Liebe Gemeinde!
Weihnachten liegt noch gar nicht so lange zurück mit
den vertrauten Geschichten von dem Kind in der Krippe, den Sternen und
Hirten!
Und nun: eine in diesem Jahr so lange Epiphaniaszeit, die noch einmal
eine Fülle von Begegnungsgeschichten mit sich bringt:
Die Weisen aus dem Morgenland kommen nach Jerusalem und sagen: "Wir
haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten!"
Und uns beschäftigte die Frage: Woran haben sie eigentlich erkannt,
dass sie das richtige Kind vor sich hatten?
Den weisen Sterndeutern erging ihnen genau wie den Hirten, dem greisen
Simeon und Hannah im Tempel, sie sind ganz sicher, dass sie den von Gott
gesandten Retter gefunden haben.
Und die Schriftgelehrten, die im Tempel mit dem zwölfjährigen
Jesus fachsimpeln, auch sie sind zumindest erstaunt über seine Intelligenz
und seine tiefsinnigen Fragen.
Und dann gibt es die anderen, die, die dieses Kind für eine extreme
Gefahr halten und die junge Familie sofort in die Flucht treiben.
Gott kommt in unsere Welt - und sofort scheiden sich die Geister!
Das ist bis heute so geblieben.
Die einen sagen - wie Eltern zu einem Religionslehrer in Ostberlin: "Glaubst
du den Mumpitz eigentlich wirklich noch selber, den du unsern Kindern
da erzählst?" ( Chrismon plus 01/03, S. 38)
Andere erleben: da habe ich eine biblische Geschichte vielleicht schon
zigtausendmal gehört oder gelesen, und plötzlich sagt sie mir
etwas, mir geht ein Licht auf!
Gott hat sich mir zu erkennen gegeben.
Heute nun haben wir es mit einer Erzählung zu tun, in der der erwachsene
Jesus sich zu erkennen gibt - und sich zugleich aber irgendwie auch wieder
verbirgt - hinter einem Zeichen, das er tut bei einer Hochzeit zu Kanaa
in Galiläa:
Johannes 2
1. Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt, und
die Mutter Jesu war dabei.
2. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen.
3. Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen
Wein mehr.
4. Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist
noch nicht gekommen.
5. Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut!
6. Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungsvorschrift
der Juden entsprch; jeder fasste ungefähr 100 Liter.
7. Jesus sagte zu den Dienern. Füllt die Krüge mit Wasser! Und
sie füllten sie bis zum Rand.
8. Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt, und bringt es dem, der für
das Festmahl verantwortlich ist. Sie brachten es ihm.
9. Er kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wußte nicht,
woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten,
wußten es. Da ließ er den Bräutigam rufen
10. und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst,
wenn die Gäste zuviel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch
hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.
11. So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte
seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.
Am 5. und 6. Januar wurde in der Antike das Dionysos-Fest gefeiert, ein
Fest zu Ehren des Gottes der Fruchtbarkeit, der Lebensfreude und des Weines.
Von ihm wird erzählt, dass immer dann, wenn er sich als Gott zu erkennen
geben wollte, Wasser in Wein verwandelte.
Die Gemeinden, für die Johannes sein Evangelium schreibt, dürften
wohl diese Tradition, dieses Fest gekannt haben, da hört man solch
eine Jesus-Erzählung natürlich ganz anders, hellhörig für
die Zwischentöne.
Mag sein, dass sie ganz schnell geahnt haben, was Johannes ihnen da über
Jesus mitteilen wollte, dass sie gesagt haben: "Ach, guck mal, die
ist ja wie..."
Da zeigt sich etwas durch dieses erste Zeichen, das der noch unbekannt
Mann aus Nazareth da tut.
Doch Zeichen sind von Natur aus mehrdeutig, man kann sich von ihnen
überzeugen lassen, muß man aber nicht.
Wenn Jesus Zeichen verwendet, um seine Botschaft, seine Überzeugung
zu erklären, um auf Gott hinzuweisen, von dem er kommt, dann gibt
er uns damit eine ungeheure Freiheit.
