Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

1. Sonntag nach Epiphanias, 12. Januar 2003
Predigt über Matthäus 3, 13-17, verfaßt von Michael Nitzke
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13 Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. 14 Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? 15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen. 16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. 17 Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Liebe Gemeinde,

der Alltag hat uns wieder. Auch wenn heute Sonntag ist, sage ich das mal einfach so. Der Alltag hat uns wieder, die Festwochen sind vorbei. Nach Weihnachten und Jahreswechsel sah man letzten Sonntag auch bei uns Sternsinger umhergehen. Einen Tag zu früh zwar, um an die Weisen aus dem Morgenland zu erinnern, aber man will ja auch mit Sammeln etwas Gutes tun, und alltags erreicht man eben keinen an der Haustüren. Der Alltag hat uns wieder.

Vorbei die Festtagsgesichter, fast sind die Plätzchenvorräte zu Ende, fast sind alle Geschenkgutscheine eingelöst und die letzten Reste vom Jahreswechsel fachgerecht entsorgt. Dazu wurden noch gestern in unserer Stadt die Weihnachtsbäume eingesammelt, die man sich dann irgendwann als Kompost wieder abholen kann. So schnell kann's gehen, alle Jahre wieder.

Doch was bringt uns der Alltag? Es sind eben die alltäglichen Aufgaben, die jeder bewältigen muss, ob er im Beruf steht oder im Haushalt seinen Pflichten nachgeht, ob im Arbeitsprozess, in der Schule oder im Ruhestand. Solche alltäglichen Aufgaben kennt jeder von uns. Der eine freut sich darauf, wieder ein geregeltes Leben zu beginnen, freut sich auf die Kollegen und die Aufgaben, die ihn im Beruf reizen, der andere scheut das alltägliche Einerlei und ist vielleicht mit seinen Aufgaben nicht zufrieden.

Auf jeden Fall wird sich in dieser alltäglichen Zeit erweisen müssen, was die Festtage wert gewesen sind. Haben sie genügend Erholung und Abwechslung gebracht, um wieder Lust und Kraft für den Alltag zu haben? Haben die Begegnungen mit unseren Lieben der Familie an den Weihnachtstagen und mit den Freunden am Silvesterabend dazu beigetragen, dass wir positiver in die Zukunft blicken, oder ist eher das Gegenteil eingetreten?

Und eine noch viel wichtigere Frage: Wie ist das mit den Inhalten der Feste? Hat das Fest der Liebe Wirkung gezeigt? Hat sich etwas verändert, dadurch dass wir uns wieder einmal die Weihnachtsbotschaft vergegenwärtigt haben. "Gott ist Mensch geworden!", hieß es da. Sind wir auch ein wenig diesen Weg gegangen, sind wir menschlicher geworden? Einen neuen Anfang hat Gott mit der Welt gemacht. Durch die Geburt seines Sohnes lassen wir uns mitnehmen auf diesen neuen Weg.

Und wie ist es mit den guten Vorsätzen am Neujahrstag? Wie viele haben sich nun 12 Tage danach noch gehalten?

Das mag bei vielen Menschen unterschiedlich sein, aber einige haben sich die Tradition der guten Vorsätze erhalten. Weniger Essen, nicht soviel Trinken, bewusster Leben, öfter ein gutes Buch lesen, nicht so schnell fahren, den Mitmenschen besser wahrnehmen, das neue Jahr wirklich als "anno domini", als "Jahr des Herrn" wahrnehmen, und ab und zu mal in der Bibel lesen.

Der Alltag hat uns wieder, gute Vorsätze sind schnell vergessen, Erholung verflogen und festliche Begegnungen verblasst. Alltag eben.

Es ist eben nicht alle Tage Weihnachten. Selbst in der Bibel nicht. Und damit beschäftigen wir uns heute hier in der Kirche.

Die Geschichte der Taufe Jesu, die wir eben gehört haben, ist die erste Geschichte im Matthäusevangelium, in der Jesus selbst aktiv wird. Mit der Taufe Jesu beginnt sein Alltag, sein tägliches Leben, das eben nicht so alltäglich war. Um die dreißig muss er gewesen sein, als er beginnt, in der Öffentlichkeit zu wirken. Von dem was vorher war, bekommen wir kaum etwas mit. Nur Lukas erzählt noch die nette Geschichte mit dem 12jährigen Jesus, der die Schriftgelehrten mit seiner Bibelkenntnis beeindruckte.

