Göttinger Predigten im Internet | hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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Sind Fußballer unsere wahren Götter?
Thomas Oesterle

Liebe Gäste beim Gottesdienst im Grünen,

einen etwas ungewöhnlichen Predigtgegenstand haben wir uns in diesem Jahr für die drei Gottesdienste im Grünen hier auf dem Grafenberg ausgesucht. Wir wollen Predigten über Plakate halten, die zu einer Werbeaktion der evangelischen Kirche in Deutschland gehören. Unsere Kirche hat viel Geld in die Hand genommen, um in Großstädten Plakatwände zu bekleben und in allen wichtigen deutschen Magazinen und Illustrierten Anzeigen zu schalten. Vielleicht sind sie ja schon einmal in Ihrer Fernsehzeitschrift oder in Ihrer Lieblingsillustrierte auf solche Anzeigen gestoßen.

P L A K A T Z E I G E N

Alle Plakate und Anzeigen sind so aufgebaut, daß im Hintergrund viel blauer Himmel zu sehen ist - für viele Menschen ist der noch immer das zentrale Symbol für den Aufenthaltsort Gottes. Oben auf dem Plakat dominiert eine groß heraus gehobene Frage, dann folgen Antwortangebote im multiple-choice-Verfahren. Im unteren Teil des Plakates bietet unsere Kirche an, gemeinsam mit den Fragenden nach einer Antwort zu suchen. Die einzige Kritik die ich am Aufbau der Plakate habe ist, daß dieses Angebot unserer Kirche, gemeinsam mit den Menschen nach Antworten zu suchen, nicht größer dargestellt ist und die Frage dafür etwas kleiner. Denn unsere Kirche wirbt mit diesen Plakaten ja nicht in erster Linie für den Kirchenbesuch, oder nennt Argumente gegen einen Kirchenaustritt. Sondern Sie wirbt um Vertrauen und Sympathie, wenn Menschen einen Partner für die Fragen ihres Lebens suchen. Deshalb ist während der Kampagne auch eine telefonische Hotline geschaltet und eine Internet-Homepage eingerichtet, um bei der Suche nach Antworten auch tatsächlich ansprechbar zu sein.

Natürlich gab es auch Kritik an der neuen Werbekampagne unserer Kirche. Vor allem bei uns in Württemberg hätten sich wohl Manche gewünscht, lieber ein gutes Bibelwort so stark zu verbreiten, nicht die Alltagsfragen die oben auf den Plakaten zu sehen sind. Andere haben in den multiple-choice-Antworten groß aufgemachte Banalitäten und Belanglosigkeiten gesehen. Statt der einen Wahrheit des Evangeliums biete unsere Kirche hier nur die Beliebigkeit eines Wahlverfahrens. Ich selbst kann diese Kritik so aber nicht teilen. Wer meint er könnenden Menschen Antworten anbieten, ohne sich zuvor um ihre Fragen zu kümmern, der wird auf Dauer nicht gehört werden. Gute Theologie - das habe ich von meinem Lehrer Paul Tillich gelernt - ist immer ein Wechselspiel von Frage und Antwort. Nur wer jene Fragen die Menschen in sich tragen ernst nimmt, der wird dann auch die Antwort des Evangeliums so zusprechen können, daß sie das menschliche Herz und den menschlichen Verstand erreichen. Und wer die tatsächliche Banalität der Antworten in den multiple-choice Kästchen kritisiert, der erkennt nicht, daß diese Kästchen nicht das Antwortangebot der Kirche darstellen sollen, sondern die Banalitäten die in der Zwischenzeit unsere Medien und unseren Alltag bestimmen.

Doch nun komme ich zum Plakat des Monats Juni. "Sind Fußballer unsere wahren Götter ?" wird da gefragt. Das ist eine Frage die in diese Wochen der Fußball-WM in Japan gut paßt. Aber vielleicht winken jetzt auch schon Viele von Ihnen innerlich ab und denken: "Ach - das ist doch klar, was der als Pfarrer dazu sagen wird." Doch gemach: Ich habe selbst aktiv 7 Jahre lang im Verein Fußball gespielt, habe erst vor kurzem meine Neffen dadurch ins bewundernde Staunen versetzt, daß ich alle Fußballweltmeister seit 1930 lückenlos aufzählen konnte und natürlich bin ich in der vergangenen Woche vor dem Fernsehgerät gesessen um den Weg der deutschen Mannschaft zu verfolgen. Wenn mir also etwas völlig ferne liegt, dann den Fußball und die WM madig zu machen. Dazu habe ich viel zu viel Spaß am Sport, am Fußball im Speziellen.

Daß nun Fußball etwas mit Religion zu tun hat, das konnte man in Deutschland in der letzen beiden Jahren deutlich sehen.

