Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Oculi, 3. März 2002
Predigt über 1. Könige 19, 1-13, verfaßt von Wolfdietrich Rasp

Liebe Geschwister in Christus,

Elija rennt, er nimmt seine Beine in die Hand, geht im Eiltempo, flieht aus Angst um sein Leben.

Hinter Elija liegt ein scheinbar überwältigender Sieg, die wichtigsten Priester des Baal sind umgekommen, dort am Berg Karmel. Er hat mit ihnen gewetteifert, wessen Gott mächtiger sei, ob der Gott seiner Vorväter, der Gott Abrahams, Issaks und Jakobs oder ihr Gott, Baal, der Gott des Lebens und der Fruchtbarkeit. Hinter ihnen, den Priestern des Baal steht Isebel, die Königin, die aus Phönizien stammt, der Gegend, in der heute der Libanon liegt. Sie hatte Ahab geheiratet, den König des Staates Israel, der nördlichen Teils des einst großen Reiches von David und Salomo, heute Galiläa. Sie hat auch ihren Glauben mit gebracht. Isebel fördert, protegiert die Verehrung des Baal, sie unterstützt die Religion, deren Gott auf einem Stier thront, deren Gott die Menschen sehen können, anfassen, berühren, mit Augen und Händen ergreifen können. Schwer hat es Elija, haben es die Freunde des Elija. Ihren Gott können die Menschen nur glauben, nicht spüren, nicht berühren oder anfassen und schon gar nicht sehen. Und dann geschieht das für Isebel und die Menschen im Glauben an Baal Unfassbare: die Oberschicht der Priester kommt um. Als Isebel, die unsere Bibel als eifernde und machtbewußte Königin schildert, als Isebel dies erfährt, will sie Elija ans Leder. Sie will seinen Kopf, sein Leben.

Und Elija rennt, rennt um sein Leben, flieht aus Samaria, läuft durch Juda hindurch, an Jerusalem vorbei, bis hinunter an das südlichste Ende Judas, bis nach Beerscheba. Erst dort wähnt er sich einigermaßen sicher, hat hier doch sein Gott, der Gott Israels einen ganz alten Altar.

Doch ist dieser Ort nicht das Ziel Elijas, er will, muss weiter. Allein geht er einen Tag lang mitten in die Wüste, so lange, bis er an einen Ginsterbusch kommt. Elija ist gelaufen, gerannt und jetzt ist er allein - er wähnt sich am Ziel. Er setzt sich in den Schatten des Busches, will überhaupt nicht mehr weiter. Er hat keine Kraft mehr, alle seine Reserven sich aufgebraucht, die physischen und die psychischen Tanks sind leer, er ist ausgebrannt, kaputt, fertig mit sich, mit Gott und mit der Welt. Elija ist lebensmüde. Gott lass mich hier und heute sterben, ich bin nicht besser als meine Väter, so bittet Elija Gott, so bitter ist das Fazit seines Lebens. Ich bin nicht besser als meine Väter, sagt er. Sein Traum, es besser zu machen als sein Vater, als seine väterlichen Vorbilder ist verflogen, ist unterwegs verloren gegangen.

Elija, liebe Mitchristinnen und Mitchristen, ein Parademann, ein Vorbild für Männer heute? Große Dinge bewegen, Heldentaten tun, darüber die Perspektive verlieren dann fertig sein, ohne Kraft und Mut, Elija - ein moderner Mann - hier in der Wüste am Ende angekommen?

Nicht mehr kann Elija träumen, nicht mehr hat er Visionen, nicht mehr Kraft - Elija ist ausgepowert. Nach seinen Maßstäben, nach den Maßstäben unserer Welt bleibt nur der Weg in den Tod. Er legt sich hin, schläft. Nicht mehr will er aufwachen im Hier und Heute, sondern erst dort im Jenseits.

Aber es kommt anders. Ein Bote Gottes, ein Engel nimmt Kontakt mit dem Schlafenden auf, erreicht ihn an dem Sinnesorgan, das uns auch im Schlaf zum Tod erhalten bleibt - Elija wird berührt. Dann: keine Diskussionen, keine Debatten, sondern schlicht und einfach Lebensmittel findet der Prophet und die Weisung zu essen. Der lebenssatte Elija erhält Lebensmittel - und hungrig isst er. Satt schläft er wieder, aber nicht mehr den Schlaf zum Tod. Und dann kommt Gott im Engel ein zweites Mal zu dem Schlafenden. Wieder soll er essen und trinken, satt werden um sich auf den Weg zu machen.

