Göttinger Predigten im Internet | hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
Predigten zur EKD-Initiative (Überblick) / Webseiten und Informationen zur Initiative

Was ist Glück?
Konfirmationspredigt
von Christoph Lang

Hinweis auf die Vorarbeiten des Gottesdienstes in Gemeinde und Unterricht

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern und Paten, liebe Festgemeinde!

I.

"Was ist Glück?"

Glück ist, die jungen Turmfalken fliegen zu sehen, hier oben am Kirchturm, ihnen zuzuschauen, wie sie ausfliegen, und dabei zu träumen: von Freiheit und Unabhängigkeit - das ist für mich Glück.

"Was ist Glück?"

Glück ist, zum rechten Zeitpunkt in der Stadtbahn einem Menschen gegenüber zu sitzen, der gerade jetzt meine Hilfe braucht. Weil er fremd ist, sich nicht auskennt in unsrer Stadt, und - was für ein Zufall - gerade ich ihm den Weg sagen kann und die Adresse kenne, die er sucht. Ich merke: Ich werde gebraucht, meine Hilfe tut einem anderen Menschen gut. Ich bin so frei, ich helf dir weiter! Das ist für mich Glück.

"Was ist Glück?"

Als ich mir diese Frage im Blick auf Eure Konfirmation gestellt habe, hab ich die Turmfalken hier hoch oben im Kirchturm beobachtet. Ich vermute, nein, ich bin mir sicher: Die jungen Turmfalken sind glücklich. Jetzt fliegen sie endlich, seit einigen Wochen, noch immer kehren sie zurück zum Nest, aber mehr und mehr entfernen sie sich, drehen größere Runden, bis sie eines Tages ganz selbständig geworden sind. Sie gleichen Euch, liebe Konfirmanden, und sie zu sehen, wie sie da so frei und unabhängig fliegen - auch das ist Glück für mich.

II.

"Was ist Glück?"

So lautet auch die Frage auf dem Plakat der Ev. Kirche in Deutschland, das seit wenigen Tagen an vielen Orten zu sehen ist. Auch wir haben einige davon aufgehängt, wohl wissend, das manchem die Fragen und die Antwort-Vorschläge zu einfach sind. Aber diesmal sind die vier Antworten auf die Frage nach dem Glück gar nicht so abwegig.

"Was ist Glück?"

Eine Gehaltserhöhung?

Ja, sicher, warum nicht. Wer könnte bestreiten, dass eine faire Bezahlung der eigenen Arbeit zum Glück dazu gehört. Materielle Absicherung - wir sind von den ganz existentiellen Fragen befreit und müssen nicht bangen um das nächste Mittagessen oder kämpfen um eine warme Mahlzeit am Tag...

"Was ist Glück?"

Wieder mal bei Oma Erdbeerkuchen essen?

Ja, sicher, warum nicht. Wer könnte bestreiten, dass es zu den Highlights zwischen Enkeln und Großeltern gehört, sich einfach ohne Reue drei bis vier Stück Erdbeerkuchen zu gönnen - und dabei noch im Vertrauen so manches zu bequatschen, was die Eltern nicht wissen müssen. Gott sei Dank, gibt es solche Omas und Opas - die sind Gold wert.

"Was ist Glück?"

Gesundheit. Als wir Sie, liebe Konfirmanden-Eltern, beim letzten Elternabend nach Ihrer Vorstellung von Glück gefragt haben, waren sich an diesem Punkt alle einig: Gesundheit ist eines der höchsten Güter und gehört zum Glücklichsein dazu.

"Was ist Glück?"

Ein Ticket für die Fußball WM. Ja, sicher, warum nicht? Obwohl, nicht alle sind Fußball-Fans, manch einer wird jetzt gelangweilt abschalten - viele andere Herzen schlagen höher bei der Vorstellung, wirklich im Stadion zu sitzen bei einem WM-Spiel.

"Was ist Glück?"

III.

Beim Konfirmanden-Elternabend haben Sie sich an den Tischen so allerlei Gedanken gemacht. Bei Ihnen allen kam auf diese Frage "Was ist Glück?" beides zum Vorschein: Glück, das ist etwas, was mit mir persönlich und meinem Wohlbefinden zu tun hat: Gesundheit, Zufriedenheit, Freiheit im Großen wir im Kleinen.
Aber Glück, das kann man eigentlich nicht für sich selbst behalten. Glück hat immer auch mit den anderen zu tun. Und darum haben Sie auch formuliert:

Glück ist

- gesunde Kinder zu haben und sie aufwachsen zu sehen
- in einer intakten Familie zu leben
- gute Freunde zu haben
- Frieden
- in einer Gemeinde zu sein

All das sind Dinge, die mit den anderen zu tun haben. Glück hat sehr viel damit zu tun, dass Menschen miteinander in Familie, Gemeinde, Freundschaft und in der weiten Welt miteinander leben, sich verständigen, sich unterstützen - wie wir es letzte Woche hier in der Kirche ja auch von Euch, liebe Konfirmanden, zB anhand des Mobilés im Mittelgang der Kirche gehört haben.

