Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Epiphanias, 6. Januar 2002
Predigt über 2. Korintherbrief 4, 3-6, verfaßt von Esko Ryökäs, Finnland

Der Text: 2 Kor 4: 3-6.
3 Wenn aber unser Evangelium doch verdeckt ist, so ist es [nur] bei denen verdeckt, die verlorengehen, 4 den Ungläubigen, bei denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, damit sie den Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus, der Gottes Bild ist, nicht sehen. 5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus als Herrn, uns aber als eure Sklaven um Jesu willen. 6 Denn Gott, der gesagt hat: Aus Finsternis soll Licht leuchten! er [ist es], der in unseren Herzen aufgeleuchtet ist zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi.

1. Das Märchen von dem hässlichen Entchen ist überall bekannt. Die Mutterente hat viele Entchen geboren. Als letztes kam ein ganz anderes Kind heraus. Seine Feder waren nicht so glänzend wie bei den anderen, seine Farbe war schmutziger, sein Körper sah tollpatschig aus, und es lernte auch nicht ordentlich gehen. Es war hässlich und hatte deshalb keine Freunde, war von allen ausgestoßen. Aber als der Frühling kam und es sich im Wasserspiegel ansah, bemerkte es, dass es sich verändert hatte. Auch die Kinder sagten: "Sieh mal an, ein neuer, herrlicher, weißer Schwan ist da. Ach wie prächtig ist er." Während des Winters hatten seine Federn gewechselt und seine wirkliche Natur trat in Erscheinung. Nun konnten alle sehen, wie schön das letzte Entchen eigentlich die ganze Zeit gewesen war.

Das Märchen von dem hässlichen Entchen erzählt uns vom Leben. Es ist schwer, etwas anderes zu sehen als das, was man sehen will. Es ist leicht, alles nach seiner eigenen Erfahrung zu klassifizieren. Aufgrund der früheren Erkenntnisse glaubt man zu wissen, wie die Sachen in einer neuen Situation aussehen. Aber diese Handlungsweise schließt viele Möglichkeiten aus. So engt man sich leicht in seiner eigenen Vergangenheit ein: es gibt keine andere Zukunft als die, die ich schon kenne. Das hässliche Entchen war hässlich, weil niemand in ihm das sah, was es wirklich war. Als die Augen aufgingen, veränderte sich die Wirklichkeit. Es war schon anders gewesen, aber der Beobachter hatte es nicht sehen können.

2. Der erste Missionar, Paulus, berichtet über sein eigenes Wesen: Gottes Worte sind in Tongefässen, so dass wir sehen können, woher die Macht seiner Botschaft kommt. Paulus verkündigte nach eigener Auffassung die Botschaft nicht sich selbst. Gott erleuchtete die Welt durch ihn. Er sah ein, dass einige in ihm nicht den Verkündiger der guten Botschaft Gottes sahen. Aber er bewies, dass der Fehler nicht bei ihm, sondern bei den Beobachtern lag: Sie konnten nicht den Inhalt der Verkündigung von Paulus sehen. Paulus verkündigte Gottes Größe im Kleinen und Geringfügigen. Und dies konnten nicht alle sehen. Er schrieb:

" Wenn aber unser Evangelium doch verdeckt ist, so ist es [nur] bei denen verdeckt, die verlorengehen, den Ungläubigen, bei denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, damit sie den Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus, der Gottes Bild ist, nicht sehen. Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus als Herrn, uns aber als eure Sklaven um Jesu willen. Denn Gott, der gesagt hat: Aus Finsternis soll Licht leuchten! er [ist es], der in unseren Herzen aufgeleuchtet ist zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi."

Die Augen der Gegner von Paulus waren verschlossen, sie konnten die Helligkeit, die schon gekommen war, nicht sehen. Die gute Botschaft erreichte sie nicht, sie lebten als Gefangene des vergangenen Lebens.