Unvergessen ist das dramatische Ende der vorletzten Bundesliga - Saison als Schalke so knapp die Meisterschaft verpaßte und Rudi Assauer darauf hin öffentlich mit dem Fußball - Gott haderte.

Unvergessen auch, wie Oliver Kahn zum Fußball-Gott erhoben wurde, als er im Elfmeterschießen das Champions-League Endspiel für die Bayern rettete. Schön war, daß er selbst, als er mit diesem Ehrentitel konfrontiert wurde in den Himmel zeigte und knapp sagte: "Es gibt nur Einen."

Unvergessen ist auch, daß Rainer Calmund die vielen zweiten Plätze seiner Leverkusener in diesem Jahr so erklärte, daß da wohl der Fußball-Gott nicht mitgespielt habe.

Wir merken an diesen wenigen Beispielen: Der sportliche Wettkampf, der uns bei Siegen zu ungeheurer Euphorie und bei Niederlagen in tiefe Trauer stürzen kann, er ist dazu geeignet, religiös verbrämt oder aufgeladen zu werden. Ich will dieses Phänomen nicht gleich mit einem Blasphemie - Vorwurf zu Seite schieben, sondern es zum Ausgangspunkt theologischen Nachdenkens machen.

Die Bibel sagt im ersten der 10. Gebote: "Ich bin der Herr dein Gott, der ich dich aus dem Ägyptenland aus der Knechtschaft geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir." (Ex.20,2-3). Dieses Gebot konstatiert zuerst einmal, daß es neben dem einen, alleine zu verehrenden Gott selbstverständlich auch noch andere Götter gibt. Was aber sind diese Götter? Martin Luther schreibt dazu in seiner Auslegung des 1. Gebotes: "...alleine das Trauen und Gläuben des Herzens machet beide, Gott und Abgott. ... Worauf du nu' dein Herz hängest und verlässest, das ist eigentlich dein Gott."

Götter sind - wenn man Luthers Gedanken aufgreift, irgendwelche innerweltlichen Größen, z.B. das Geld (BSLK S.561), die angestrebte Karriere, Menschen die man sich als Vorbilder wählt, oder Helden und Retter (Heiligenverehrung BSLK S.562), die in einer bestimmten Lebenssituation sehr wichtig werden können. So wichtig, daß man sich ganz nach ihnen ausrichtet, sich völlig an ihnen orientiert. Das ist in sich schon problematisch, vor allem weil man über diesen Göttern irgendwann den wahren Gott aus dem Blick verliert. Wirklich gefährlich werden diese Götter aber dann, wenn sie auch von sich aus einen unbedingten Anspruch auf unser Leben entfalten, wenn sie für sich beanspruchen, was alleine Gott selbst zusteht. Wenn irgendeinen endliche Größe oder eine endliche Person auf unser Herz und Gefühl einen unendlichen Anspruch erhebt, dann kommt es erst zu einer wesentlichen Verwechslung. Dann setzt sich an die Stelle des einen wahren Gottes ein Götze der doch nicht Gott ist. Das kann dann auch dämonische Züge annehmen (Tillich ST III, S. 120ff). Luther hat richtig erkannt, daß wir immer wieder auf die Götter hereinfallen, weil man Gott nicht "...mit Fingern ergreifen und fassen noch in einen Beutel stecken oder in einen Kasten schließen kann." Da machen es uns die Götter einfacher, denn sie entstammen unserer endlichen und anfaßbaren Welt.

Wenn ich nun zur Frage zurückkehre: "Sind Fußballer unsere wahren Götter" - so würde ich also antworten: Götter können sie für machen Menschen vielleicht sein, aber hoffentlich sind sie es nur in dem begrenzten, fehlbaren und scheiternden Sinn, wie es auch die Götter der griechischen Sagen waren. Wahr und wahrhaftig ist aber nur der eine Gott von dem uns die Bibel berichtet und den uns Jesus Christus in einer unüberbietbaren Weise gezeigt hat.

Gegenüber den begrenzten und fehlbaren Göttern dieser Welt sind aber Zweifel und Kritik angebracht, denen tut es gut wenn man sie immer einmal wieder mit kritischen theologischen Verstand vom Throne stürzt.

Dem einen wahren Gott aber sollten wir vertrauen lernen, denn er gibt uns Sinn und Gewißheit in einer ungewissen Welt.

Fußball ist uns bleibt für mich eine der wirklich schönen Nebensachen der Welt. Diese Nebensachen machen aber das Leben schön, deshalb sollte man sie nicht unterschätzen oder klein reden. Schon in der vergangenen Woche hat er mir einige schöne und auch dramatische Stunden bereitet. Nur - egal wie weit unsere Jungs in Japan und Südkorea noch kommen, um die letzen Dinge des Lebens geht es beim Fußball nicht, das sollten wir festhalten. AMEN

Thomas Oesterle
E-Mail: ev.pauluski.ost.schorndorf@t-online.de