aber der Hauptmann will das gar nicht, dass Jesus zu ihm kommt, er hat
eine andere Vorstellung davon, wie Jesus in diesem Fall helfen kann.
"Ich bin es nicht wert, dass du unter mein Dach kommst, aber sprich
nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund".
Das klingt verschämt, abwehrend. Weil er sich unwürdig fühlt,
Jesus noch länger zu behelligen?
So redet einer, der sich bewusst ist, dass er keinen Anspruch stellen
kann, und der dennoch ein wichtiges Anliegen hat.
Aber der Hauptmann sagt noch mehr, und wenn ich das höre, dann merke
ich:
Da ist noch etwas anderes. Mehr als Scham: "Ich bin es nicht wert",
mehr als abwehrende Höflichkeit: "Die Mühe musst du dir
nicht machen."
Sondern da ist vor allem klare Überzeugung: "Das brauchst du
nicht. Du brauchst nicht in mein Haus zu kommen. Du kannst auf ein Wort
hin hier und jetzt gesund machen und heilen."
Der Hauptmann argumentiert: "Aus meinem Berufsalltag weiß
ich, dass ein Wort gilt, wenn es mit der ganzen Autorität der Person
gesprochen wird. Was ich sage, wird getan. Ein Mann, ein Wort, das gilt,
das wird befolgt. Das ist notwendig, weil ich mich verlassen muss auf
die, die für mich arbeiten. Nur so kann es funktionieren, wenn Menschen
gemeinsam eine Aufgabe zu erfüllen haben. Diese Erfahrung habe ich
gemacht. Das Wort gilt und zeigt Wirkung. Also tu du das jetzt auch. Sprich
nur ein Wort, und mein Knecht wird gesund."
Sein Beruf zeigt ihm, dass das Wort Macht hat,
und sein Glaube ist so groß, dass er von Jesus erwartet, dass er
die Macht hat,
auf ein Wort hin Gesundheit und Heil zu schenken.
Um die Macht des Wortes geht es, um Verlässlichkeit und um Klarheit.
Und um grenzenloses Zutrauen.
Der Hauptmann kennt das, weil er tagtäglich so mit Worten umgehen
muss.
Knapp und klar und verständlich.
Was er aus seinem Alltag mit Menschen kennt, ist in seinem Glauben an
Gott nicht anders.
Jesus hat genau zugehört und verstanden.
Denn er antwortet dem Hauptmann mit ebenso klaren Worten:
"Dir geschehe, wie du geglaubt hast."
Er nimmt ihn ernst: er wird nicht in sein Haus gehen, er wird diesen Weg
nicht machen, sondern er wird tun, was ihm zugetraut wird.
Er nimmt den Hauptmann beim Wort. "Dir geschehe, wie du geglaubt
hast."
Mehr braucht es tatsächlich nicht. "Und der Knecht wurde zur
selben Stunde gesund."
Der Glaube des Hauptmanns ist groß und unwiderstehlich.
Er springt über den Schatten seiner eigenen Hilflosigkeit und sucht
Hilfe bei dem, dem er es zutraut.
Was sonst ist der Glaube?
Wenn nicht das Zutrauen, dass Gott die Macht und den Willen hat,
heil zu machen, was Heilung braucht,
dass Gott die Kraft und die Liebe hat, zu schenken, was wir nötig
haben?
Was sonst ist der Glaube?
Wenn nicht das felsenfeste Vertrauen, dass Gott helfen kann und will?
Darum beten wir, darum bitten wir für andere,
darum glauben wir an die Kraft des Betens und Bittens,
weil wir Gott das zutrauen, dass er die Grenzen unserer kleinen Kraft
sprengt,
weil wir von ihm das erwarten, was uns überfordert.
"Solcher Glaube" steht ganz im Mittelpunkt der Geschichte.
Und dann wird noch von anderen Grenzüberschreitungen erzählt.
Da kümmert sich ein Hauptmann persönlich um das Wohlergehen
seines Knechts.
Er schert sich nicht um die Hierarchie, ist als Soldat in diesem Fall
keiner strengen Rangordnung verpflichtet, sondern weiß sich persönlich
verantwortlich für den Menschen, der für ihn arbeitet.
