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17. Sonntag nach Trinitatis,
22. September 2002
Predigt über Epheser 4, 1-6, verfaßt von Hinrich Buß (-> zu den aktuellen Predigten / www.online-predigten.de) |
So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, daß ihr
der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, Liebe Gemeinde, ermahnen will der Apostel seine Leser, nachdem er bereits drei Kapitel seines Briefes nieder geschrieben hat. Doch er kommt nicht weit damit. Er hat gerade die mahnende Stimme erhoben, da unterbricht er sich selbst und wendet sich einem Thema zu, welches ihn vor allem anderen beschäftigt und umtreibt. Er läßt einstweilen das Auffordern sein und beschreibt statt dessen, was die Kirche ist, ja er malt es vor Augen, nämlich: "ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung". Er mahnt nicht, sondern stellt fest, was Inhalt des Glaubens ist, nämlich "ein Herr, ein Glaube, eine Taufe" und "ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen." In der Tat, von solchen Formulierungen geht Faszination aus. Da sind Menschen aus vieler Herren und Frauen Länder zusammen geströmt - Ephesus war dazumal ein Schmelztiegel vieler Völker, Religionen und Gebräuche - und sie alle sind nun geeint in einer Kirche und einem Glauben. Unvorstellbar und doch wahr! Dies haben nicht Menschen geschafft, es war der Kyrios selbst, der dies Werk vollbracht hat. Er, Christus, hat den trennenden Zaun abgerissen und Menschen zusammen gebracht. Oder mit Worten aus dem 2. Kapitel: "Er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren." Jesus, der Friedensbringer. "Ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung" - dies ist eingängig in Worte gesetzt und die anderen Formulierungen auch. Man kann sie gut behalten und leicht nachsprechen. Es gab in griechischen Volksversammlungen die Sitte, daß einzelne Teilnehmer mit lauter Stimme Parolen ausriefen, welche die gemeinte Sache auf den Punkt brachten. Der Redner griff sie auf, die Volksmenge sprach sie nach. So flogen die Worte hin und her, es war eine putzmuntere Versammlung, die da ablief. Man darf annehmen, daß die Gemeinde in Ephesus diesen Brauch übernommen hat. . Und warum tun wir das nicht? Kirche und Glaube auf den Punkt gebracht. Oder genauer: In drei Dreierreihen formuliert. Was auffällt ist das sich wiederholende Wort "ein". Um Einheit und Einigkeit geht es. Um sie dreht sich alles. Ist unsere Kirche tatsächlich so? Und glauben bei uns alle dasselbe? Ich sehe Sie schon den Kopf schütteln. So viele Köpfe, so viele Sinne. Der Apostel fällt sich selbst ins Wort, in das ermahnende. Um deutlich zu machen: Wir können die Einheit der Kirche und des Glaubens nicht herstellen. Wir können sie aber in den Raum stellen, indem wir sie laut aussprechen. Wir können sie uns gegenseitig zurufen. Sie gilt, bei Gott im Himmel und darum auch bei uns auf Erden. Wie das Amen in der Kirche. Was besagt: So ist es. Nachdem dies klar gestellt ist, hat auch die Ermahnung ihren Platz. Nun sind wir gefordert. Die zentrale Aufforderung lautet: "Seid darauf bedacht zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens." Sie kommt zu stehen ausgerechnet zwischen dem 11. September und dem 22., dem ersten Jahrestag des Terrorangriffs auf die Doppeltürme in New York und dem Wahlsonntag. Zwischen dem mutwilligen Auslöschen von Menschenleben und dem Eindreschen auf den politischen Gegner. Als von Gott Angesprochene, Angerufene, Berufene sind wir aufgefordert. Bemüht euch darum, daß ihr euch der Berufung - und das heißt auch eurem Beruf - würdig erweist. Paßt das eine mit dem anderen zusammen? "Ertragt einer den anderen in Liebe", heißt die schlichte Umsetzung der Aufforderung. Sie klingt harmlos, prosaisch und trägt den Mief des Kleinkarierten an sich. Wie soll damit Frieden, dieser edle Zustand, je erreicht werden? Das Alltägliche dieser Aufforderung ist ihre Stärke. Sie betrifft jede und jeden. Wenn Frieden nicht im eigenen Haus, wie soll er dann auf dem Globus erreicht werden? Lassen Sie uns also der Ermahnung näher treten. 1. Sich aus dem Wege zu gehen, empfiehlt sich auch, wenn man gern laute Musik hört oder macht. Es können dadurch ausgewachsene Familientragödien entstehen. Wände zittern und Nerven flattern. Ich habe vor einiger Zeit ein Jugendheim kennengelernt mit Namen "Klex", das in Bodenwerder an der Weser steht und zwar allein und das in den Kellerräumen dicke Wände hat. Sie sind ein Segen. Junge Leute können auf die Pauke hauen und die Musikbox aufdrehen, es stört keinen und erfreut die Krachmacher. Was bedeutet: Man muß nicht alles zusammen machen, getrennte Wege zu gehen ist eine gescheite Art und Weise sich gegenseitig zu ertragen. 2. Wenn nun aber ein Mensch einen anderen sich gleich machen oder nach seinen Wünschen gestalten will, durch Erziehung oder - irreversibler noch - durch Eingriffe in die Erbanlagen, dann greift er ein in die Freiheit eines Menschen. "Einer von deiner Sorte genügt" ist so gesehen eine weise Einsicht. Der auf diesen Unterschied von Ebenbild Gottes und Gleichmacherei durch Menschen hingewiesen hat, ist der Philosoph Jürgen Habermas, übrigens aus Anlaß des 11. September 2001. Vor diesem Hintergrund bekommt der schlichte Satz "Ertraget einer den andern" eine zusätzliche Bedeutung. Wenn denn Gleichmachenwollen die Selbstbestimmung einschränkt oder gar zerstört, so ermöglicht das Ertragen des anderen Freiheit. 3. 4. 5. Was viele bei dem Anschlag in Manhattan über die Maßen erschreckt hat, ist, daß religiöse Überzeugung und kriegerische Tat Hand in Hand gegangen sind. Daß der Glaube an ein Jenseits und der Terror im Diesseits ein Bündnis geschlossen haben. Daß das Unbedingte und das Ungeheuerliche gemeinsam aufgetreten sind. Dem ist entschlossen entgegen zu treten: Kein Vorgang verdient es, verabsolutiert und in den Rang des Göttlichen gehoben zu werden. Kein weltliches Ziel ist es wert, mit dem Etikett "heilig" versehen zu werden. Es gibt keinen Krieg, der zu heiligen wäre. Der Friede ist uns auf den Leib geschrieben. Gott ist freilich zugleich "der Vater aller" Menschen, wie im Epheserbrief geschrieben steht. Da ist es nur konsequent, daß ein Band des Friedens auch zwischen den Religionen entsteht und sie für ihn gemeinsam Verantwortung übernehmen. Friede zwischen und in den Religionen - ein Segen für die Menschheit wäre er. Daß dieser eine Gott "über allen und durch alle und in allen" waltet, Menschen und Völkern und Religionen, ist eine beflügelnde Verheißung. Großer Gott, erneuere die Gestalt der Erde und mache deine Kirche neu und fange bei mir an. Amen Dr. Hinrich Buß |
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