In allen Evangelien ist die Begegnung mit Johannes der erste Moment, wo öffentlich das bekannt wird, was Jesus wollte und wie er von Gott gesehen wurde.

Mit dieser Begegnung fängt alles an. Eigentlich müsste heute der Festtag sein, und die anderen Tage Alltag, denn heute erfahren wir, warum Weihnachten so wichtig wurde. Aber zum Glück ist jeder Sonntag ein Festtag.

Was bedeutet nun die Taufe Jesu durch Johannes?

Johannes tauft am Jordan und predigt die Buße, die Umkehr der Menschen von ihrem gottlosen Tun. Jetzt können sie sich noch reinwaschen mit dem eher harmlosen Wasser, aber einst wird jemand kommen, der tauft sie mit Geist und Feuer. Diese Taufe wird nicht mehr so leicht zu überstehen sein wie die Taufe mit Wasser.

Die Taufe des Johannes ist eher als ein Zeichen zu verstehen. Eine symbolische Handlung, wie sie die Propheten der damaligen Zeit öfter unternahmen, um Menschen aufzurütteln. Eine symbolische Demonstration, dass die Menschen etwas gegen den Dreck tun müssen, mit dem sie sich selbst beschmutzen. Johannes knüpft dabei an die rituellen Waschungen seiner Religion an. Doch die Rituale sind oft nicht mit Inhalt gefüllt. Durch die Ganzkörperwaschung am Jordan wird die Sehnsucht nach innerer Reinigung offenbar.

Und während Johannes die Demonstration gegen diese geistige Umweltverschmutzung vollzieht, kommt ein Mann, eingereiht in die Schar derer, die der Predigt des Johannes gefolgt sind. Auch er will sich taufen lassen. Da unterbricht sich Johannes und macht den Umstehenden deutlich, dass dieser es ist, der da einst mit Geist und Feuer taufen wird. Und deshalb will der Täufer sich von ihm taufen lassen.

Wen man diese Szene einmal für sich sprechen lässt, dann mag man auf den Gedanken kommen, dass Johannes den Jesus erst einmal auf seine große Bedeutung ansprechen muss, so als hätte das vorher noch keiner getan. Und in der Tat, die große Vertrauensbezeugung Gottes kommt erst nach dieser Taufe durch Johannes, nicht vorher.

Das hieße, bevor Jesus selbst predigt und das Wort Gottes mit seinen Worten und mit seinen Taten deutet, erkennen andere, was für eine Bedeutung er hat. Dem gleichen Grundmuster begegnen wir schon bei Lukas. Bevor geschildert wird, wie Jesus als 12jähriger die Schriftgelehrten durch eigene Rede beeindruckt, wird erzählt, wie der alte Simeon und die Prophetin Hanna seine besondere Berufung erkennen. Und das geschieht auch bei einer rituellen Handlung, die weitgehend dem entspricht, wie heutzutage unsere Taufe in das religiöse Leben eingebettet ist, bei seiner Darstellung im Tempel.

Mag auch Jesus von seiner besonderen Berufung gewusst haben, so sind es nach Überzeugung der Evangelisten zunächst andere, die sich zu ihm bekennen, bevor Gott sein großes Bekenntnis zu ihm öffentlich ausspricht.

Auf jeden Fall wird eines deutlich:

Jetzt erfährt die Welt, wie Gott zu ihm steht. "Dies ist mein lieber Sohn". Was vorher nur die Hirten vor Bethlehem erfuhren, wird jetzt der staunenden Menge geoffenbart.

Doch zuvor erleben wir die kleine Auseinandersetzung zwischen Johannes und Jesus, wer denn da wen taufen soll. Der moderne Hörer mag da zunächst dem Johannes Recht geben. Doch wir können uns auch nur schwer davon lösen, dass wir den Ausgang der Geschichte schon kennen. Die Taufe des Johannes war eben noch nicht Aufnahmeritus in die christliche Kirche, sondern Zeichen der Umkehr und Buße. Aber auch dann! Hatte Jesus das nötig? Wenn wir den obigen Überlegungen folgen, dann hätte es ja sein können, dass Jesus zunächst wirklich dachte, er hätte es nötig, und erst Johannes hat ihn auf seine besondere Berufung aufmerksam gemacht, die dann ja auch von Gott ausgesprochen wird.

Möglich zumindest wäre es. Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.

Die Antwort verrät, dass er mehr ahnte und wusste, wenn denn Matthäus zuverlässig berichtet, aber sie zeigt auch, dass er sich auf jeden Fall, einordnen will in die Kontinuität der Ereignisse, er stellt sich nicht über Johannes, sondern zeigt, dass auch ihm der Aufruf zur Hinwendung zu Gott gilt und bestätigt damit die Bußpredigt des Johannes.