3. Einem Freund, der oft mit Flugzeugen verschiedener Fluggesellschaften reist, taten nach der Katastrophe des 11. September die Fluggesellschaften leid. Er dachte, dass jetzt keiner mehr mit Flugzeug reisen will. Die Fluggesellschaft hatte ihm mehrmals ihr Bonussystem angeboten. Nun wollte er dem Personal der Gesellschaft Freude machen, und er wurde Stammkunde der Gesellschaft. "Jedenfalls ein Mitarbeiter freut sich, und jetzt brauchen sie in dieser Bedrücktheit Freude."

Nach ein Paar Monaten erhielt er die erste Stammkundeninformation. Darin gab es eine Überraschung. Ohne sein Wissen hatte die Fluggesellschaft seine Flüge schon seit dem Frühjahr auf sein Stammkundenkonto registriert. Nach seiner ersten eigentlichen Flug konnte er feststellen, dass er schon eine ganze Menge von Stammkundenpunkte hatte. Er hatte darüber nichts gewusst, aber sein Saldo war schon groß.

Diese Erfahrung des Freundes ist wie die Grundbotschaft des christlichen Glaubens. Der Freund hörte auf, sich den Angeboten der Gesellschaft zu widersetzen und entschloss sich zu dem Angebot. Er nahm einen anderen Standpunkt an. Und dabei stellte er fest, dass er schon viel bekommen hatte. Auch Gott hat schon für jeden Menschen vieles fertig gemacht. Jeder hat das Stammkundenkonto, ob er sich an das Bonussystem angeschlossen hat oder nicht. Wenn man sich den Angeboten Gottes zu widersetzen aufhört und sich an das System anschließt, bekommt man sofort eine große Menge von Mitgliedsvorteilen. Dies ist die Botschaft des Epiphaniefestes: Die Wirklichkeit ist anders als sie aussieht: Der Mensch hat einen guten Teil im Plan Gottes.

4. Die Botschaft des Epiphaniefestes ist wie die Erzählung von dem hässlichen Entchen. Das hässliche Entchen war etwas anderes, als wie es ursprünglich aussah. Auch Gottes Plan für die Menschen ist anders als die menschlichen Pläne. Nach den Rubriken der Zeitungen zu urteilen wollen die Menschen Ehre und Ruhm. Man hätte warten können, dass auch der Schöpfer auf gleiche Weise handelt. Aber die vollständige Verschiedenheit der Pläne Gottes kommt an Weihnachten zum Ausdruck. Weihnachten erzählt über das Kind im Stall. Es hatte nur das Ehepaar um sich. Sein erstes Bett war ein Futtergefäß. Als erste kamen zu diesem Menschenkind die Hirten, die ihre Schafe, ihren Unterhalt, alleine ließen. Sie kamen sich dabei ein wenig verrückt vor, aber dieses Kind mussten sie sehen. Später kamen zu dem Kind die Spitzentalente der damaligen Wissenschaft. Sie, die aus den Sternen vorhersagen konnten, was die Zukunft mit sich mitbringen wird. Zwar gingen sie zuerst in die Hauptstadt und zu dem König. Dort sollte man alles wahrhaft Bedeutende finden. Zu dem König führte sie die herkömmliche Denkweise. Aber Gott handelte anders, die Berühmtheit war nicht in Jerusalem zu finden. Dieser wirklich bedeutende Mensch war ganz anderswo als im Palast des Königreiches. Das Äußere sagte nichts über seine Größe, aber Gott leitete sie dort hin. Die Wirklichkeit war anders.

5. Eine veränderte Lebenseinstellung bewirkt die Neuordnung der Werte. Menschlich Großes ist nicht immer wirklich groß. Ehre und jeder Ruhm ist nicht immer Ehre und Ruhm. Die große Botschaft Gottes drückt sich im Kleinen und Geringfügigen aus. Düsterkeit und Bedrücktheit bedeuten kein trübes Schicksal und Missglücken. Gottes Welt ist anders. Mitten in der Düsterkeit und Bedrücktheit ist etwas anderes zu finden.

