14. Sonntag nach Trinitatis, 16. September 2001
Predigt über Genesis 28, 10-16, verfaßt von Katja Moscho

"Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich habe es nicht gewußt..."

Jakob war ein Mensch, der weiß.
Er weiß, wie die Welt tickt, die nach strengen Regeln und Gesetzen geordnet ist. Die Welt, in der Haben und Sein so eng miteinander verknüpft sind, daß nur der etwas zählt, der viele Morgen Land, eine große Viehherde und einen Mercedes vorzuweisen hat. Und eine Welt, die gleichzeitig die Chance auf Besitz schon mit der Geburt gnädig gewährt oder unbarmherzig vernichtet.

Jakob ist der ewig Zweite, wenige Minuten zu spät geboren, erst nach seinem Bruder Esau. Ewig Zweiter auch vor dem Vater, der - verwurzelt in der Tradition, - natürlich seinen Erstgeborenen favorisiert: Den Sohn, den Erstgeburtsrecht und Segen als Stammhalter und Erben auszeichnen; der den Fortbestand der Sippe gewährleisten wird. Jakob dagegen werden all seine Klugheit, sein Einfallsreichtum und seine Zielstrebigkeit nichts nützen: Auf legalem Weg wird er es nie zu etwas bringen. Vor der Welt nicht, vor seinem Vater nicht, vor sich selbst nicht und anscheinend auch vor seinem Gott nicht - verweigert der doch ihm als Zweitgeborenem den Segen.

"Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich habe es nicht gewußt..."

Jakob ist ein Mensch, der weiß.
Er weiß sehr genau, was er will. Er leidet unter der Ungerechtigkeit dieser Welt, die er von klein auf an eigener Haut erfahren mußte. Sein Zwiespalt zwischen Wollen, Können und Dürfen wird immer abgründiger; er sehnt sich nach Anerkennung, zumal die Mutter als treibende Kraft wirkt, die ihn putscht und fordert. Wenn also Recht und Segen des Erstgeborenen die einzigen Mittel und Wege sind, um endlich Ansehen zu erlangen, dann muß er sie eben erzwingen ... von Gott und Mensch ... - egal auf welchem Wege. Wer könnte derartige Überlegungen einem Menschen verdenken, dem schon vor dem ersten Schrei ins Leben, vor jeder Äußerung seiner Individualität, auch individueller Begabungen und Neigungen, alle Entfaltungsmöglichkeiten unausweichlich verweigert werden...

Jakob ist ein Mensch, der weiß.
Jakob weiß, wann seine Stunde gekommen ist. In einer günstigen Minute wird so um das Erstgeburtsrecht geschachert wie um ein Stück Vieh auf dem Markt, und den Segen des Vaters ergaunert er sich durch Betrug. Mit seiner List geht er zwar nicht über Leichen, aber über die Rechte seines Bruders, die Würde seines erblindeten Vaters und letztlich auch über seine eigene Würde.

"Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich habe es nicht gewußt..."

"Aber ich wollte doch nur... eine Chance...", könnte Jakob erwidern, " und schließlich: Heiligt nicht der Zweck die Mittel - wenn auch meinen Zweck -?"
Lug und Betrug also auf der ganzen Linie, sein Bruder Esau unwiderruflich um seine Lebensrechte betrogen, der Vater um seinen regulären Stammhalter - kein Wunder, daß Jakobs Angst vor der Rache des Bruders wächst. Er weiß, wie die Welt funktioniert - wir müssen nicht erst aus dem Europa des 21. Jahrhundert ins Israel vor oder nach Christi Geburt gehen, wo in diesen Tagen wieder ein Vergeltungsschlag den nächsten provoziert. Seit Menschengedenken gehorcht die Welt dem Gesetz von Schuld und Rache, Sünde und Strafe, eben menschlicher, nicht-göttlicher Gerechtigkeit. Ordnung, die wie Glieder einer Kette schier undurchtrennbar in sich selbst verhakt ist, oft unbarmherzig, ja. Aber auch Schutz: Schutz als Mitglied der Gesellschaft, nicht betrogen oder beraubt zu werden wie Esau und Schutz als Individuum, in zwischenmenschlichen Beziehungen nur in möglichst erträglichem Maße Verletzungen ausgesetzt zu sein. Indem Jakob sich über die Ordnung hinwegsetzt, ist friedliches Zusammenleben bedroht und Orientierung gefährdet, und dieser Verstoß muß nach der Logik dieser Welt geahndet werden.