Niemand ist gezwungen, an ihn zu glauben (oder gar auf eine ganz bestimmte
Art und Weise zu glauben).Man könnte den sprichwörtlich gewordenen
Satz anfügen: "Wer Ohren hat zu hören, der höre!"
Sicherlich hat es viele gegeben, die sich nur an der hervorragenden Weinsorte
gefreut haben: 'Ist doch egal, wo es herkommt, Hauptsache, es schmeckt'.
In diese Kategorie gehören vielleicht auch jene, die erstmal über
den Bräutigam herziehen und es unmöglich finden, dass er diese
so viel bessere Sorte bis zuletzt zurückgehalten habe.
Für Jesus und seine Zeichen-Aktion scheinen sie sich nicht besonders
zu interessieren, sie schütteln die Köpfe über den Bruch
der gesellschaftlichen Konventionen, wie kann der Bräutigam nur,
das tut man nicht, er gute Wein kommt zuerst, Punktum.
Zeichen. Sie kommen gar nicht auf die Idee, zu fragen, was dahintersteckt
.
Sie sehen, was vor Augen ist, dringen aber nicht zu tieferen Erkenntnissen
durch.
Eine interessante Rolle spielt auch Maria in dieser Hinsicht in der Geschichte.
Sie ahnt bereits, dass ihr Ältester nun einen ganz besonderen Weg
einschlagen wird, sie hat an diesem Tag offenbar grenzenloses Vertrauen
zu ihm - wie es vielleicht nur eine Mutter haben kann.
"Was er euch sagt, das tut!" rät sie den Dienern.
Sie scheint schon etwas mehr durchschaut zu haben.
Oft ist gefragt worden: warum nur diese gigantischen Weinmengen?
Sechs Steinkrüge mit jeweils 100 Litern - das ergibt dann immerhin
600 Liter Wein!
Das ist irrsinnig viel, auch wenn man bedenkt, dass eine orientalische
Hochzeit mindestens 7 Tage dauert.
Ist ein Wunder nur dann ein Wunder, wenn es möglichst riesig und
gewaltig ausfällt?
Und dazu geschieht es ja auch noch in einem "Notfall", der ja
eingentlich gar kein richtiger Notfall ist, schließlich hätte
das Brautpaar ja aufpassen können, besser kalkulieren oder wenigstens
gleich ein Fass nachbestellen, als sich die Pleite abzeichnet, das merkt
man doch eigentlich rechtzeitig, wenn der Wein bald alle ist.
'Aber ist dazu gleich ein Wunder nötig?
Wo jemand aus einer wirklichen, echten, lebensbedrohlichen Notlage befreit
wird, in extremer Gefahr, einer Krankheit oder Naturkatastrophe , da ist
auch der sogenannte moderne Mensch ja gern mal bereit, eine solche Erfahrung
für sich als Wunder zu deuten.
Aber die Hochzeit in Kana hätte ja zur Not auch ohne Wein zu Ende
gefeiert werden können, ohne dass einer ernstlichen Schaden genommen
hätte, mal abgesehen von der Blamage für das Brautpaar.
Vielleicht wären sogar im Gegenteil einige Gäste vor einem kräftigen
Rausch bewahrt geblieben?
"Luxuswunder" hat man die Geschichte darum auch schon manchmal
genannt.
Ist es also vielleicht sogar ein anstößiges Wunder?
Eins, das Jesus nach heutiger Einschätzung lieber hätte bleiben
lassen sollen?
Denkt er denn gar nicht an die Gefahren des Alkohols?
Ich halte das allerdings für einen typisch protestantischer Einwand.
Alles, was mit unbeschwerten Festen und Feiern zu tun hat, kriegt bei
uns ja nur allzu leicht den Anstrich des Verwerflichen, ja sogar Verbotenen.
Mir fällt auf, dass wir wenn wir Gemeindefeste feiern, in der Regel
zunächst einen "guten Zweck" suchen, dem ein Ertrag zu
Gute kommt .
Ich will das gewiß nicht madig machen, diese Praxis hat ja auch
ihren guten Sinn, aber vielleicht könnte die "Hochzeit zu Kana"
uns auch anregen, einmal über unsere evangelische Fest- und Feierkultur
nachzudenken!
