Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

3. Advent, 15. Dezember 2002
Predigt über Matthäus 11, 2-10, verfaßt von Hanna Kreisel-Liebermann
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Johannes hatte im Gefängnis von den Taten des Messias gehört. Er schickte seine Gefolgsleute und ließ Jesus sagen: "Bist du es, der kommen soll? Oder müssen wir auf jemand anderen warten?" Jesus antwortete und sagte zu ihnen: "Geht und erzählt Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, Gelähmte gehen umher, Aussätzige werden rein und taube Menschen können hören. Tote werden aufgeweckt, zu den Armen wird die Botschaft der Freude gebracht [Jes 26,19; 29,18f.; 35,5f.; 42,18; 61,1.] Glücklich ist, wer nicht wegen mir Verfehlungen begeht." (Als sie weggingen, fing Jesus an, zur Volksmenge über Johannes zu sprechen: "Was wolltet ihr euch in der Wüste ansehen, als ihr hinausgewandert seid? Ein Schilfrohr, das im Winde hin und her schwankt? Also, was wolltet ihr sehen, als ihr hinausgewandert seid? Einen Menschen in weichen Gewändern? Seht, die Leute, die weiche Gewänder tragen, wohnen in den Königspalästen. Also, was wolltet ihr sehen, als ihr hinausgewandert seid? Einen Propheten? Ja, ich sage euch: Sogar mehr als einen Propheten. Dieser ist es, über den geschrieben steht: ›Seht, ich sende meinen Engel dir voraus, der deinen Weg für dich ebnen wird.‹" [Mal 3,1.] )
(Übersetzung aus: der gottesdienst. Liturgische Texte in gerechter Sprache. Teil 4: die Lesungen, hg. von Erhard Domay und Hanne Köhler, Gütersloh 2001)

Vorbemerkung:
Diesen Sonntag werde ich mit zwei Musikerinnen (Organistin/Sopranistin und Altblockflötistin) als einen musikalischen Adventsgottesdienst gestalten. Die Musikerinnen haben dafür folgendes ausgewählt:
Händel Sonate B-Dur für Blockflöte und B.c. Sätze 1-3 und Händel-Sonate D-moll 1. Satz.
Die Lieder: EG 13, EG 15, EG 10, EG 19, EG 4 sowie solistisch gesungen: "Trittst du wieder vor die Nacht" von H.F. Micheelsen.

Liebe Gemeinde,

die Kälte hat Einzug gehalten. Auf dem Brocken waren 35 Grad minus gefühlte Temperatur. Es ist endlich Winter. Es mag sogar sein, dass es bald Schnee gibt. Winter, das ist eine Jahreszeit, die in Israel die Menschen mit blühenden Pflanzen, ein wenig Regen und ein wenig mehr Grün verbinden. Manchmal wird das Wasser sogar gefährlich, wenn in der Wüste die trockenen Flussbetten, die Wadis gefüllt sind. Am vergangenen Wochenende haben wir uns mit unseren israelischen Freunden in Amsterdam getroffen. Das erste Mal hat die zwanzigjährige behinderte Tochter meiner Freundin "richtige Kälte" und Schnee gespürt. Sie haben es genossen, nicht mit eingezogenen Schultern morgens aus der Haustür gehen zu müssen, weil über ihnen israelische Hubschrauber kreisen auf dem Weg in den Gaza oder weil wieder ein Attentat verübt wurde. Sie haben es genossen, sich nicht täglich, nein stündlich mit der desolaten Situation befassen zu müssen. Chanukka-Ferien im Winter in Amsterdam, der wasserreichen, der romantischen Metropole. Rahel, die Tochter meiner Freundin hatte diesen Wunsch schon lange. Ihre Vorfreude begann mit dem ersten Tag der Planung und dauerte bis zum letzten Tag vor der Abreise. Kleine Botschaften hatte sie an uns gesandt: Ich freue mich so, auf Amsterdam und darauf, Euch zu treffen. Seid ihr schon unterwegs? Sie hat dafür die in moderner Gestalt, nämlich sogenannte SMS-Botschaften. Auf ihrem Gottesdienstblatt sehen Sie die Kopie einer sms-Botschaft. Das ist eine kurze Nachricht, die von einem Mobiltelephon aus auf ein anderes gesandt werden kann, da die Nummerntasten des handys zugleich mit Buchstaben belegt sind.

