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Christi Himmelfahrt,
9. Mai 2002 |
EXEGESE zu Epheser 1, 20-23 (pdf-Datei) Liebe Gemeinde, der Predigttext zum Himmelfahrtsfest steht im Epheserbrief, fast am
Anfang. Zum Predigttext gehört noch so etwas wie eine Einleitung, ein Stück
davor im Briefanfang. Die Gemeinde in Ephesus wird angeredet, und etwas
verkürzt zusammengefasst heißt es da in etwa so: `Schön,
dass es Euch gibt. Ich weiss von Euch, ich bete für Euch voller Dankbarkeit,
und auch darum, dass Ihr immer mehr von unserer Hoffnung begreift und
was für eine Kraft und Macht Gott in uns wirken lässt, so wie
er es Christus gegenüber tat, den er von den Toten auferweckt hat.´
Das ist erst einmal ein gewaltige Bild, in dem die ganze Welt geordnet
ist, und wo alles seinen Platz hat. Gott hat Christus die Herrschaft über
alles gegeben, was sonst Macht ausübt, herrscht und Gewicht hat.
Die Kirche hat ihren Platz darin, und Christus, der über alles herrscht,
erfüllt sie ganz. Das liegt schon ganz nahe, unsere Gegenwart und den Predigttext eins
zu eins zu vergleichen und zu sagen, so passt das nicht. Ich lese die Verse gleich noch einmal vor und will mich dann auf zwei
Dinge beschränken: Was ist das Anliegen, was ist gewollt mit diesen
Worten an die Gemeinde in Ephesus, und: Was wäre, wenn, - was wäre,
wenn das alles so wäre? Es klingt fast wie ein Gebet, auch wenn es keines ist. Es wird nicht
zu Gott geredet, sondern von ihm. Aber wie in einem Gebet geht es um ein
ganz deutliches Anliegen. Hören läßt es sich. Genausoschnell schließt sich
meist die andere Frage an: Wenn Gott das so tut, wo tut er es dann jetzt
und wo für mich? Dies ist im Normalfall so, und umsomehr dann, wenn
wenn wir Dinge erleben und durch sie hindurchmüssen, die wir nicht
wollen und nicht verstehen können, gegen die sich alles in uns sperrt. Was wäre, wenn? Was wäre denn, - abgesehen und vielleicht auch
gegen alle Erfahrung, die wir haben oder von der wir glauben, dass so
und nicht anders unsere Wirklichkeit ist-, was wäre denn, wenn das
alles tatsächlich so wäre, wie der Epheserbrief es formuliert?
Wie er es sich denkt und glaubt? Wenn es so wäre, dass einer alle
Macht hat, und einer der Herr ist über alles und niemand sonst? Dann
gäbe es keine anderen Herren mehr, überhaupt keine außer
dem Einen. Und das hätte die Konsequenz, dass alle die Herren, die
ihre Ansprüche erheben, alle Mächte, die sich in den Vordergrund
spielen, dass sie alle gar nicht da sind. Ich unterläge keinem Zwang,
den jemand auf mich ausüben wollte, es bestünden keine Ansprüche,
die ich erfüllen müßte. Nichts würde mich in Konkurrenzsituationen
und Konflikte drängen. All das gäbe es nicht und wäre nicht
da, wenn das stimmte, dass einer, und nur er, der Herr ist, hier und später
und überhaupt. Wirklich gut. Das erleben wir alle, dass Gewalt, Herrscher und Herrschaft als Personen, in Strukturen oder einfach irgendwie auf uns eindringen und uns zuschaffen machen. Darüber brauchen wir nicht lange zu diskutieren. Wir haben zu viele Stichworte, die dafür stehen. Und welche neuen werden es morgen zusätzlich sein? In einem ist der Epheserbrief realistischer als alle Träume von der Abschaffung von Herrschaft bis hin zur Streichung des Wortes aus dem Wörterbuch. Leerstellen im Herrschaftsbereich gibt es nicht, Leerstellen werden immer besetzt, ganz schnell. Einer ist da immer in der Hinterhand; eine wartet immer darauf. Wer will kann das schon bei Matthäus (12,43ff) oder bei Lukas (11,24ff) nachlesen bei der Rückkehr der unreinen Geister. Da hat es es schon mehr Realität, als es auf den ersten Blick scheinen will, die Herrschaft einem, nur einem zuzuordnen. Das ist die erste Befreiung, - die von den vielen Herren und Mächten. Das löst alle Ansprüche nicht automatisch auf, und es verscheucht Versuche und Versucher auch nicht. Aber es ändert den Blick, und es ändert die Einstellung dem und denen gegenüber, die immer und ewig etwas von mir wollen mit ihren Ansprüchen. Wo einer mein Herr ist, da gibt es keine anderen Herren mehr, keine Mächte und Kräfte und Herrschaften, und was immer diesen Namen trägt. Das ändert die Sichtweise des eigenen Erlebens. Dann muss das nur noch wahr sein, dann wird es auch wahr. Das, was in der tagtäglichen Erfahrung nicht zuammenzugehen scheint,
kennt der Predigttext genauso. Christus ist der Herr über alles,
was ist. Er füllt allen Raum und alle Zeit aus. Aber erfüllt
von ihm ist Raum und Zeit in deren eigener Sicht und deren eigenem Bewußtsein
nicht. Angekommen, so scheint es, ist die Wirklichkeit von Christus dort
immer noch nicht. Nicht dort. Jetzt denken Sie bitte nicht, was für ein Unsinn. In der Kirche ist es doch nicht anders, als um uns herum, als um sie herum. Wieso dort, wo über die Welt, über die draußen im Alltag geredet wird, all die Konjunktive mit "würde" und "könnte", und hier, wo über die Kirche geredet wird, die Indikative mit "ist" und "kann"? Denken Sie nur etwa an die Selbstverständlichkeit, mit der wir im
Alltag ungebrochen und unhinterfragt von Visionen und ihrer Kraft reden.
Daran, in welchem Maß wir sie für wirklich und wirksam halten,
ohne uns im mindesten daran zu stören. Den Wechsel vom Konjunktiv zum Indikativ, vom "könnte" und "wäre" zum "ist", das nehme ich als die zweite Befreiung: Weil Christus der Herr ist, ist er es. Wie der Glaube die Wirklichkeit Gottes vorwegnimt für die Welt und so Kirche ist, so tritt der Indikativ an die Stelle des Konjunktivs, wo wir von Kirche reden, an sie denken, sie leben. Das Himmelfahrtsfest ist ein Stück Selbsterinnerung der Kirche an sich selbst, an ihre Verheißung und ihre Wirklichkeit. Das läßt die Ist-Sätze zu und läßt sie sagen. Himmelfahrt feiern ist die Ansage, dass wir das können, weil Christus der Herr ist, und keiner sonst. Und jetzt lassen Sie uns das Lied von Hiller im Gesangbuch singen, Nummer
123, "Jesu Christus herrscht als König". Vielleicht schaffen
wir es noch nicht, jede der Strophen mit der gleichen inneren Betonung
und Intensität zu singen. Aber vielleicht doch von Strophe zu Strophe
etwas mehr. Dr. Detlef Reichert |
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