Aber noch einmal: Geht es denn überhaupt um die Beseitigung der "Notlage"
?
Vergessen wir bitte nicht: wir haben es mit einem Zeichen zu tun!
Und jetzt könnte man fragen: Ist ein Zeichen denn deutlicher oder
eindeutiger, wenn es in extremen Schwierigkeiten geschieht?
Oder ist diese Sehnsucht auch mit dem Wunsch verbunden, sich herumzudrücken
um eine eigene Einschätzung?
Wie? Ich soll mich auf Jesus verlassen? Na, da müßte er sich
aber doch mal ganz eindeutig und ohne irgendwelche mehrdeutigen Alternativen
zu erkennen geben!
Johannes erzählt die Geschichte mit einem eindeutigen Zielpunkt:
Er offenbarte seine Herrlichkeit! (V.11)
Im Klartext hieße das doch: Ich bin der, auf den ihr schon so lange
gehofft habt, dem ihr euer Leben anvertrauen könnt, der Heil und
Rettung bringt.
Er wirbt einfach um Vertrauen, um Glauben, aber er stülpt ihn niemandem
einfach über, finden und entwickeln darf ihn jeder und jede für
sich selbst.
Bei einigen wird dieser Glaube auch schon konstatiert: "...und seine
Jünger glaubten an ihn".(V.11),
Tun sie das wirklich jetzt erst, nachdem sie das Zeichen gesehen haben?
Aufgebrochen und mit ihm losgezogen waren sie doch vorher schon, auf sein
Wort hin, seinen Ruf: "Komm, folge mir nach!"
Irgendetwas muß doch da schon mit ihnen geschehen sein, sondt hätten
sie sich diesem Aufruf doch verschlossen, wären zu Hause geblieben.
Man könnte vermuten, dass es so etwas wie Stufen des Glaubens gibt,
eine Entwicklung von vorsichtigen Anfängen bis zur Gewißheit.
Es ist auch sein Thema, durch das ganze Evangelium hindurch spricht Johannes
von diesem Riss, der durch die Menge geht, die einen, die alles für
Unfug halten, und die andern, die alles zurücklassen und Jesus nachfolgen.
Und zum Glauben möchte Johannes auch seine Leserinnen und Leser einladen,
darum erzählt er schließlich seine Geschichten.
Doch es ist wohl auch so, dass dieser Riss manchmal mitten durch einen
Menschen hindurchgeht.
Eben war gerade noch die zuversichtliche Gewißheit des Glaubens
so greifbar, und dann wird die andere Seite stark, die das alles nicht
fassen kann und voller Zweifel und Verzweiflung steckt.
Und Morgen?
Dass Jesus sein erstes Zeichen auf einem Fest vollbringt und noch dazu
mit einem so riesigen Überfluß, das hat nun wiederum natürlich
auch ganz viel mit dem Inhalt seiner Botschaft, seines ganzen Lebens zu
tun!
Oft beschreibt er auch das Reich Gottes mit einem großen Fest, spricht
davon, dass er mit denen, die zu ihm gehören, zu Tisch sitzen will
- im Himmelreich.
Und so wollen unsere Feste eigentlich ein Vorschein sein von Paradies,
ein Stück "Himmel auf Erden".
"Ich will euch die Fülle des Lebens geben" wird Jesus später
sagen.
Und um diese Fülle geht es auch auf der Hochzeit in Kana.
Eine Hochzeit ist immerhin ein Fest, auf dem zwei Menschen ihre Liebe
feiern und ihren Entschluß, zusammenzugehören, und dazu gehört
auch überschwengliche Festfreude, Festessen - und Wein!
Das Fest ist gerettet, weil Jesus eingreift und hilft;
Er macht das Fest selber damit zum Zeichen, zum Zeichen der Liebe, die
von Gott kommt.
Und er macht es durchsichtig für das große Fest am Ende aller
Zeiten , zu dem er selbst uns einlädt.
Amen.
Elisabeth Tobaben
Ev. Luth. Inselkirchengemeinde
Wilhelmstr.42, 26571 JUIST
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E-Mail elija@t-online.de
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