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17. Sonntag nach Trinitatis,
22. September 2002
Predigt über Epheser 4, 1-6 (7), verfaßt von Detlef Reichert (-> zu den aktuellen Predigten / www.online-predigten.de) |
Liebe Gemeinde,
Ermahnungen und Versprechungen tragen beide oft ein ganz schönes Maß an Distanz in sich. Wie weit meint sich der, der ermahnt, von dem entfernt, auf den er einredet, und der andere hört und merkt das dann ja auch genau. Und wie weit sind Versprechungen von dem entfernt , was in dem Moment meine Gegenwart wirklich ausmacht, wo ich sie höre. Das ist bei Gesprächen so und in manchen Briefen, wie man sie hin und wieder bekommt. Wenn es glückt, läßt sich die Distanz und die Entfernung überwinden. Manchmal jedenfalls. Ob das in Ephesus so geklappt hat, ich weiß es nicht. Vielleicht ja oder doch nicht sofort, vielleicht erst später. Aufgeschrieben und festgehalten hat das keiner, nur - es ist der Predigttext für den heutigen Sonntag-, die Ermahnungen und das Versprechen sind erhalten im Neuen Testament, eben im Epheserbrief, Kapitel 4, die Verse 1 bis 7. Wenn mans vorher weiß, kann man sich wappnen. Also versuchen Sie einmal, beim ersten Hören das schnelle "das kenn ich doch" oder das "so geht das doch nicht" beiseite zu lassen. Epheser 4 : "So ermahne ich euch, Gefangener in dem Herrn, dass ihr wandelt, wie sichs gebührt eurer Berufung, mit der ihr berufen seid" - gemeint ist die Taufe-, "in aller Demut und Sanftmut, in Geduld; und vertraget einer den anderen in der Liebe und seid fleißig, zu halten die Einigkeit durch das Band des Friedens;" - das ruft nach Begründung, sie folgt, "ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einerlei Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen." Das ist massiv, und vielleicht deswegen folgt das Versprechen gleich nach: "Einem jeglichen aber unter uns ist gegeben die Gnade nach dem Maß der Gabe Christi." Geballt ist das schon, was den Leuten in Ephesus da zugemutet wird, und wenn ich es mit meinen eigenen Ohren höre, mir nicht anders. Einheit und Frieden, zwei von den Stichworten. Jetzt hätte ich selbst
fast gesagt, `das kenne ich doch´. Und ich kenne es ja nicht nur
als Ermahnung, sondern durchaus auch als eigenen Wunsch, auch in meiner
Kirche und ihr gegenüber, auch der Vielzahl der Kirchen gegenüber.
Wie oft ist da die eigene Bredouille, wenn ich darauf verwiesen werde
und mit Untertönen darauf angesprochen, warum diese Vielzahl der
Kirchen, wo es doch nur einen Gott gibt, wenn das so stimmt. Das provoziert schon die Frage: Wie sieht es denn damit aus bei uns, in der eigenen Kirche, in der eigenen Gemeinde, etwa wenn es um Prioritätensetzung geht oder um das Geld dafür. Und wer "drin" ist, weiß ,wie schnell sich dann die sogenanten Alternativen aufbauen: Orgelreparatur oder Jugendarbeit. Beides ist wichtig, natürlich, aber wenn das Geld vernünftig nur für Eines reicht, wie oft geht s dann los und mit wie wenig Einigkeit und mit wie wenig Frieden. Und wer könnte nicht aus manchen Kreisen und Gruppen diese oder jene Geschichte dazu erzählen. Das, was zur Sache gehört, spiegelt sich schon am Alltäglichen. Belanglos ist das nicht. Aber wie die Verse mit dem "wandelt, wie sichs gebührt euer Berufung, mit der ihr berufen seid" einsetzen und damit auf die Taufe anspielen, gehts es schon eine Etage tiefer. Nicht ein bisschen Frieden und ein bisschen Einigkeit, nicht ein wenig gesellschaftliche Sekundärtugenden, die ja auch nicht schlecht sind, sondern `wo gehörst Du eigentlich hin´, und was macht das eigentlich aus für dich, dass du zu Jesus Christus gehörst, dass du auf seinen Namen getauft bist und damit zur Kirche gehörst? Erst einmal dies, dass du ihm gehörst und nicht dir selbst. Du hast alles bekommen, was du brauchst. Du hast es schon, und du hast es dir nicht selbst gemacht und nicht selbst erworben, - auch wenn uns das, jeder Generation wieder neu, nicht schmeckt, und wir es selbst immer erst wieder lernen müssen. Lernen, damit umzugehen, dass meine Fähigkeiten, meine Kenntnisse und Fertigkeiten etwas sind, das mir gegeben ist, etwas, das nicht mein Werk ist, sondern das ich bekommen habe. Etwas, das ich bekomen habe, damit ich damit und daraus etwas mache. Ich kann das auch so sagen, in der Taufe ist über mich entschieden. Und wenn ich das aufnehme und festhalte, dass über mich schon entschieden
ist, dann leuchtet auch ein, dass diese Welt, dass mein eigenes Leben
in den Herrschaftsbereich von Christus gehört, - der Epheserbrief