Eine kurze Botschaft der Vorfreude:
Hören wir unseren Predigttext aus dem Matthäus-Evangelium.
Aus dem Gefängnis heraus schickt Johannes - möglicherweise ein geheimes - Dossier; seine Gefolgsleute übermitteln die Anfrage an Jesus: "Bist du es, der da kommen soll oder sollen wir auf jemand anderen warten?" Er hatte im Gefängnis von den Taten des Messias gehört. Jesus antwortete und sagte zu ihnen: "Geht und erzählt Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, Gelähmte gehen umher, Aussätzige werden rein und taube Menschen können hören. Tote werden aufgeweckt, zu den Armen wird die Botschaft der Freude gebracht. Glücklich ist, wer nicht wegen mir Verfehlungen begeht."

Eine abenteuerliche Geschichte. Einer, der in der Gefahr ist, sein Leben zu verlieren (und wie wir wissen, passiert dies auch), will Gewissheit haben, ob das, was er sogar im Gefängnis über Jesus hört, wahr sei: Dass dieser der Messias, der Retter Israels sei. Er verklausuliert die Frage: Bist du es, der da kommen soll, so wie er zuvor in der Wüste den Messias angekündigt hat. (siehe Maleachi 3 und Matthäus 3,11). Ist er derjenige, auf den Johannes und viele warten?. War er auf dem richtigen Wege?

Sie sind einander verbunden, Johannes und Jesus: "Siehe ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll"., dieser sei Johannes, sagt Jesus. Das Leben und die Vision des einen ist mit der des anderen verknüpft - so ist das Szenario. Er hatte gehört ... die Nachricht(en) waren übermittelt worden - wie auch immer. Durch dicke Gefängnismauern, weitergegeben über die Treuen des Johannes. Was ist es nun, was sie sehen und hören - und was Jesus bestätigt: Dramatisches ereignet sich. Und Wer Ohren hat, der höre: Nachrichtenübermittlung, die gelingt. Die Botschaft ist angekommen. Alles, was festgefügt war, alles, was schicksalhaft verordnet schien, gerät in Bewegung. Wie im Winter, wenn in der Wüste die Blumen blühen. Menschen, die sich mit Einschränkungen bereits abgefunden hatten, werden von diesen befreit. Sogar Tote werden aufgeweckt; Menschen, die bereits mit dem Leben abgeschlossen hatten. Schon wie tot waren, mitten im Leben. Diese Botschaft dringt durch - sogar zu den Bettelarmen; zu ihnen, die die Verzweiflung umgibt, wird die Botschaft der Freude gebracht. Der FREUDE, nicht nur der Vorfreude. Und glücklich ist, wer das mittragen kann. Wen das nicht ängstigt, sondern beflügelt. Und glücklich ist, wen das Glück derer, die bisher nicht zu den Glücklichsten zählten, mit Glück erfüllt - und nicht mit Neid. Johannes und Jesus, ein gut kooperierendes Duo. Ein Modell der gegenseitigen Wertschätzung. Ein Bild für gelingendes "Ziehen am gemeinsamen Strang". Mag sein, dass es auch Konkurrenz und Widersprüche gab; mag sein, dass es nicht gleich war, was sie wollten. Aber sie teilten die Vision der "Botschaft der Freude", der Gewaltlosigkeit und des Friedens, der Gerechtigkeit und des Friedens.

Amen

Hanna Kreisel-Liebermann
Wilhelm-Weber-Str. 1
37073 Göttingen
Tel 0551-44713
hannakl@gmx.de


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