Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Ostersonntag, 31. März 2002
Predigt zum Motorradgottesdienst in Husum, von Erich Faehling
(Zurück zur Übersicht)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus. Amen.

Ich möchte Euch mit einer harten Erfahrung Eures Lebens konfrontieren:
Erinnert Ihr Euch noch an das letzte Mal, als Ihr morgens in den Spiegel geguckt habt und dabei gedacht habt: ich kenn dich nicht, aber ich wasch dich trotzdem?

Ich fang heute so an, nicht, um Euch eine Moralpredigt zu halten, natürlich nicht, sondern um Euch von einer anderen wichtigen Erfahrung mit Eurem Spiegelbild zu erzählen:
Dass nämlich, und das meine ich ganz ernst, wenn Ihr in den Spiegel schaut, Euch immer wieder auch mal ein Engel anschaut.
Ich meine damit nicht irgendwelche netten Wesen neben oder hinter Euch, nein, ich meine Euch selbst.
Ich bin tatsächlich der Überzeugung, dass Ihr, dass wir, dass jeder von uns das zeug zu einem Engel hat. Und zwar nicht nur den, von dem meine Mutter immer sagte, er hat dann ziemlich bald das berühmte B davor, nein, von echten Engeln.
Und ich meine das auch nicht in erster Linie als Lob, so als könnte ich mich bei Euch beliebt machen, wenn ich Euch alle als Engel bezeichne, sondern ich meine es als Aufgabe:
In meinen Augen habt Ihr alle den Job, die Verantwortung, Engel zu sein, und zwar an anderen Menschen.
Anders gesagt: Gott braucht Euch.
Ja, tatsächlich, jede und jeden von Euch, so, wie Ihr seid, da, wo Ihr seid. Gott braucht, dass Ihr Euch schicken lasst von ihm, dass Ihr helft, liebt, Verantwortung übernehmt, dass Ihr Respekt habt, tragen helft, in Frieden lasst oder zum Frieden bringt.
Gott braucht Euch auf der Straße, in Häusern, am Arbeitsplatz, in der Welt, in dieser konkreten, nach Engeln schreienden Welt.
Diese Welt schreit nach Engeln. Wenn Ihr die Augen und vor allem Ohren aufmacht, hört Ihr das auch.
Und Gott will nicht, dass Ihr das überseht und überhört. Er will nicht, dass Ihr handelt wie viele Menschen, die sich über das Schreien der anderen den Mund zerreissen, oder abfällig reden, oder weggucken und weghören. Gott will nicht, dass Ihr mit den Schlagzeilen der berühmten Zeitung, die keiner kauft, aber alle lesen, Euch erhebt über andere. Er will nicht, dass Ihr mit dem Finger zeigt oder vorbeifahrt. Er will vor allem nicht, dass einer von Euch sagt "Selbst Schuld" oder gar den ersten Stein hebt, um ihn dann auf andere zu werfen.
Gott geht es nicht um Schuld, nicht um Verurteilung, nicht um die Unterscheidung zwischen den Guten und den Bösen, als wenn es die wirklich gäbe. Gott geht es um Rettung, um Liebe, um Vergebung und um ein Leben, dass bin in die Ewigkeit nicht aufhört.
Dafür braucht er Euch als Engel.
In der Bibel steht: Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.

Das gilt Euch und es gilt zugleich für Euch.
Jesus, der dessen Auferstehung wir heute feiern, hat uns das alles vorgemacht. Er war Mensch und zugleich Gottes Sohn. Er hat gefühlt und gelebt wie wir und zugleich war er Engel und hat das leben zu den Menschen getragen. Er hat nicht aufgegeben, auch wenn manches in seinem Leben danach aussah, dass es besser wäre aufzugeben.
Er will durch sein Beispiel uns, Euch Mut machen, selber Engel zu sein.

Ich will Euch noch ein letztes Mal heute auffordern, in den Spiegel zu schauen. keine Angst, nicht wieder mit so bedrückenden Erfahrung wie an manchem Morgen im Bad. Sondern froh und mutig sollt Ihr alle mal in die Rückspiegel Eurer Maschinen schauen. Schaut rein, auch wenn das jetzt ein komisches Gefühl ist. Schaut rein, so, dass Ihr Euch selbst seht. Und dann schaut auf die Engel Gottes, als die Gott Euch will und braucht.
Und wenn Ihr dann auch noch andere Menschen in Euren Spiegeln entdeckt, dann könnt Ihr spüren, dass Ihr nicht alleine seid. Viele sind mit Euch auf dem Weg, nicht nur beim Gottesdienst in Husum, sondern auch draußen auf den Straßen, im Alltag Eures Lebens, wo Ihr auch seid. Und über all gilt Gottes Wort:
Werdet zu Engeln aneinander. Gott braucht Euch.

Amen.

Erich Faehling
E-Mail: KircheBokhorst@t-online.de

 


(zurück zum Seitenanfang)