nennt das mit seinem Bild den Christusleib. Und wenn über mich so entschieden ist und ich das festhalte, dann sind auch Frieden und Einheit nicht das, was ich bewirke und was ich schaffe, sondern sie sind beide schon immer da. Ich finde mich in ihnen vor. Sie sind so da, dass ich mich in sie hineinstellen kann. Und ich kann das nur, weil sie eben schon da sind. Wahrnehmen muss ich sie und erkennen, das ist meine Aufgabe, daran kann ich etwas tun. Sehen, wo ist der Friede, der weitergetragen und ausgebreitet werden will und wo die Einheit. Und da wird dann plötzlich Kirche sichtbar, die um den einen Gott weiß, von dem sie herkommt und lebt, zu dem sie gehört. Das wie ein Stakkato daherkommende `ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe , ein Gott´ tut nichts anderes als dies aufzunehmen, das hörbar zu machen und auszudrücken, dass die Welt ihm gehört, von dem sie herkommt, und dass wir dann ihm entsprechen, wenn wir dem Platz geben und suchen, dem Raum zu schaffen. Und das hat seinen sehr konkreten Bezug, nicht nur damals in Ephesus, sondern durch die ganze Geographie und Chronologie bis in die Biographie von uns allen. Elf Tage liegen seit dem 11.September hinter uns mit seinem Unbild des Unfriedens, dem von Hass und Mord und Zerstörung, von Angst, Sterben und Leid. Die Bilder sind mit uns gegangen, Anteilname und Mitempfinden vor einem Jahr. Sich daran erinnern in allem Schrecken in diesem Jahr. Neben vielem stand in den letzten zwölf Monaten dann immer wieder auch der oft wiederholte Satz, dieser Anschlag habe die Welt verändert. Dies denke ich, stimmt so nicht. Deutlich gemacht hat der 11.September, was in einer Welt, der Friede fehlt, möglich ist. Nicht die Dimensionen, die Terroranschläge annehmen können, machen ihr Wesen aus. Wir erschrecken vor Zahlen, je höher sie sind. Das, wovor wir wirklich erschrecken müssen, ist der Terror selbst, der andere bis hin zum Tod in den eigenen Machtbereich zwingen will, der dem eigenen Ziel alles, selbst das Leben selbst, unterordnet. Dem steht Friede und jeder Friedenswille entgegen. Wo es um Frieden geht, hat der Krieg keinen Raum, und er darf ihn zuallererst in den Gedanken nicht haben. Das öffentliche Reden auch in diesem Land hat sich lange schon und stetig verändert. Unter der Hand und über der Hand ist das Reden um Krieg, den geführten, wieder etabliert worden. Und so sehr es scheinbar einleuchtend ist, Kriegsentscheidungen abhängig zu machen von einer gemeinschaftlichen Übereinkunft aller oder zumindest der Mehrzahl der Nationen, so erschreckend ist es zugleich, wenn man einmal darauf zu achten begonnen hat, dass die Rede nicht mehr darum geht, ob Krieg überhaupt Mittel und Weg sein kann, sondern nur noch um die Bedingungen, bis hin zu einem "präventiv" geführten, unter denen er geführt werden kann. "...dass ihr wandelt, wie sichs gebührt der Berufung, mit der
ihr berufen seid", was so alt und abständig klingt hat seine
brennende Relevanz. "Zu den wichtigsten Konsequenzen aus dem 11.September" - so
hat es der Präses der westfälischen Kirche in diesen Tagen formuliert,
" gehört für mich, beharrlich für einen nüchterne
Realismus zu werben. Christen wissen um die Verführbarkeit der Menschen.
Sie können mit Schuld und Versagen umgehen, weil sie die Gnade und
Vergebung ihres Gottes kennen. Unser Glaube widersteht deshalb jeder Dämonisierung
des Bösen ebenso, wie er aller naiven Schönfärberei eine
Absage erteilt. Konkret heißt das zweierlei: Eine Aufteilung der
Welt in "Gut" und "Böse" darf unser politisches"
(und christliches) "Denken nicht bestimmen, so verführerisch
es sein mag, sich stets auf der Seite des Guten zu wähnen. In einer
globalisierten Welt gibt es keine Alternative zum Ziel, Konflikte durch
mehr Gerechtigkeit zu entschärfen. Und es heißt zweitens: Der
unbedingte notwendige Dialog der Kulturen und der Religionen vor Ort muss
genauso durch Redlichkeit wie durch Respekt bestimmt werden. Im Dialog
mit dem Islam etwa geht es um Verstehen, sicher auch um Verstehen dessen,
was uns trennt. Aber es gibt keine Alternative zum Ziel, durch Verstehen
den Frieden zu befördern." Bin ich zu weit von den Versen des Predigttextes weggekommen? "Ich bitte euch, - der ich Christus diene -, dass ihr euch etwas
von mir sagen lasst: Gott hat mit euch Besonderes vor. Er hat euch eine
hohe Würde zugedacht. Achtet nun darauf, dass zwischen eurer Bestimmung
und eurem tatsächlichen Leben kein Riß klafft. Tragt es geduldig,
dass ihr unter den Menschen keine große Rolle spielt. Verzichtet
auf eure Rechte und eure Macht. Habt einen langen Atem und tragt einander
mit der Liebe und der Geduld und der Kraft, die aus der Liebe kommen.
Achtet auf alles, was euch verbindet: Gottes Geist will, dass ihr eins
seid und dass der Friede euch zusammenhält. Amen. Sup. Dr. Detlef Reichert |
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