Liebe Konfirmanden,

heute ist so ein Tag, an dem wir Euch von Herzen Glück wünschen. Viele Hände werdet Ihr heute schütteln, viele Glückwünsche entgegen nehmen. Viele, wir alle, wünschen Euch heute Glück. Glück in diesem Sinne, dass Ihr beides, Freiheit und Verantwortung zusammen kriegt.

Dass Ihr immer wisst, wo Ihr hingehört, in Euren Familien, in Eurer Gemeinde, in Eurer Heimat. Dass Ihr nicht vergesst, wo Euer Nest ist, auch wenn Ihr es mehr und mehr verlassen werdet.

Dass Ihr aber auch die Freiheit habt, Euch zu entfalten, Eure eigenen Wege zu gehen, in der Familie, in der Gemeinde, in dieser schönen Welt.

Freiheit und Verantwortung - diese beiden Glücksmomente gehören unauflöslich zusammen. Als junge Christen seid Ihr jetzt zur Verantwortung aufgefordert: Zur Verantwortung, wenn Ihr ein Patenamt übernehmt. Zur Verantwortung, wenn Ihr in Eurem Freundeskreis merkt, das etwas aus dem Ruder läuft. Zur Verantwortung in Euren Familien, wenn Ihr merkt: Hier tut sich was, wir müssen reden. So kann ich das nicht stehen lassen. Sagt Eure Meinung, begründet sie, nennt die Dinge beim Namen!
Es gibt nichts besseres auf der Welt, liebe Eltern und Paten, als mit diesen jungen Menschen hier sich gemeinsam auf den Weg zu machen, ihre Fragen und ihre Antworten zu hören und ernst zu nehmen.

Liebe Konfirmanden, ihr seid schließlich auch dann zur Verantwortung gerufen, wenn Ihr merkt, dass sich einer immer mehr abkapselt aus der Gruppe, aus der Schule, dass sich einer vergräbt hinter dem Computer oder hinter einer Fassade - und niemand weiß, was in ihm drinnen vorgeht. Als junge Christen seid Ihr - wie wir alle, liebe Gemeinde - herausgefordert, immer wieder den ersten Schritt zu machen - gerade auf die zu, die keiner sieht. Und auf die zu, die sich einigeln in ihrer eigenen Welt: Wie wichtig ist es dann, dass einer kommt und sieht und hilft! Jesus ist uns darin Vorbild, und er hat es immer wieder gesagt: "Glücklich sind die, die barmherzig sind, denn Gott wird auch mit ihnen barmherzig sein." Und: "Glücklich sind die, die Frieden stiften - denn Gott wird sie seine Kinder nennen." Was haben wir das nötig, liebe Gemeinde, Friedensstifter im Kleinen wie im Großen!

Wer getauft ist, trägt den Namen des Mannes, der mit seinem Leben und mit seinem Sterben Frieden gebracht hat für diese Welt - aber es bleibt alles beim Alten, wenn wir diesen Frieden nicht einüben und weitergeben in der Schulen, Häusern, auf der Straße, in unsrer Gemeinde!

Als junge Christen, liebe Konfirmanden, solltet Ihr Euch auch überlegen, wenn Ihr Eure Pläne schmiedet für die Zukunft: Wäre es für mich eine Herausforderung, ja, könnte ich mein Glück vielleicht in einem Beruf finden, mit dem ich anderen helfen kann? Auch das ist Glück! Als Krankenschwester, als Pfleger, als Erzieherin oder in der Arbeit mit Behinderten?! Wir werden Euch hier dringender denn je brauchen!

IV.

So, das war das eine. Doch in gleicher Weise möchte ich Euch neben der Verantwortung auch die Freiheit mit auf Euren Weg geben. Wenn beides zusammengehört, dann darf die christliche Freiheit hier nicht unter den Tisch fallen.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

mit Eurem "Ja" zur Taufe, das Ihr heute gemeinsam sprecht, verpflichtet Ihr Euch nicht nur zu einem Leben nach Gottes Geboten. Sondern es wird Euch auch eine einzigartige Würde und Freiheit zugesprochen: Die Freiheit der Kinder Gottes, so sagt es die Bibel.
Diese Freiheit steht über allen Sachzwängen und über allem Leistungsdruck. Diese Freiheit, die Euch Gott durch Jesus Christus, seinen Sohn, geschenkt hat, reicht weiter als alle Zeugnisse und Qualifikationen, die Ihr in Eurem Leben noch anstreben und hoffentlich auch erhalten werdet. Ja, diese christliche Freiheit, die Euch durch Jesu Tod und Auferstehen geschenkt wird, macht Euch sogar dazu fähig, gegen den Strom zu schwimmen - und wenn es sein muss gegen alle anderen.

