Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Epiphanias, 6. Januar 2002
Predigt über 2. Korintherbrief 4, 3-7, verfaßt von Elisabeth Tobaben

Liebe Gemeinde!

"Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland", sagen die Weisen "und sind gekommen, ihn anzubeten",
Noch sind sie auf der Suche, sind noch nicht am Ziel ihrer Träume.
"Wo ist der neugeborene König der Juden?" fragen sie in Jerusalem.
Doch im Grunde hat das "Licht der Erkenntnis" sie schon längst erleuchtet, sie ahnen, dass es etwas ganz besonderes auf sich haben muss mit diesem Kind!.
Das Licht, der Stern wird sie weiter leiten, wird vor ihnen hergehen.
Sie werden es finden, das Kind in der Krippe, sie werden ihm glauben, es anbeten und ihm ihre Geschenke bringen.
Und sie werden auch ihren Träumen glauben, eine göttliche Weisung darin erkennen und König Herodes ihre Erfahrung und ihren neugewonnenen Glauben verschweigen.
Auf einem andern Weg werden sie wieder in ihr Land ziehen. Und so werden sie zur Rettung des Neugeborenen beitragen.
Die Eltern können fliehen mit dem weinige Tage alten Kind

Das Licht der Erkenntnis hat die Weisen bewegt, und es hat auch diesem Festtag heute seinen Namen gegeben: Epiphanias, Erscheinungsfest - Menschen erkennen in einem Kind, das aussieht wie alle anderen Neugeborenen den Heiland und Retter der Welt!
Abgeschriebene Hirten, ausländische Sterndeuter, der uralte Simeon im Tempel...
Wie kann das sein?
Und woran liegt es, dass anderen diese Erkenntnis verschlossen bleibt, dass es ihnen nicht - u. U. auch bei aller Anstrengung und allem Einsatz der intellektuellen Kräfte nicht- gelingen will, mit Christus etwas anfangen zu können, damals wie heute?
Das beschäftigt auch den Apostel Paulus, ausführlich setzt er sich mit dem Thema auseinander in einem seiner Schreiben an die Gemeinde in Korinth.
Ein kurzer, komplizierter Abschnitt daraus ist uns heute morgen zum Nachdenken vorgeschlagen:

"Wenn unser Evangelium dennoch verhüllt ist, ist es nur denen verhüllt, die verloren gehen: denn der Gott dieser Weltzeit hat das Denken der Ungläubigen verblendet. So strahlt ihnen der Glanz der Heilsbotschaft nicht auf, der Botschaft von der Herrlichkeit Christi, der Gottes Ebenbild ist. Wir verkündigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knechte um Jesu willen. Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten! Er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi."
1. Korinther 4, 3-7

Kann man Glauben lernen, liebe Gemeinde?
Kann man, können wir den Glauben im anderen Menschen (oder bei uns selbst) bewirken, ihn sozusagen entwickeln, anerziehen oder beibringen?
Elternabend.
Die Gemüter hatten sich erhitzt, die Debatte ebenso.
Mit Recht, wie ich fand, denn es ging um die wichtige Frage: Sollen wir in unserer Gemeinde den Vorkonfirmandenunterricht im 4. Schuljahr einführen?
Es ging hoch her, vor allem an dem Punkt, wo es darum ging, Eltern für die Mitarbeit zu motivieren und zu finden.
"Können die das denn überhaupt?" wurde sofort gefragt, "unsere Kinder so unterrichten, dass ‚etwas dabei herauskommt', d.h. dass sie lernen, an Gott zu glauben und sich auf Christus zu verlassen?" Brauchen wir dazu nicht Experten? Fachleute wie Diakon oder Pastor/in? Leute mit der entsprechenden theologischen und pädagogischen Ausbildung? Vielleicht sogar mit einer priesterlichen Qualität?"
"Aber eine Garantie ist das auch nicht," sagte da mit einemmal sehr nachdenklich geworden ein Vater. "Wisst ihr, wir hatten wirklich einen ganz tollen Pastor zu Hause, und auch unsere Eltern..., es war eigentlich ganz selbstverständlich, dass wir uns alle in der Kirche engagiert haben, Posaunenchor, Jugendgruppe, Freizeiten -ach, war das eine schöne Zeit! Und trotzdem sind alle meine vier Geschwister heute nicht mehr in der Kirche... Und ich?" Er zuckte mit den Schultern. "Ich weiß oft auch gar nicht so genau..."

