Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Lätare, 10. März 2002
Jesaja 54, 7-10, Silja Forsberg, Finnland

Haben Sie schon mal ein Klassentreffen mitgemacht? Wenn man nach Jahren oder Jahrzehnten die trifft, mit denen man jemals viele Stunden täglich zusammen verbrachte, verspürt man vielerlei Gefühle. Wenn man dann über die eingetretenen Ereignisse zu erzählen beginnt, stösst man auf unglaubliche Geschichten. Wie verschieden hat das Leben die Freunde und Freundinnen desselben Klassenraums mitgebracht! Die Eine hat viel Glück und Erfolg in ihrem Leben gehabt, der Andere hat dagegen mit schweren und erschütternden Sachen ringen müssen. Obgleich die privaten Lebensgeschichten sehr verschieden sind, sind die Zeit und deren Wechsel gemeinsam. Damals war das und das Jahrzehnt, die Brauchtümer und der Geist der Zeit von solcher Art. Jetzt durchlebt man Eurozeit, vieles ist in der Welt besser geworden, aber auch manche Sachen sind schlimmer als damals. Diejenigen, die die Kriegszeit durchgelebt haben, nehmen die gemeinsamen Schrecken und Sorgen wieder auf.

Wie kann der Mensch schwere Zeiten überleben? Wie kann man die dunklen Stunden des eigenen Lebens aushalten?

Man lehrt uns ja heutzutage, wie man sein Leben in Besitz nimmt. Es gibt verschiedene Kurse, in denen man die geistigen Kraftreserven anzuwenden lernt. Aber keine Lebenskünste helfen der innersten Furcht und Angst. Die tiefste Unsicherheit wächst aus der Furcht, dass Gott selbst uns seinen Rücken gewendet und uns verlassen hat. Die schweren Sachen, Krankheiten und Unannehmlichkeiten versteht man oft als Gottes Strafe.

Es kann sein, dass unser Gewissen uns im Blick auf eine bestimmte Sache für schuldig erklärt, die jetzt plagt und Unsicherheit verursacht.

Im Alten Testament spricht man oft darüber, wie das israelitische Volk schwere Zeiten durchlebte und sie als Gottes Züchtigung für ein bestimmtes Vergehen verstand. Der Verkündigung der Profeten gemäss kam die Babylonische Gefangenschaft des ganzen Volkes daher, dass das Volk sich von Gott entfernt hatte. Die gottwidrige Lebensweise hatte sich unter den Menschen weit verbreitet.

Als das Volk sein eigenes Land verlassen sollte, als die heilige Stadt verloren war, verstand man es so, dass der Herr sein eigenes Volk strafte. Wenn dann das Volk hörte, dass die Gefangenschaft enden würde, erlebten alle eine mächtige Wende in ihrem Leben. Es galt nicht nur die äussere Veränderung der Verhältnisse, sondern auch die geistige und geistliche Verheissung.

Die prophetische Verkündigung über die göttliche Heiswirksamkeit wollte das Volk ermutigen, das schuldbewusst war und sich gegen Gott versündigt verstand.

Wenn der Mensch die Gnade Gottes erleben darf, wenn die Schuld weggenommen wird, dann trauert man nicht mehr über die Vergangenheit. Dann fühlt man die bedrückte Zeit als kurz gegenüber der ewigen Barmherzigkeit Gottes. Gott hat die Macht, das menschliche Leben umzuwandeln. Wir können uns auf Gottes Kraft verlassen und für die Vergebung und für den Wandel der schweren Sachen beten. Die Besitznahme des Lebens ist im Grunde genommen nicht in unseren, sondern in den Händen Gottes. Unsere Tadellosigkeit oder unser Verbrechen ändern nicht Gottes Gedanken. Gottes Wesen und sein Handeln sind nicht von uns her bestimmt.

Gott verspricht durch den Propheten, dass die Zeit der Bedrängnis nur eine Weile dauert. Nur eine kurze Zeit kann es so aussehen, als ob Gott sein Angesicht abgewendet hätte, als ob er er nicht im Leben anwesend ist.

Die ganze Botschaft der Heiligen Schrift erzählt uns kraftvoll, dass die Treue Gottes ewig ist. Vielleicht ängstigen wir uns über die dunklen Stunden unseres Lebens wie ein kleines Kind, das das Angesicht seines Pflegers eine Weile lang verliert. Gott kennt ja uns. Er überwacht uns die ganze Zeit. Der Schatten der Hand Gottes hat die Sonne seiner Güte im Moment der Angst und des Unglücks verfinstert. Gott hat ja einen neuen Bund geschlossen. Schon nach der Sintflut erzählte der Regenbogen von der Obhut, die Gott versprach. Danach vergab Gott immer aufs neue und erneuerte sein Gelübde mit seinem Volk. Als Garantie der Liebe Gottes steht für uns das Opfer Jesu. Die Vergebung der Sünden und das festeste Siegel der Liebe Gottes kamen ans Licht im Ostern des Kreuzes.

Nach den Tagen Noahs hat die Sinflut nicht in gleicher Weise das Land verheert, aber der Kampf zwischen Gott und dem Bösen hat sich fortgesetzt. Erst die vollständige Versöhnung des Heilands brach das Übergewicht der lebenszerstörenden Mächte.

Die Gnade Gottes ist stärker als das Grundgestein. Gott hat in Christus Frieden geschlossen, der die ganze Lebensfülle umfasst. Wer auf das Sühnewerk und auf die Liebe des Heilands traut, kann innerliche Gewissensberuhigung und Verbindung mit Gott fühlen. Gott selbst holt uns, wo wir sind. Er wendet sein Angesicht in Christus zu uns. Er erbarmt sich unser.

Wir sind nicht abhängig von den Wünschen oder von den Bedrohungen, sondern wir leben inmitten der Verheissungen Gottes. Das Wort Gottes trägt uns sowohl in den Tagen der Freude als der Betrübnis, des Erfolgs und des Unglücks, innerlicher Friede und der Bedrängnis. Die Gnadenversicherung gibt die Hoffnung, die sich bewährt:"Meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer."

Hauptpastorin (i.R.), Probst Silja Forsberg, Finnland
E-Mail: juhani.forsberg@evl.fi


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