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Sonntag nach dem Christfest, 30. Dezember 2001
Predigt über Jesaja 49, 13-16, verfaßt von Jorg Christian Salzmann |
I Ein Schicksal, das wir uns nur schwer ausmalen können, und doch ist es tausendfache Realität in unserer Welt. Kinder, die ihre Eltern verloren haben, Kinder, die von ihren Eltern verstoßen wurden oder von sich aus das Leben auf der Straße dem Elend zu Hause vorzogen. Was machen wir Menschen aus unserer Welt? Trotzdem gilt immer noch das andere bei uns als normal, und wir verstehen den Satz: eine Mutter wird ihr Kind nicht im Stich lassen, niemals, wie könnte sie auch. II Da ist es schon dramatisch, wenn dieser Gott sich plötzlich wieder zu Wort meldet und behauptet: "Ich habe dich nicht verlassen. Wie könnte ich auch; ich liebe dich, Israel, wie eine Mutter ihr Kind. Kann denn eine Mutter ihr Kind im Stich lassen? Und wenn so etwas bei euch Menschen auch mal vorkommt: ich, Gott, bin die bessere Mutter." Gott nimmt die Verlassenen in den Arm und will sie trösten. Wie ganz unerwartet für die Verzweifelten, und wie tröstlich! Andererseits: kann man das denn glauben? Sprechen nicht alle Fakten dagegen? Offenbar sieht Gott die Fakten anders. Zu dem zerstörten Jerusalem sagt er: deine Mauern sind immer vor mir. Er redet so, als ob sie nicht in Trümmern dalägen. Doch diese Erfahrung hatte Israel mit Gott gemacht: was er sagt, das gilt. Und tatsächlich ist Israel damals nicht untergegangen, und die Mauern Jerusalems wurden wieder aufgebaut. III Bleiben zwei Fragen, die zu klären wären. Erstens: gilt Gottes Liebe uns denn überhaupt? Zweitens: Wer kann sich in Gottes Liebe bergen, wenn die Erfahrung dagegen spricht? Die Antwort auf die erste Frage ist klar: ja, die Liebe Gottes gilt uns. Denn wir Christen sind durch Jesus Christus in die Familie Gottes aufgenommen. Die "heilige Familie" ist nicht unerreichbares Vorbild für uns, auch kein weltfernes Idyll. Sondern wir gehören selbst dazu. Jesus nennt uns seine Geschwister, er hat uns zu Kindern Gottes gemacht. Wir sind bei Gott beheimatet. Und so gilt seine Treue auch uns: er will uns nicht im Stich lassen. Aber, und damit sind wir bei der zweiten Frage, stimmt das denn mit dem zusammen, was wir erfahren? Wer kann sich in Gottes Liebe bergen, wenn die Erfahrung dagegen spricht? Du brauchst wahrscheinlich nicht in großer Ferne zu suchen, um solchen Fragen zu begegnen. Immer wieder versuchen Menschen, zu Weihnachten eine Art Gegenwelt aufzubauen, ein Stück heile Welt und heile Familie; und immer wieder scheitern solche Versuche. Der Streit reicht bis in die Weihnachtsfeier hinein, die Sorgen bleiben und lassen sich nicht ausblenden. Nirgends im Jahr wird die Einsamkeit größer als zu Weihnachten, da die Menschen sich nach Nähe und Liebe sehnen. Und die Probleme dieser Welt werden in der Weihnachtszeit auch nicht geringer. Wo bleibt die Liebe Gottes? Sind wir am Ende allesamt Straßenkinder, verlassen in der Kälte dieser Welt? IV Das ist auch die Grunderfahrung für den christlichen Glauben. Was vor Augen ist, das armselige kleine Baby im Stall, das allein ist nicht die Wahrheit Gottes. Was vor Augen ist, der da wie ein Verbrecher am Kreuz hängt, diese Kreuzigung ist nicht das letzte in der Reihe der Fakten. Gott hat Heil zugesagt, und er hat dem Leben den Sieg gegeben und schenkt uns die Gewißheit, daß er uns nicht im Stich läßt. Wir sind nicht verlassen. Vielmehr gilt uns Gottes Liebe: mehr als eine Mutter es je kann, so lieb hat er uns. Sagst du: "das kann ich nicht glauben"? So sind wir Menschen wohl. Es scheint so viel leichter, die schlimmen Botschaften aus den Nachrichten zu glauben als die frohe Botschaft des Evangeliums. Aber diese unsere Erfahrung ist trügerisch. Vor Gott gilt das Evangelium, und so wird er uns nicht im Stich lassen. V Wieviel mehr wird das Kind, wird der Arme dem Evangelium glauben können, wenn es der Folge dieser frohen Botschaft, der Nächstenliebe und menschlichen Zuwendung begegnet. Das geht ja auch uns so, und wir danken Gott, daß er auch auf diese Weise Menschen den Weg zum Evangelium weist. So werden wir am Ende geborgen sein in der Liebe Gottes, die uns erzählen läßt von seiner Mutterliebe zu uns. Niemals wird er uns verlassen. Deshalb laßt uns einstimmen in das große Loblied am Anfang unseres Bibelwortes aus dem Jesajabuch: "Jauchzet, ihr Himmel; freue dich, Erde! Lobet, ihr Berge, mit Jauchzen! Denn der Herr hat sein Volk getröstet und erbarmt sich seiner Elenden." Die ganze Schöpfung soll mit einstimmen in den Weihnachtsjubel über den Trost Gottes für uns. Er hat uns nicht verlassen, sondern ist in diese Welt gekommen, um ihr die Erlösung zu bringen. Gelobt sei Gott in Ewigkeit. Amen. Prof. Dr. Jorg Christian Salzmann |
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