Was wir am Dienstag miteinander erlebt haben, liebe Freunde, hat uns
tief erschreckt und erschüttert. Dass Menschen aufeinander schießen,
einander wehtun und töten - leider kannten wir diese grausame Wahrheit
schon lange aus vielen, vielen Berichten rund um den Erdball. Dass aber
nun ganze Flugzeuge mit unschuldigen Zivilpersonen an Bord zu einer
Waffe umgewandelt werden, die dann wiederum tausende Menschenleben auslöscht,
das ist etwas erschreckend Neues, etwas unfassbar Brutales.
Es gibt zwei mögliche Antworten auf die Geschehnisse dieses Tages:
Entweder antworten wir mit Liebe. Oder wir antworten mit Angst
Natürlich haben wir jetzt erst einmal Angst.
Angst vor Vergeltungsschlägen.
Angst, dass Amerika panisch reagiert und Afghanistan übereilt angreift.
Angst, dass wir als Nato-Land mithineingezogen werden in den Konflikt.
Angst vor einem dritten Weltkrieg.
Angst aber verursacht Zorn. Und Zorn ist Ausdruck unserer Furcht. Wir
fangen selber an, uns Vergeltung zu wünschen, Höchststrafen
zu verhängen, Verdammung auszusprechen. Wir fangen an, nach einer
gerechten Strafen zu rufen. Aber gerade darum ist die Lage für
uns alle jetzt so gefährlich. Weil selbst wir als Christen in unserem
tiefsten Herzen anfangen zu hassen.
Wir hassen die Schuldigen selbst.
Die Ideologen und Religionsführer, die sie gegen andere aufhetzen.
Die Terroristen, die sie ausgebildet haben.
Die Staatsmänner, die ihnen Unterschlupf gewähren.
Die Politiker, die uns nicht richtig schützen.
Die Politiker anderer Länder, die in ihrem Land den Frieden nicht
zustande bringen, und damit den Weltfrieden gefährden.
Angst also bringt Zorn hervor.
Zorn aber nur wieder neue Gewalt.
Wir tragen aber doch, vergessen Sie das nicht, liebe Gemeinde, wir tragen
aber doch in unseren Herzen die feste Erkenntnis - alle miteinander
- am Krieg und am Terror ist nichts aber auch rein gar nicht gut. Er
bringt nur Angst und Leid, Tod und Trauer, Gewalt und Vertreibung. Darum
dürfen wir der Angst und dem Zorn, der Furcht und dem Ärger,
keinen Raum geben in unserem Herzen.
Es muss doch auch einen anderen Weg geben! Jesus Christus, der sich
selbst als Weg bezeichnet, zeigt uns den anderen, den richtigen Weg.
Nicht den Weg der Angst und des Zorns, sondern den Weg der Liebe.
Jesus sagt:
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit;
denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer
ist das Himmelreich. (Matthäus 5, 4-10)
Jesus hat Recht. Sanftmut und Gerechtigkeit sind die Voraussetzungen
für Frieden, Barmherzigkeit und ein ehrliches Herz, Friedfertigkeit
und Demut - ja, das sind die Bausteine, auf denen Frieden baut. Jesus
hat Recht.
Trotzdem kommen uns seine Worte vor wie von einem anderen Stern. Wie
soll das gehen?? Was können wir wirklich tun? Was können wir
tun, um Frieden zu schaffen, Frieden zu erhalten?
Wir tun uns furchtbar schwer damit. Selten gehören wir zu denen,
deren handeln sanftmütig und gerecht ist, barmherzig und ehrlich,
demütig und friedfertig. Im Gegenteil.
Das Klima der Herzen ist kühler geworden in Deutschland. Es geht
die Angst um, der andere könnte uns etwas wegnehmen. Der andere
könnte einen besseren Job bekommen als ich, mehr verdienen als
ich, geschickter und mit einem glücklicheren Händchen an der
Börse spekulieren. Die Angst geht um, zu viele Fremde kämen
in unser Land, zu viele Green-Cards würden verteilt, zu viele strömten
in unser Land, säßen an unseren Tischen, nutzten unser Sozial-
und Rentensystem.
Jesus aber sagt: Wovor habt Ihr eigentlich Angst? Seid Ihr nicht alle
Gottes Kinder? Kinder, die er liebt, deren Namen er kennt, und die er
versorgen und leiten will in eine gute und sichere Zukunft? Wovor haben
wir also Angst? Wer soll uns etwas wegnehmen können, wenn Gott
uns so reich beschenkt?
Das Klima in unseren Herzen ist kühler geworden, liebe Freunde,
so kühl, dass fast schon wieder Krieg herrscht - ein Krieg der
Herzen gegeneinander. Es gibt Familien, die sich in unseren Dörfern
nicht mehr grüßen, deren Kinder nicht mehr miteinander spielen
dürfen, weil sich die Eltern überworfen haben. Es gibt Kollegen
in unseren Betrieben, die solange gegeneinander intrigieren, bis einer
aufgibt und geht. Es gibt nur noch eins von drei Ehepaaren, die wirklich
glücklich miteinander sind. Es gibt Jugendliche, die mit ihrer
Zeit nichts mehr anderes anzufangen wissen, als anderer Menschen Eigentum
mutwillig zu zerstören.
In unseren Herzen rufen wir heute: Bitte, bitte bloß keinen Krieg!