Kann man Glauben produzieren?
Oder anders gefragt: Woran liegt es denn, dass manche Menschen das Licht des göttlichen Glanzes, das in uns aufgeleuchtet ist, nicht erkennen können oder wollen?
Paulus hat eine sehr handfeste Erklärung dafür parat: Das macht der "Gott dieser Weltzeit", sagt er, und an anderer Stelle nennt er ihn "Satan oder Teufel."
Nun sind wir sicher gut beraten, uns darunter natürlich kein huffüßiges, gehörntes Wesen von einer Schwefelwolke eingehüllt vorzustellen.
Dennoch geht es mir auch so ein bisschen zu schnell, die Gründe für das Nichtglaubenkönnen eines Menschen sofort außerhalb, in einer fremden, bedrohlichen Macht zu suchen;
In einer von bösen Kräften bewirkten Verblendung, für die ich ja selber demzufolge konsequenterweise eigentlich gar nichts kann!
Ich denke an Menschen, die voller Sehnsucht nach dem Glauben sind und voller Unsicherheit suchen und fragen.
Werden sie doch durch so eine Theorie in nur noch tiefere Verzweiflung gestürzt!
"Ich habe doch gelernt, dass der Glaube ein Geschenk sein soll", höre ich in solchen Gesprächen oft. "Wenn ich aber nun mal keinen Zugang dazu habe, dann muss ich doch davon ausgehen, dass ich von diesem Geschenk eben nichts abgekriegt habe. Was soll ich denn tun?" Und Resignation breitet sich aus.
Und? Wie ist es nun also:
Kann ich überhaupt etwas tun, um zum Glauben zu finden?
Für mich selbst, oder auch um anderen dazu zu verhelfen?
Das Stichwort "Geschenk" lässt mich noch einmal an Weihnachten denken.
Wie viele haben nicht vor dem Fest Wunschzettel geschrieben.
Warum also nicht auch eine Art "Wunschzettel" an Gott richten?
Die Bitte: "Schenke mir, Gott, diese Erleuchtung, die Erfahrung deiner Nähe, den Glauben an dich!"
Das ist das eine.
Bei manchen Menschen habe ich eigentlich vielmehr das Gefühl, dass sie einfach schlicht vergessen haben, ihr Geschenk auszuwickeln, das längst vor ihnen liegt!
Das Evangelium ist verhüllt, sagt Paulus, für die, die verloren gehen. Eingepackt wie ein Weihnachtsgeschenk, dem man auch von außen nicht ansieht, was drin ist, ist mir dazu eingefallen.
Eingepackt vielleicht in das Papier falscher oder übersteigerter Erwartungen und Vorstellungen?
So als dürfe es gar keine Fragen und Unsicherheiten mehr geben, Zweifel oder Verzweiflungen...
So als müsse die eigene Glaubensüberzeugung eines Tages plötzlich perfekt und fertig dastehen, unwandelbar und unumstößlich.

Paulus spielt mit dem Verhüllungs-Symbol auf eine Geschichte aus dem Alten Testament an, erzählt von Mose, der im Sinaigebirge mit den Geboten Gottes vom Berg kommt, mit einem strahlenden Leuchten auf dem Gesicht, das von der Begegnung mit Gott herrührt.
Die Menschen sind völlig geblendet davon. So dass Mose sein Gesicht in eine Decke hüllt, um sie nicht unnötig zu erschrecken.
So verletzt und blendet das Licht nicht mehr, aber zur Erkenntnis, zur Erleuchtung kommt man so natürlich nicht.
Aber wie dann?

Vielleicht eher so wie bei den Weisen aus dem Morgenland, die von ihrer Hoffnung auf den Weg gebracht wurden, von der Sehnsucht nach Heil und Frieden.
An ihnen wird mir deutlich, dass die Entstehung von Glauben auch immer etwas Paradoxes hat: da ist die Anstrengung und Mühe, die die weite Reise ihnen abverlangt, die Suche und das Fragen.
Und da ist trotz allem das Geschenk der Begegnung mit dem Kind und die Bereitschaft, dieses Geschenk anzunehmen.
Und auch Weihnachten und Epiphanias -spiegeln etwas wider von diesen beiden Seiten:
Der Grund ist mit Weihnachten gelegt.
Gott wird Mensch, das Licht leuchtet auf in der Dunkelheit, kommt auch in unsere Herzen. (V.6);
Nun kommt es -Epiphanis- darauf an, Erfahrungen zu machen mit diesem menschlichen Gott und das Licht, das längst da ist, auch wahrzunehmen, wo es mir scheint;
Unterwegs zu bleiben (wie die Weisen) immer wieder neu zu fragen: Wo ist jetzt der neugeborene König..., wo ist jetzt Gottes Gegenwart erkennbar in meiner Welt?
So kann die "Sternstunde der Menschheit" zu meiner werden.
Amen.

Elisabeth Tobaben, Moringen
E-Mail Kirchengemeinde Moringen:kirchengemeinde@gmx.net


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