Eure Denksprüche sagen es, jeder auf seine Weise. Wenn die Stimme Eures Gewissens zu Euch spricht, oder wenn Euch ein Bibelwort, vielleicht Euer Konfirmandenspruch plötzlich in den Sinn kommt, dann wisst Ihr: Jetzt bin ich dran. Jetzt gilt es, meine Freiheit recht zu gebrauchen. Nämlich: In der Verantwortung vor Gott und den Menschen.

Und wenn man dann das Rechte tut, auch wenn es unbequem oder schwer zu tragen ist - dann, so meine ich, weiß man erst, was Glück ist: Das Rechte zur rechten Zeit tun! Das ist Glück!

Ich erinnere noch einmal an die Taufgeschichte, die wir am letzten Sonntag miteinander gehört haben. Da kommt ein Finanzminister aus Äthiopien nach Jerusalem, auf der Suche nach der Wahrheit, auf der Suche nach Sinn und Ziel seines Lebens. Immerhin: Er war schon auf dem Weg der Freiheit. Er nahm sich die Zeit, die Freiheit, das Geld, um etwas ganz Verrücktes zu tun: Er machte eine Pilgerreise, um zu erfahren, wie die Sache mit Gott nun genau zu begreifen ist. Er fährt nach Jerusalem, studiert die Schriften, sucht und forscht. Und als er schon auf der Rückreise ist, begegnet ihm der Philippus. Nein, besser gesagt: Schickt Gott ihm den Philippus vor den Wagen. Der erste "Auffahrunfall" im Neuen Testament, denn Philippus wäre beinahe überfahren worden vom Wagen des Kämmerers.

Aber so ist es ja oft im Leben: Aus den vermeintlichen "Unfällen" werden manches Mal Zufälle, Glücksfälle. Und Philippus wird dem hohen Herrn aus Äthiopien zum Freund und Weggefährten. Er geht mit ihm mit, eine Zeit lang, er ist so frei und nimmt sich die Zeit, und bezeugt ihm, was ihn trägt und was er glaubt, und wieso er Jesus Christus vertraut. Und als sie einen Fluss kommen, da merkt der äthiopische Pilger plötzlich, dass eigentlich alles klar war: Hier ist Wasser! Was hindert's, dass ich getauft werde? Und er lässt sich taufen, er lässt das Rechte zur rechten Zeit an sich geschehen - und, so heißt es am Ende dieser wunderbaren Geschichte, "er zog seine Straße fröhlich"!

Ja, er ist ein glücklicher Mensch im tiefsten Sinne des Wortes! Das ist Glück, liebe Konfirmanden, liebe Eltern und Paten! Das ist Glück, wenn ein Mensch die Gewissheit hat, dass er zu Gott gehört und ihn nichts, keine Krankheit, kein Unglück, kein Versagen, nicht einmal der Tod ihn aus der Hand Gottes reißen kann. Das ist Glück!

V.

In der Taufe wurde dies über Euch ausgesprochen: Ihr gehört zu Gott, nichts kann Euch aus seiner Hand reißen. Heute versprecht ihr und bekennt es vor der Gemeinde, dass ihr diese Freiheit, die ER Euch schenkt, nicht missbrauchen wollt, sondern verantwortlich mit ihr umgeht. Und Sören, der heute als Konfirmand getauft wird, zeigt uns mit seiner Taufe, dass die Konfirmation und die Taufe aufs Engste zusammengehören: Denn mit der Taufe beginnt ein Weg, den jede und jeder von Euch selbst gehen muss. Nichts wird Euch abgenommen, aber alles dürft ihr von dem erwarten, der sich für Euch ans Kreuz nageln ließ - damit Ihr Freiheit und Leben habt.

Und wir, liebe Gemeinde, sind an diesem Festtag in gleicher Weise aufgefordert, den Bund unsrer Taufe von damals zu erneuern: Was Gott uns damals zugesagt hat, möchte im Glauben jeden morgen neu ergriffen werden. Damit wir das Rechte zur rechten Zeit tun und lassen.

Uns allen gebe Gott dazu seinen Heiligen Geist. Euch, liebe Konfirmanden, wünschen wir - in diesem Sinne - jetzt vor allem viel Glück - und das heißt doch auf den Punkt gebracht: Gottes Segen!

Und der Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied nach der Predigt EG 352, 1-4 Alles ist an Gottes Segen

Hinweis auf die Vorarbeiten des Gottesdienstes in Gemeinde und Unterricht

Der Predigt liegt u.a. ein Konfirmandenelternabend zugrunde, bei dem sich die Eltern über das Plakat und die Frage "Was ist Glück?" ausgetauscht haben. Im Konfirmandengespräch eine Woche zuvor wurde das Thema "Taufe" behandelt, die Taufgeschichte vom Kämmerer aus Äthiopien (Act 8) ist dabei verlesen worden und wir in dieser Predigt wieder aufgegriffen. Im Gottesdienst selbst wird ein Konfirmand getauft.

Christoph Lang, Pfr.
Wössinger Str. 39
75045 Walzbachtal
Ev.Pfarramt.Woessingen@gmx.de