Aber in unseren Straßen und Häusern ist schon lange kein
Friede mehr.
Warum? Warum gelingt es uns nicht mehr, den Frieden zu wahren? Weil
uns etwas sehr, sehr wichtiges verloren gegangen ist, liebe Freunde
und liebe Mitchristen: Unsere Liebe zu Gott. Unser Verantwortungsgefühl
gegenüber Gott.
ER hat uns diese wunderschöne Welt anvertraut. ER hat uns das Leben
geschenkt und die Liebe in uns erwachen lassen. ER schenkt uns Essen
und Trinken, Nahrung und Kleidung, Heimat und Auskommen. Er beschenkt
uns täglich so reichlich, spüren wir denn gar nicht, dass
uns aus diesem Reichtum, diesem Wohlstand, diesem Glück auch eine
Verantwortung erwächst? Eine Verantwortung, dies alles nicht nur
für uns selbst zu behalten, sondern auch nach dem anderen zu sehen,
dem Notleidenden, dem Flüchtenden, dem Einsamen?
Jesus sagt: Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich
besitzen. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit
erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott
schauen.
Im tiefsten Grunde unseres Herzens wissen wir, dass Jesus Recht hat.
Und das wirklicher Friede nur dann unter uns Raum gewinnt, wenn wir
so werden, wie Jesus es in seinen Seligpreisungen beschreibt. Das aber
können wir nur, wenn wir - ein jeder für sich, Ihr Lieben
- in unseren Herzen einmal gründlich aufräumen.
Geben wir dem Rassenhass in unseren Herzen keine Chance. Denn jeder
Mensch hat den gleichen Wert vor Gott, egal welcher Rasse er angehört.
Geben wir dem Neid in unseren Herzen keine Chance. Denn wer viel hat,
kann auch viel abgeben!
Geben wir der Angst vor dem Zu-kurz-kommen in unserem Herzen keine Chance.
Denn Gott ernährt und erhält uns, wie sollten wir dann zu
kurz kommen?
Geben wir der Gleichgültigkeit in unserem Herzen keine Chance.
Denn Gleichgültigkeit macht uns kalt und tot. Wir aber wollen leben.
Ein Mitchrist hat mir dieser Tage gesagt: "Ich fühle mich
so schrecklich ohnmächtig! Wir können doch überhaupt
nichts machen."
Doch, liebe Gemeinde, wir können sehr viel tun.
Nicht nur um den Frieden beten. Nächsten Sonntag laden beide Gemeinden
zum Bittgottesdienst ein. Das ist wichtig - aber auch relativ einfach;
denn es braucht dazu nur unsere Gedanken und unsere Worte!
Das andere ist: um den Frieden kämpfen. Das ist genauso wichtig
- aber auch um einiges schwerer. Wenn wir den Frieden bei uns selbst
suchen. Und zwar aktiv. In unserem Handeln.
Unseren Kindern zeigen, dass es das Wichtigste im Leben ist, einander
um Verzeihung zu bitten und einander zu vergeben.
Im Umgang mit einander, vor allem mit unseren Kindern und Jugendlichen,
auf jede Form der körperlichen Gewalt verzichten.
Den Jugendlichen zeigen, dass in der Gemeinschaft von Menschen schöner
ist als allein am Computerbildschirm.
Den Älteren Menschen ihre Eigenheiten lassen, ihnen Liebe und Zärtlichkeit
gewähren, die sie genauso nötig brauchen wie Kinder.
Kinderlärm und Kinderspiele aushalten - andererseits aber auch
Kinder zur Mithilfe und zum Pflichtbewusstsein erziehen.
Die Zunge hüten vor bösen, verletzenden oder beleidigenden
Äußerungen.
Sich feste vornehmen: nicht nur über Tote, sondern auch über
Lebende nur Gutes zu sagen. Und nur die Wahrheit.
Denen die Stirn bieten, die Vorurteile, Urteile oder böses Gerede
unter den Menschen weitertragen, und widersprechen.
Sich gegenseitig sagen, dass wir uns lieb haben.
Sich gegenseitig zeigen, dass wir gerne helfen.
Sich gegenseitig zeigen, dass wir jederzeit füreinander da sind.
Wir sind nicht ohnmächtig, liebe Freunde. Wir können unendlich
viel tun auf dem Weg des Friedens.
Seit vielen Tagen schon, liebe Freunde und liebe Mitchristen, steht
auf meinem Schreibtisch eine Karte des Klosters Maria Laach, mit einem
heiteren aber sehr tiefsinnigen Spruch, den ich Ihnen heute gerne ins
Herz und in den Sinn schreiben möchte:
Kühlschränke gibt es genug. Feuerstellen brauchen wir!
Liebe Gemeinde, ich bitte Sie heute, an diesem Sonntag nach dem 11.
September, der unser aller Leben verändert hat: Haben Sie Mut,
die Angst in Ihrem Herzen zu besiegen. Und nehmen Sie dieses Wort mit
als Ermutigung für eine friedvollere Zukunft. Lasst Herzenswärme
in unseren Taten sprechen. Und Liebe aus unseren Worten. Dann hat die
Herzenskälte, der Neid und der Hass keine Chance unter uns. Und
es kann Frieden werden. Unter uns. Und mit Gottes Hilfe auch weltweit.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Amen.
Dorothea Zager
E-Mail: DWZager@t-online.de
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