Das scheint für ihn selbstverständlich zu sein, und das erzählt
uns einmal mehr davon, dass zum Glauben dazugehört, zu sorgen für
die Menschen, die uns anvertraut sind.
Deutliche Worte findet Jesus dann schließlich in dem Seitengespräch
mit seinen Jüngern.
Er hält ihnen "solchen Glauben" vor, der sich abseits von
allen scheinbar fest gefügten Grenzen allein auf ihn und sein Wort
verlässt.
Solchen Glauben hat er nicht gefunden bei denen, die immer schon Gott
auf ihrer Seite wissen.
Solchen Glauben hat er gesucht und nicht gefunden bei denen, die sich
immer schon sicher sind, dass sie zu Gott gehören und er zu ihnen.
Jesus redet Klartext und macht deutlich:
es gilt hier und jetzt allein der Glaube an das Evangelium, das allen
Menschen geschenkt ist,
Juden wie Heiden, Frommen wie Zweiflern, alten Glaubens-Hasen wie neuen
Gott-Suchenden.
Alles kommt nur darauf an, Gott beim Wort zu nehmen und zu glauben.
So wie dieser Hauptmann das getan hat.
Alles, was wir Menschen von Gott wissen und begreifen, hat nur diesen
einen Grund:
Dass wir glauben, dass sein Wort Macht hat, weil er mit seiner ganzen
Kraft dahinter steht.
Dass wir ihm zutrauen, über Grenzen hinweg Wirkung zu zeigen,
weil wir glauben, dass er für alle Menschen Gutes will und Heil bringen
kann.
"Sprich nur ein Wort." Sagt der Hauptmann zu Jesus.
Und er vertraut darauf, dass seine Bitte Gehör findet.
"Dir geschehe, wie du geglaubt hast", sagt Jesus zum Hauptmann.
Verlässlichkeit, Klarheit, Macht des Wortes, Zutrauen zu Gottes
Wort, das er so glasklar für diese Welt gesprochen hat.
Beispiele dafür, dass uns dieses Wort lebendig wird und Kraft entfaltet?
Dass wir uns ganz und gar verlassen auf Gottes guten Willen für uns?
Damit er mit seiner Kraft unsere engen Grenzen sprengt?
Ein Beispiel nur, das umtreibt in diesen Tagen.
Es ist viel vom Krieg die Rede. Ein Krieg gegen den Irak scheint fast
unabwendbar zu sein.
Die erklärten Gegner warten offenbar nur auf Gelegenheiten, sich
gegenseitig aufzustacheln.
Beide Seiten lassen viel verlautbaren in den Medien.
Provozierende Worte. Fast als warteten sie darauf, endlich loszuschlagen
oder endlich Gegenwehr zu leisten, egal, was es kostet. Die Macht des
Wortes. In diesen Tagen erfahren wir sie auch bedrohlich. Auf ein Wort
hin kann Krieg sein. Und dann wird Gewalt sprechen.
Viele mahnende Worte hören wir auch. Erfreulich klar die Kirchen:
sie warnen und mahnen und rufen dazu auf, diesen Krieg nicht anzufangen.
In der kommenden Woche erwarten viele Menschen
eine Entscheidung, wenn am Montag der Bericht des Waffeninspekteurs vorgelegt
wird. In vielen Kirchen wird es Friedensgebete geben.
Was bewirken die?
"Sprich nur ein Wort". Sagt der Hauptmann, und bringt seine
eigene Ohnmacht vor Gottes Ohren.
Mehr können wir nicht tun. Aber das können wir tun.
Weil wir glauben, dass Gott ganz verlässlich Heil und Frieden will,
weil wir glauben, dass er die Kraft und die Liebe hat, mehr zu bewirken
als wir uns vorstellen können.
Nehmen wir ihn beim Wort. Und vertrauen darauf, dass er das letzte Wort
haben wird.
"Dir geschehe, wie du geglaubt hast."
Amen.
Lied: Meine engen Grenzen EG/Westfalen 600
Dr. Petra Savvidis
Zum Vulting 13 a
59514 Welver
savvidisp@hotmail.com
(Wichtige exegetische Hinweise zum Text, insbesondere auch zum aufschlussreichen
synoptischen Vergleich mit Lukas bietet Slenczka in GPM 91/11, 2002, S.
115-122)
|