Der weitere Verlauf der Erzählung, würde sie uns in der Weltgeschichte begegnen ebenso wie in unzähligen Filmen, ist leicht zu erraten. Jakob flieht aus Angst vor Esaus Rache - "unstet und flüchtig wirst du sein" heißt es schon bei Kain und Abel über den Menschen ... Esau verfolgt ihn mit seinen Männern, treibt ihn in die Enge oder wartet auf eine günstige Gelegenheit, und dann, vielleicht, wenn Jakob ahnungslos schläft, greift er an. Der Kampf wogt hin und her, viele Menschen sterben, bis endlich einer der Brüder fällt oder sich ergibt. Ein neues Machtgefälle manifestiert sich, das zweifellos erneuter Unterdrückung bedarf, um wiederum die Verhältnisse zu sichern. - "Aber Jakob hätte es doch auch nicht anders verdient-" ... Verdient...?

"Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich habe es nicht gewußt..."

Lesung Gn 28,10-16

Jakob ist also auf der Flucht, Herz und Gedanken erfüllt von Angst - weiß er doch, daß er nicht nur seinem Bruder Unrecht getan, sondern auch gegen die Gebote Gottes verstoßen hat. Nicht nur Esaus Vergeltung muß er wohl fürchten - "unstet und flüchtig wirst du sein auf der Erde...". All seine überlegene Ruhe ist von ihm abgefallen, seine Angst treibt ihn, er hastet auf dem einzigen Ausweg, der ihm bleibt, vorwärts, nur vorwärts - aber wo in aller bedrohlichen Ungewißheit der Zukunft ist hier schon "vorwärts"? Gibt es das überhaupt noch, jenes vielbesungene "vorwärts", wenn man wie er auf der Flucht ist in einem fremden Land und mit dem Wissen, nie mehr in seine Heimat zurückkehren zu können? Wo liegt "vorwärts", wenn man vor einer absoluten und dunklen Unsicherheit der Zukunft steht?

Jakob weiß es nicht, weiß auch und noch nicht einmal das. Absolute Orientierungslosigkeit, in der nicht einmal Zeit und Gedanke daran, sich ein sicheres und schirmendes Nachtlager zu suchen, ihm bleiben. Als er vom Sonnenuntergang irgendwo in der Wüste überrascht wird und sich für die Nacht niederlegt, wird sich Jakob noch schutzloser gefühlt haben als im hellen Licht des Tages. Lediglich ein einziger, nicht gerade gen Himmel ragender Stein dient Jakob als Schutzwall ... was auch immer ihn in der Dunkelheit erwartet... Geheimnisvolle Nacht: Voller Gefahren - in der Nacht sind alle Katzen grau und jeder Hinterhalt gedeckt -, Ort des nicht-gewußten Unvergessenen, Ort der Träume und Gesichter... Ort auch der Selbsterkenntnis, die Anklage erhebt...

"Und Dunkelheit war über der Tiefe [...]. Und Gott sprach: ‚Es werde Licht...' [...] Und Gott sah, daß es gut war...""

Jakob ist ein Mensch. Was weiß er schon.
Er ist vielleicht schlau, das ja, und sieht seine Umwelt klar und bisweilen schonungslos. Aber weiter sieht er nicht, seine allzu menschlichen Augen, verhangen von Furcht und Schuld, vermögen nicht hinter die Kulissen und Fassaden, über die Grenzen der Welt hinauszublicken. Alle List, aller Aktionismus - ob blind oder blendend - nützen ihm an dieser Stelle nichts, unausweichlich bleibt er Teilchen im Getriebe, erfüllt seine Rolle im Konflikt auf Leben und Tod, der ihn und seinen Bruder gefangen hält. Jakobs Augen blicken auf sein Leben, seine Welt: Keine Chance, auszubrechen, den Teufelskreis zu stoppen: Was vermag schon ein einzelner, winziger Mensch auszurichten gegen Lauf und Gesetze der Welt. So ist es nun einmal, Auge um Auge, Zahn um Zahn; mein ist die Rache, spricht der Herr....

"Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich habe es nicht gewußt..."

"Ich habe es nie gewußt - noch nie, konnte es noch nie wissen - was sehen meine Augen schon anderes als Schuld - die eigene oder fremde -, Zwänge, Verstrickungen und Zwiespälte... - noch nie habe ich es gewußt... - ist der Herr an dieser Stätte... an meiner Stätte...???"

Mitten in dunkelster, tiefer Nacht der Ratlosigkeit geschieht etwas mit Jakob, diesem Flüchtigen vor Vergangenheit, Gegenwart und drohender Zukunft. Alles andere hätte er auf dem Wüstenweg seines einsamen Lebens als Emporkömmling erwartet als das: Eine heil-same Gegenwart durchdringt ihn. Ihn, den Schuldigen, der, alles andere als sanftmütig und friedenstiftend, gegen die Ordnungen Gottes und der Menschen verstoßen hat... Der zunächst einmal nichts weiter zu erwarten hatte als göttlich-menschlichen Zorn und Strafe - ob gerechtfertigt oder nicht. Des Tags auf der Flucht und nachts dem Schutz der Dunkelheit ausgeliefert...

In unserer menschlich-ärmlichen Sprache läßt sich kaum einen Ausdruck finden für die tiefe Berührung, die ein neues Licht wirft und Jakobs Leben umzukrempeln beginnt. Wie ein Träumender, so scheint sich Jakob zu fühlen, alles ist auf wundersame Weise wahr und doch zu überwältigend, um es wirklich als real zu begreifen.

Gott stellt nicht die Situation um, er ist kein Magier, der menschliche Verbindungen und Gefühle verzaubert, ohne die Freiheit und Verantwortlichkeit des Menschen zu achten. Aber seine Verheißung durchbricht, was Welt und Menschen festzulegen im Sinn hatten. Sie gilt Jakob, dem flüchtig Schuldigen und schuldig Flüchtigen, dem Betrüger, über den die Welt das Urteil fällt: Einmal schuldig, immer schuldig. Dem Opfer der Verhältnisse, das im Staub liegenzubleiben scheint ohne die Kraft zu ewig wiederkehrenden Neuanfängen. Dem Flüchtigen vor sich selbst und dem Leben, voller unstillbar-sehnender Sucht nach Anerkennung und Beziehung in der Selbstbezogenheit jeden Lebens. - Ihm - vielmehr: ihnen allen - gilt die Zusage Gottes: "Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst [...]. Denn ich will dich nicht verlassen [...]..."

Auch wenn Jakob das Gefühl hat, allein auf weiter Flur zu stehen, sein Leben vorherbestimmt scheint - "unstet und flüchtig sollst du sein...": - Der Segen, den er sich vormals ergaunern wollte, wird ihm von Gott geschenkt. So wie Gott gleichsam als Vorzeichen das Kainsmal als Schutz über eine Menschheit stellte, in der wie unter Zwang und immer wieder Schuldige zu Opfern werden und Opfer zu Schuldigen, ebenso bleibt Gott auch Jakob verbunden: "Ich bin mit dir...".

Was für Worte: "Ich will dich nicht verlassen...jetzt und in alle Ewigkeit... ich bin bei euch, alle Tage bis an der Welt Ende... Mensch, mein Mensch, kein Tag wird sein, an dem ich nicht mit dir bin, an dem mein Segen dich nicht umgibt und du tiefer fallen kannst, als meine Hand dich trägt..."

"Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte..."