Nicht soll er hier bleiben an diesem Ort, an dem der Tod auf ihn wartet. Er soll von hier weg gehen, soll sich nach der Nähe des Todes wieder dem Leben, soll sich wieder Gott zuwenden. Elija wird wieder unterwegs sein, wird wieder rennen - doch diesmal wird er nicht fliehen und davon laufen. Gestärkt durch Brot und Wasser, gestärkt durch Lebensmittel geht Elija eine lange Zeit, unser Text spricht von vierzig Tagen. Elija geht vierzig Tage, die Zeit, die damals und heute jüdische Frauen nach einer Geburt brauchen, um wieder Gottesdienst mitfeiern zu dürfen, um kultisch rein zu werden. Elija lässt den Tod hinter sich, er wird wieder rein um zu Gott zu gelangen. Und er geht, weit geht er in die Wüste hinein, sein Ziel ist der Berg Sinai, der Horeb, der Berg, an dem Mose die Weisungen Gottes empfangen hat.

Elija hat wieder ein Ziel, nicht rennt er mehr einfach weg, sondern er geht nach dem tiefen Tal der Depression, der Sehnsucht nach dem Tod und der Nähe des Todes zu dem Ort, an dem ihm Gott begegnen wird. Im Traum erscheint ihm Gott, kommt er mit Gott ins Gespräch. Er lässt seine Leidensgeschichte noch einmal Revue passieren. Seine Niederlage lebt noch einmal auf, wieder schmerzen die Verletzungen, in dem Elija sie Gott erzählt, wieder ist es ganz klar vor seinem inneren Auge da, was ihn aus Israel und Samaria, was ihn vor Isebel davon laufen lies. Aber Elija ist aus dem tiefen Tal der Depression herausgetreten, obwohl er sich in einer Höhle, im Bauch der Erde birgt. Gott antwortet der Schilderung Elijas, er wird sich ihm zeigen. Elija spürt einen Sturm, wie er ihn erlebt hat von Isebel her kommend, Elija spürt ein Erdbeben, große Erschütterungen, wie er sie ausgelöst hat, Elija spürt ein Feuersturm, wie er ihn auf dem Berg Karmel erlebt hat - aber in all dem ist Gott nicht zu finden.

Natürlich, liebe Mitchristinnen und Mitchristen, könnten wir jetzt spekulieren, ob Elija Gott in diesen mächtigen Erscheinungen überhaupt hätte aushalten und ertragen können, ob der sein inneres Gleichgewicht findende Mann Gott überhaupt ausgehalten hätte im Sturm, im Erdbeben, im Feuer.

Aber Gott zeigt sich anders, unerwartet, im sanft säuselnden Windhauch. Gott zeigt sich so, wie Elija ihn annehmen, aushalten kann, ohne weg zu laufen oder zu rennen. Gott zeigt sich sanft und mild, liebevoll umweht ein zarter Hauch Elija - und wenn wir wollen, auch uns. Halleluja, gelobt sei unser Gott.

(Literatur: Predigtstudien VI/1 zur Stelle)

Gebet:

Gott in der Wüste,
Du bist ein Gott, der immer da ist, ob wir uns in der Wüste aufhalten, ob wir im tiefen Tal der Depression gefangen sind, ob wir am Rand des Todes stehen - immer bist Du da, nie willst Du uns alleine lassen.
Doch oft genug kann ich das gar nicht richtig annehmen, kann ich Deine Nähe gar nicht gut spüren und empfinden, geschweige denn - glauben. Ich fliehe, ich gehe weg, stürze mich in Beschäftigung, in Beziehungen, in Hektik - und das alles nur, um Dich, Gott, nicht wahr zu nehmen,
so bitten wir Dich: Kyrie eleison

Gott am Ginsterbusch,
Du bist da, auch wenn wir an den äußersten Rand fliehen, wenn wir gar nichts mehr vom Leben wissen wollen. Dann machst Du uns einfach Mut mit Lebensmitteln, nicht mit langen Debatten und klugen Reden, dann stärkst Du uns und machst uns satt und hilfst von Neuem auf die Beine, so wie Du dem Elija geholfen hast. Danke.
Mache uns immer wieder Mut, schenke uns Kraft und Zuversicht, und dann stelle uns Menschen an die Seite, die uns begleiten, stützen und stärken,
so bitten wir Dich: Kyrie eleison

Gott, im zarten Windhauch,
dort, wo Dich Niemand vermutet hätte, im zarten Windhauch, da bist Du zu finden, guter Gott. Du ummantelst uns mit Deiner zarten Liebe, mit einer Geste, die Trauernden gut tut, mit einem Lächeln eines Menschen nach einer schlechten Note in der Schule, nach einem Streit zu Hause, nach einer Diskussion im Geschäft. Sei immer wieder neu um uns herum.
Und Gott, umwehe auch die Menschen unter uns, die krank sind, umwehe die Menschen, die mitleiden und sich sorgen um die nahen und die fernen Nächsten,
so bitten wir Dich: Kyrie eleison

Gott, Hörerin unserer Bitten,

stille

so bitten wir Dich: Kyrie eleison

Wolfdietrich Rasp
Waldmohrer Strasse 13
66916 Breitenbach
E-Mail: ProtPfarramtBreitenbach@t-online.de


(zurück zum Seitenanfang)