Er beginnt keinen Wettbewerb der Propheten. Sondern ordnet sich in eine Bewegung ein.

Doch was bedeutet diese Taufe. Johannes sagt "Ich taufe euch mit Wasser zur Buße". Das Wasser seiner Taufe befreit als von allem, was einer wahren Buße, also einem inneren Umdenken und einer äußeren Veränderung der Lebensweise, entgegensteht. Traditionell gesprochen, die Taufe reinigt von den Sünden. Ebenso traditionell gesprochen nimmt Jesus, der von keiner Sünde wusste, die abgewaschenen Sünden durch sein Bad in diesem Wasser auf, und trägt sie, bis er stellvertretend am Kreuz für sie büßt.

Das ist hier nicht deutlich ausgesprochen. Doch der Weg vom Jordan zum Kreuz ist unausweichlich. Der Alltag Jesu ist ein Weg, der nicht leicht ist und er trägt schwer an seinen Lasten, bis schließlich Gott ihn am Ostertag davon befreit.

Der Apostel Paulus schreibt: (Röm 6,3) Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?

Der öffentliche Weg Jesu führt von der Taufe ans Kreuz, doch der Glaubende weiß, dieser Weg führt dadurch auch zum Leben.

Diese Bedeutung der Taufe wird bei Kindertaufen nicht so häufig thematisiert. Bei den kleinen Kindchen redet man nicht gern vom Tod. Aber Wasser ist nicht nur Quelle des Lebens, und Mittel zur Reinigung, sondern auch eine tödliche Bedrohung. Doch Christen haben die feste Zusage, dass Gott diese tödliche Bedrohung zu einer lebendigen Hoffnung verwandelt.

Blicken wir weiter ins Matthäusevangelium, dann sehen wir, dass die Taufe die Eckpunkte der Wirksamkeit Jesu vermittelt.

Den Anfang haben wir gehört. Und wie sieht das Ende aus? Was steht bei Matthäus am letzten?

Mt 28,18-20
18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Taufet sie! Jetzt, nachdem er seine Wirksamkeit mit seiner Taufe begonnen hat, gibt er den Jüngern den Auftrag, selbst zu taufen. Wenn auch der Evangelist Johannes einmal erwähnt, dass auch die Jünger Jesus schon vorher getauft hätten, so weiß Matthäus davon nichts und er stellt die Taufe an den Anfang und ans Ende des Weges Jesu.

Von der Taufe des Johannes bis zum Taufbefehl Jesu am Himmelfahrtstag markiert also diese besondere Zeichenhandlung das Wirken Jesu Christi. Das Wirken des Menschen, zu dessen Geburt schon die Engel sangen, und zu dem der heilige Geist Gottes wie eine Taube kam und Gott der Vater allen verkündigte: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Ist so die Dreieinigkeit zu Beginn noch implizit verborgen, so wird sie am Ende explizit ausgesprochen, und damit wird das Ende zu einem neuen Anfang.

Und dann am Pfingstfest wird deutlich, dass die vom Täufer Johannes mit Schrecken angekündigte Geist- und Feuertaufe eigentlich eine Erlösung ist: 3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, 4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. (Apg 2,3-4)

Und nach diesem Pfingstfest beginnt auch für die Jünger der Alltag. Jetzt muss sich bewähren, was man an den Festtagen erfahren hat. Den Glauben zu bezeugen und weiterzugeben, das war ein schwerer Weg. Die Gemeinschaft der Glaubenden zu organisieren, das ist bis heute eine Aufgabe. So hat auch uns der Alltag wieder. Aber mit dem Blick weg von Weihnachten hin zum Beginn der Wirksamkeit Jesu werden wir dazu gebracht, unseren eigenen Alltag in einem anderen Licht zu sehen.

Es geht nicht nur um die Abwesenheit von Weihnachtsromantik oder Neujahrseuphorie. Sondern es geht um das Entdecken von Gottes Zuspruch im Alltag. "Dies bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." Der Zuspruch Gottes an Jesus wird von ihm an uns weitergegeben. Gott nimmt dich an. Durch deine Taufe bist auch du zum Kind Gottes geworden, dass er liebt und niemals mehr loslässt. Denk daran, auch wenn der Alltag dich wieder hat.

Amen.

Michael Nitzke
www.nitzke.de


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