Göttinger Predigten im Internet | hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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Was ist Glück?
Glücksvorstellungen, Versuchungen und unser Verhältnis zu Gott
Predigt zu Lukas 4, 5-8, von Friedrich Malkemus

Liebe Gemeinde,
so lesen wir im Evangelium des Lukas, Kapitel 4 in den Versen 5-8:
"Und der Teufel führte ihn hoch hinauf und zeigte ihm alle Reiche der Welt in einem Augenblick und sprach zu ihm: Alle diese Macht will ich dir geben und ihre Herrlichkeit; denn sie ist mir übergeben und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du mich nun anbetest, so soll sie ganz dein sein. Jesus antwortete ihm und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 6,13): "Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.""

Ihr lieben Schwestern und Brüder!

Die Maler besonders des Mittelalters haben dem Teufel eine Gestalt gegeben. Da die Überlieferung der Bibel dazu keinerlei Material lieferte, mußten sie selber aus der eigenen Vorstellungskraft schöpfen. Und dann stand er da, dieser finstere Geselle mit Pferdefuß und Gehörn im Halbdunkel und gräßlicher Grimasse, dazu in geduckter Haltung und zottigem Fell. Der Teufel - der Versucher. So hatte man den Kerl verdinglicht und den Leuten eingeprägt. Damit war er in eine Figur gebannt - und von uns entfernt.

Unser Predigttext jedoch sperrt den Versucher überhaupt nicht in eine Gestalt. Vielmehr wird hier der Versucher in seinem massiven Drängen und Verführen erkennbar. Indem er führt, wird überdeutlich, wie nahe und ständig gegenwärtig das versucherische Element dem Menschen ist. Und Jesus erweist sich als der Mensch, der versucht war - wie wir allenthalben.

Der herausgehobene Ort erweist sich als der Ort der Versuchung: der hohe Berg. Denken wir einmal daran, wie unsere Stimmung sich hebt, wenn wir oben angekommen sind - etwa auf einem Gipfel im Gebirge. Aber das gleiche Phänomen zeigt sich auch, wenn wir auf einer Bühne agieren. Warum wird der Sieger so hoch postiert? Und wie fühle ich mich am Rednerpult? Wie genüßlich sagen wir: Er ist nun im gehobenen Dienst!? - Hier liegen die Versuchungen doch ganz nahe an unseren Gefühlen und Empfindungen. Da oben eröffnen sich neue, völlig ungeahnte Möglichkeiten! Auf der Leiter des Ruhmes muss ich nur weit genug oben sein - dann bin ich auch wer. Bei dem Radrennen rund um den Hennigerturm in Frankfurt hatte der hessische Rundfunk einen Postboten aus dem Oldenwald mitfahren lassen, ein guter Radfahrer, aber kein Spitzenprofi. Er kam ganz gut voran und schnitt nicht gerade sensationell ab. Aber er war zufrieden.

Eine sympathische Idee! Jedoch auch ein Beispiel für unsere Höhentheorie: Er war begeistert, ganz in der Nähe der gefeierten Starelite gewesen zu sein! Und wie recken sich die Köpfe, wenn gar die Fernsehkamera in unsere Nähe schwenkt! "Oben sein" ist fast alles in unseren Wunschphantasien.

Und beim Besitz ist ebenso das Versucherische angesiedelt - und das ständig. Wenn ich doch dieses Kettchen hätte, dann wäre mein Glück perfekt. Eine Zeitlang wird der neue Schmuck beachtet, dann liegt er da und eines Tages ist er völlig vergessen.

Alle Reiche der ganzen Welt in einem Augenblick! Welch eine gigantische Vision. Wer verlangt schon nach deren Verwirklichung? Wohl nicht jedermann will giga- und megareich sein, aber ein bisschen davon wohl schon. Und die Unersättlichen hat es in der Weltgeschichte doch immer wieder gegeben. Diese haben sich dann in gewissen Augenblicken auf der Höhe ihres sonderbaren Ruhmes malen und darstellen lassen und gehörten sie oft nur für kurze Zeitspannen zu den Großen der Weltgeschichte. Der Versucher hat es darauf angelegt, ganz dem Reich und der Herrlichkeit dieser Welt zu verfallen und dem zu dienen, dieses zu vergöttlichen.

Verbirgt sich nicht dieser Vorgang etwa in dem Sätzchen: "Es wäre wirklich Spitze, wenn ich dies oder das hätte?" Der Versucher treibt es in jedem Fall auf die Spitze mit der Verführung und unserem Kniefall vor dem Reich dieser Welt. Höchste Gefahr ist nahe bei der Begeisterung für das Höchste, Schnellste, Teuerste, Schönste, Extravaganteste!

Jesus erkennt den Abgrund der Verführung in die blanke Gottlosigkeit. Die Attacke des Versuchers bleibt bei Jesus jedoch nicht lange ohne Antwort. Für ihn ist es ohne Zweifel ein Sturz in den Abgrund, wenn wir uns den Dingen der Welt ausliefern und unterwerfen. Die Reiche der Welt sollen und müssen wohl sein. Diese haben wir nicht zum Sturz zu bringen, aber unser Verhältnis zu diesen Reichtümern dieser Welt muss umgekehrt werden! Es ist sozusagen ein Umsturz des Verhältnisses nötig. Nicht sie sollen unter uns und über uns herrschen. Denn Gott ist der Herr - er allein. Alles in unserer Welt hat eine vorläufige und nachrangige Funktion. Gott ist Schöpfer und Herr und Geber aller Gaben. Diese haben dienende und niemals uns beherrschende Autorität! Sie sind vergänglicher Natur - wie wir - und darum bleibt alles Gott unterworfen.

Was ist Glück?

Jesus wendet sich ab von dem versucherischen Gedankengut und hin zu dem, der allein Herr heißt. Ob wir unser Verhältnis zu unseren Glücksvorstellungen und Wunschträumen nicht gerade auch auf dem Hintergrund dieses Evangeliums überdenken sollten? Wie nimmt sich da die verführerische Welt von schreierischen, verlogenen Werbespots aus!?

Wir wollen uns erfreuen an den Gaben, die wir haben oder erhalten, als an Gaben, die uns durch Gottes Güte gewährt werden. Nehmen wir sie dankbar in den dienenden Gebrauch, nicht nur zu unserem Nutzen, sondern auch zum Wohle des Nächsten. Und machen wir unsere Eitelkeit und unser Ich nicht zum Götzen, vor dem wir oder andere niederfallen und anbeten. Beten wir miteinander den Herrn an, der allein unserer Achtung würdig ist und von dem allein wir mit Jesus sagen:
Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit!
Amen.

Friedrich Malkemus
Dekan i.R., Kirchenrat
Wolfgang-Zeller-Str. 13
34613 Schwalmstadt-Ziegenhain