Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Christi Himmelfahrt, 9. Mai 2002
Predigt über Epheser 1, 20b-23, verfaßt von Anne Töpfer

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Liebe Gemeinde,

wir sind nicht unterwegs zu einem Himmelfahrtskommando. Ganz gewiss nicht!
Denn ein Himmelfahrtskommando ist etwas anderes als der Spaziergang, den wir heute morgen hierher nach Deppoldshausen gemacht haben.
Aber das Wort Himmelfahrtskommando ist das einzige mir bekannte Wort, in dem das Ereignis, das wir heute feiern, aufgenommen wird.
Ein Himmelfahrtskommando ist ein Unternehmen, von dem es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Rückkehr gibt.
Von einem Himmelfahrtskommando spricht man in einem Krieg. Ein Befehl, ein Kommando wird gegeben. Menschen gehorchen. Sie können nicht hoffen, lebend zurückzukehren. Am Ende steht der Tod. Der Befehlshaber selbst bleibt zurück.
Aber nicht nur in den zurückliegenden Kriegen gab es solche Befehle.
Wenn es denn stimmt, dass islamische Fundamentalisten für den Anschlag auf das World Trade Center verantwortlich sind, dann war auch dies ein Himmelfahrtskommando. Befehle wurden befolgt. Das Ergebnis: Tod und Zerstörung und auch Angst und Verunsicherung, ein neuer Krieg in Afghanistan und der weltweite Einsatz von Soldaten. Wie viele Himmelfahrtskommandos werden noch folgen?
Eine Aktion, die Tote hinterlässt war auch der Anschlag in der vorletzten Woche in Erfurt. Wenn auch dort der Befehlsgeber und der Ausführende identisch war.
Warum nennt man so etwas ein Himmelfahrtskommando? Verbirgt sich dahinter eine verballhornte Hoffnung durch die Teilnahme einen Platz im Himmel sicher zu haben .... wo auch immer dieser Himmel zu finden ist?
Auf den Koppeln in den Weltkriegen stand zu lesen: Gott mit uns - und zwar nicht nur auf denen der Deutschen.

Die Botschaft der Himmelfahrt Jesu meint jedenfalls etwas anderes. Die Geschichte über seine Himmelfahrt findet erst nach seinem Tod und seiner Auferstehung statt. Der zu erwartende Tod ist nicht die Himmelfahrt.

Ein anderes Beispiel wird uns eher in die richtige Richtung bringen.
Auf der Synode unserer Partnerkirche der URCSA (Uniting Reformed Church in Southern Africa) in Südafrika im letzten Jahr, kurz nach dem Anschlag auf das WTC, nach diesem Himmelfahrtskommando, sagte es ein Vertreter der presbyterianischen Kirche folgendermaßen:
"Heaven is my home .... but I am not in a hurry to go there!"
D.h. Der Himmel ist mein Zuhause .... aber ich habe es nicht eilig dorthin zu kommen!
Damit kommen wir unserem heutigen Predigttext schon etwas näher.
Ich lese Epheser 1, 20b-23:

"Durch die Kraft seiner Stärke hat Gott Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt."