6. "Hirtenmädchen und Schornsteinfeger" heißt ein anderes Märchen. Da fliehen zwei Porzellanpuppen. Ihre einzige Fluchtmöglichkeit ist der Schornstein. Das Hirtenmädchen, das in den Schornsteinfeger verliebt ist, schaut sich um und bemerkt, dass alles schwarz ist. Sie guckt in den Schornstein und auch dort ist alles schwarz. Aber der Schornsteinfeger sagt: "Du musst da ganz weit hoch schauen, dort siehst du den Himmel. Das Mädchen sieht weit entfernt einen ganz winzigen Lichtfleck und beginnt zu klettern. Weit entfernt in der Höhe blinkt ein Stern. Die Strecke ist mühsam und der Lichtpunkt sehr klein. Aber er wird allmählich breiter und größer und plötzlich erscheinen die Puppen auf dem Dach. Die ganze Welt um sie und über ihnen ein Sternenmeer. Die Dunkelheit ist verschwunden und etwas anderes ist an ihre Stelle getreten.

Das Hirtenmädchen blieb nicht in Ruß und Dunkelheit. Sie suchte nach einer anderen Dimension. Sie glaubte, als man ihr befahl, sah weit, weit nach oben. Und die Wirklichkeit war nicht dunkel.

7. Genau darüber erzählt auch das Märchen von dem hässlichen Entchen. Als das Entchen nur zuhörte, was die anderen ihm erzählten, glaubte es auch selbst hässlich zu sein. Es wünschte sogar zu sterben. Und trotzdem war es die ganze Zeit etwas anderes als hässlich. Es war ein ganz gewöhnlicher Schwan, nicht ein Entchen sondern ein Schwänchen. Es konnte nur noch nicht sein, was es wirklich war. Es hörte zu viel auf die anderen. Es war zu sehr von den Sinnen verblendet. Dieses Verblendete erhielt im Frühjahr von den Kindern die Botschaft: "Sieht mal es ist ein neuer herrlicher, weißer Schwan gekommen. Er ist prächtig." Das Entchen traf eine andere Wirklichkeit, es sah sich mit neuen Augen.

8. Das Epiphaniefest berichtet uns, dass wir die Welt als neue sehen können. Im Leben gibt es einen Ausweg. Wenn uns die Welt wie ein Schornstein vorkommt, muss man daran erinern, dass auch der Schornstein ein Ende hat. Wenn das Hinaufklettern im Leben so schwer ist wie durch einen engen und rußigen Schornstein, muss man daran erinnern, dass das Klettern hinauf führt. Wenn man ausgleitet und Ruß in die Augen fällt, soll man daran erinnern, dass das nur vorübergehend ist. Durch diesen Schornstein kommt man hinauf. Und wenn man durchgekommen ist, ist es gut daran zu erinnern, dass man nicht allein ist: viele andere suchen auch den Weg hinauf, nahe an die Sterne heran, viele andere brauchen auch Hoffnung im Leben, viele andere sehen um sich nur müde, unglückliche und armselige Menschen ohne Hoffnung. Das Epiphaniefest erzählt uns, dass in die Welt solche Hoffnung gekommen ist, die größer ist als alle Könige der Welt: das kleine Kind, vor dem alle Weisen sich beugen. Diese Kleinheit enthält die Hoffnung. Das Kleine und Geringfügige ist in Gottes Hand wichtig. Wenn Gott den Kleinen wählt, wird es wichtig, weil der Wahl von Gott getroffen wird. Und dies ist die Hoffnung. In der Dunkelheit leuchtet das Licht Gottes heller. Die Hoffnung ist in die Welt gekommen. Und die Wirklichkeit ist anders geworden.

Prof. Dr. Esko Ryökäs
Universität zu Joensuu, Finnland
Esko.Ryokas@joensuu.fi

 


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