Wohlbemerkt hier ist nicht von dem sichtbaren Himmel die Rede; nicht von dem, was wir sehen können; nicht von der Atmosphäre, in der die Flugzeuge uns zu Urlaubszielen tragen oder Satelliten herumfliegen für friedliche und weniger friedliche Zwecke.
Da ist unser Weltbild heute ein anderes als zur Zeit der Verfasser dieser Zeilen.
Wir unterscheiden zwischen Himmel und Himmel. Dies wird jedoch erst durch den Zusammenhang des Gesagten deutlich. Im Englischen ist das einfacher. Zwei Worte stehen für zwei verschiedene Dinge.
Sky meint das Sichtbare, an dem wir die Wolken und die Flugzeuge sehen können.
Heaven meint das andere, das nicht Fassbare, den Raum der unserer Verfügungsgewalt entzogen ist.
Deshalb sagte der Vertreter der Presbyterianer auch:
Heaven is my home ...
Von diesem Himmel redet auch der heutige Predigttext.
In diesem Himmel ist Jesus zu Hause. Dort hat er seinen Platz zur Rechten Gottes.
So bekennen wir es in jeden Gottesdienst im Glaubensbekenntnis. Das ist kein Himmelfahrtskommando in unserem Sinne, dass ihn dahin gebracht hätte. Das ist die Entscheidung Gottes, seines und unseres Vaters, der ihn zu sich holt. Dort ist sein Platz. Dort ist sein Zuhause. Von dort aus ist er wirksam in dieser und in der zukünftigen Welt.
Wir sollten unsere diese Worte einmal auf der Zunge zergehen lassen ...... "eingesetzt zu Gottes Rechten über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat ....". Das klingt absurd auf dem Hintergrund unserer täglichen Erfahrungen. Das kann man nicht begreifen. Erst recht nicht mit den alltäglichen Gewalterfahrungen, unseren irdischen Himmelfahrtskommandos, von denen wir glücklicherweise häufiger hören, als dass wir sie erleben. Aber es gibt sie doch. Die Machtgelüste, die auf Menschenleben keine Rücksicht nehmen. Da soll es Einen geben, der über alle Reiche, Gewalt, Macht und Herrschaft gesetzt ist? Das entspricht nicht unserem Alltagserfahrungen, leider nicht. Und dennoch hat es Kraft. Da ist jemand, der will es anders. Der kann unsere Herzen anrühren, damit es anders wird. Lassen wir ihn doch! Orientieren wir uns doch an ihm, warum immer an den anderen, die sich als die Mächtigen hier auf Erden aufspielen. Wir kennen doch die Ergebnisse .... und wir haben es nicht eilig sie am eigenen Leib zu erfahren.

"Heaven is my home .... but I am not in a hurry to go there!"
Der Himmel ist mein Zuhause ... aber ich habe es nicht eilig dorthin zu kommen!
Auch wenn ein Platz bei Gott für jeden von uns reserviert ist, ist uns doch zuerst einmal das Leben hier auf der Erde geschenkt mit ihm an unserer Seite. Richten wir und doch in unserem Leben nach diesem Himmel aus. Was danach kommt, hat hoffentlich noch Zeit. Da ist keine Eile angesagt.
Jesus hat in diesem Himmel seinen Platz schon eingenommen. Er ist der andere Herrscher, der niemanden auf ein Himmelfahrtskommando schickt.
Sein Platz zur Rechten Gottes, so lesen wir es im Lobpreis unseres Predigttextes, ist zugleich unsere Orientierung als christliche Gemeinde. Hier wird die Gemeinde anders beschrieben als Paulus das im 1. Korintherbrief tut. Christus ist das Haupt der Gemeinde. Von ihm her haben wir Orientierung. Wir, als seine Gemeinde, leben hier auf der Erde, aber wir wissen um unser Haupt und auch um unser Zuhause. So sind wir seine Gemeinde.
Das behaupten zu können, wie es im Epheserbrief geschieht, basiert auf Erfahrung. Eine Erfahrung, die der Verfasser dieser Zeile gemacht hat, an die er die Adressaten erinnert, denn sie kennen sie.
Es ist eine Erfahrung, die nicht mit Händen zu greifen ist. Sie ist Teil des Herzens. Dafür kann ich niemandem eine Bedienungsanleitung liefern. Aber ich kann ermutigen, sich diesem Christus zu öffnen. Von ihm können wir lernen, wie gut Gott es mit uns meint. Von ihm können wir lernen, dass wir, egal was auch geschieht, wir uns von Gott gehalten wissen. So wird das Schwere in unserem Leben zwar nicht ungeschehen gemacht, aber es hilft zu wissen, dass es jemand mit uns trägt. Von diesem Himmel kommen Wegweisungen und keine Himmelfahrtskommandos. Diese Wegweisungen sind Gegenentwürfe für unsere Reiche, Gewalten, Mächte und Herrschaften. Schaffen wir doch Raum in unserem Herzen und in unserer Mitte für diesen Himmel auf Erden.
Wenn diese Botschaft in unseren Herzen ankommt, dann können wir einstimmen in den Lobpreis:
"Durch die Kraft seiner Stärke hat Gott Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt."
AMEN

Pastorin Anne Töpfer
E-mail: annetoepfer@t-online.de


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