Was für Worte..., wird auch Jakob gedacht haben. Erfüllt von der Verheißung, die ihm eine vollkommen neue Perspektive schenkt, voller überschäumender Freude, Hoffnung und beseligendem Vertrauen - mag ihn vielleicht eine noch größere Sehnsucht nach Vollendung ergriffen haben. "Jetzt wird alles anders, ich schwöre es, jetzt habe ich die Kraft, jetzt ändere ich mein Leben ...mich selbst... von Grund auf, du wirst sehen. Jetzt bin ich stark genug, die Treppe Stufe um Stufe zu erklimmen...zu dir..."

Und das Auge emporhebend, schweift Jakobs Blick in die Ferne. Am Horizont zeigen Rauchsäulen den Ort an, an dem sein Bruder Esau auf der Verfolgungsjagd das Nachtlager aufgeschlagen hat. Leises Donnergrollen kündet von einem erneuten Bombenanschlag in der Jerusalemer Innenstadt, und der Wind weht den Geruch der Armut unter den Brücken und aus anderen versteckten Schlupfwinkeln der Städte hinüber. Leise weint ein Kind, das noch immer nicht versteht, warum der Boden unter Mamas Füßen manchmal so wankt, daß Wort und Hand ihr ausrutschen, und Jakob spürt die unbarmherzige Härte des Felsbodens, der ebenso versteinert scheint wie das Gesicht des Menschen, der sein Liebstes unwiederbringlich verloren hat. Jakobs Blick schweift umher, und er sieht Leben und Welt, wie sie SIND: - Ewig zwiespältig; geliebt und verhaßt, verletzend und verbindend, hungrig und müde des Lebens, voller Hoffnung und Angst, Schmerz und Freude... ewige Sehnsucht... Und er sieht die Himmelstreppe, sieht jetzt auch, daß ihr Ende nicht auf der Erde wurzelt, sie noch nicht einmal berührt, sondern vom Himmel aus auf sie gerichtet ist.

Er reckt sich, streckt sich mit aller Gewalt nach ihr aus, er würde alles setzen, um sie zu erreichen, ohne Erfolg. Und Jakobs Schrei vermischt sich mit unserem eigenen und dem aller Kreatur, angefangen bei Adam und Eva: "Warum, Gott? Wo sind deine Worte mehr als schön, wo sind sie schöpferisch ... wo heilend? - Nicht nur im Anfang war das Wort... Wo bist du, wenn wir es kaum ertragen können, das Leben - zerrissen zwischen zwei Welten - wenigstens...? Du siehst doch, wir können nicht mehr. Wir, deine Menschheit - um Himmels und Erdens willen, wo bist du?"

Vielleicht war es eine solch zweifelnde, ja ver-zweifelte Zeit, in der sich Gott Jakob offenbart und ihm die Gewißheit seines Segens zuspricht. "Ich werde mit dir sein" - dies war schon Abraham, später Mose auf den Kopf, auf Leben und Tod hin zugesagt. Gott ist der "Gott-mit-uns", sein Name ist das Wort, das im Anfang war und in der Person Jesu Christi verheißungsvoll Mensch wird: "Ich werde mit dir sein". Ohne Voraussetzung oder Vorleistung umfaßt seine Zusage alle Geschöpfe; eine Nähe, wie sie dichter und gleichzeitig ferner nicht sein könnte.

Die Welt ist, wie sie ist; sie ist eine menschliche Welt, die menschlichen Gesetzen gehorcht, mit menschlichen Augen und Gefühlen wahrgenommen. So lange die Erde sich dreht, werden nicht aufhören Liebe und Haß, Schuld und Rache - und auch Vergebung -, Trauer und Freude, Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Leben steht in der Spannung zwischen faktischer Unerlöstheit und verheißener Erlösung, eine Spannung, die Gott manchmal so furchtbar - zum Fürchten - fern erscheinen läßt. Fern gerade in seiner Nähe, hat er sich doch selbst als ohnmächtiger Mensch unter diese conditio humana gestellt. Ein menschlicher Gott und göttlicher Mensch, der mit uns Leben in seiner Tiefgründigkeit und Abgründigkeit teilt - bis hin zum letzten Schrei, der alles Leid der Welt in sich begreift: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen..."

"Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich habe es nicht gewußt..."

Gott ist nicht nur dort, wo Menschen glücklich sind, wo Leben nach unseren Maßstäben gelingt. (Was sind schon unsere Maßstäbe...) Gott durchdringt auch Trauer, physische, soziale oder psychische Not, das Gefühl der subjektiven oder objektiven Ausweglosigkeit. Ja, Gott ist ebenso dort, wo Menschen die absolute und alles verschlingende Gottesferne empfinden: "Bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du da... Und spräche ich: Nur Finsternis möge mich bergen und Nacht sei das Licht um mich her. Auch Finsternis würde vor dir nicht verfinstern, und die Nacht würde leuchten wie der Tag, die Finsternis wäre wie das Licht."

Dieses Licht wirft seine Strahlen schon in unsere Welt hinein, wir können sie überall erspüren. Neben allen Schreckensmeldungen des Tages finden sich in unseren Zeitungen Berichte mit Überschriften wie "Fabrik stellt ihre Produktion von Atombomben auf Kirchenglocken um", so gelesen im Herbst letzten Jahres. Spuren des Evangeliums, die sich in unserem Leben entdecken lassen: Dort, wo zwei Menschen sich wieder versöhnen und einen Neuanfang miteinander wagen können wie Jakob und Esau. Wenn einem Menschen, der die Lösung seiner Probleme im Alkoholkonsum suchte, so daß die Lösung zum neuen und alles verschlingenden Problem wurde, wenn ihm neue Kräfte zuwachsen, die den Teufelskreis der Sucht zu durchbrechen vermögen. Wo statt Gewalt Dialog entsteht zwischen verfeindeten Völkern wie Israelis und Palästinensern, oder wo Fremde in unserer Gemeinschaft, unserer Kultur heimisch und integriert werden, ohne ihre Wurzeln und Traditionen aufgeben und sich vollständig anpassen zu müssen.
In all unseren Bemühungen und auch in unserer Resignation bleibt Er der "Gott mit uns":

"Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich habe es nicht gewußt..."

Wir können und müssen nicht nach den Sternen greifen, Türme in Babel gen Himmel bauen. Gott selbst ist es, der Jakob freundlich entgegenkommt, von sich aus und ohne Erwartungen. Die alles entscheidende Bewegung geht von Gott aus, und Jakob - der Mensch, der bislang als so weltgewandt, schlau und wenig ehrfurchtsvoll erscheint - kniet still nieder. Die Begegnung scheint ihn in einer Tiefe und Intensität anzurühren, die ihn den Mut finden läßt, Welt mit neuen Augen zu sehen - wenn auch oft mit vorsichtigem Mißtrauen. Und letztendlich, nach 14 langen Jahren der Arbeit und des Ringens, wird er auch seinem Bruder Esau anders und neu begegnen können. Gott gibt Menschen immer wieder die Kraft, in der Welt mit all ihren Nöten und Freuden nicht nur zu über-leben, sondern auch sie zu er-leben und zu gestalten.

Die Mauern dieser Welt, ihre Gesetzlichkeiten und Ordnungen, mögen uns manchmal Schutz und Sicherheit bieten angesichts der Unsicherheit, die als Todesbedrohung an allem Lebendigen nagt; wir sind und bleiben aber auch ihre Gefangenen.
Doch wie Jakob damals in der Wüste sind auch uns manchmal Flügel verliehen, die uns einen Moment aufsteigen und einen kurzen Blick hinter die Fassaden werfen lassen. "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Wort..."
- Und das Wort, das schon im Anfang aller Ewigkeit war, durchkreuzt und übertönt alles Ohrenbetäubende der Welt wie eine leise Melodie:

"Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, werden wir sein wie die Träumenden...."


Und der Friede Gottes,
der höher ist als all unsere menschliche Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Seinem Wort,
in Christus Jesus.

Amen.

Liedvorschläge: 452,1.2.4.5 * 199 * 430 * 678, 1.2.4 Wir beten für den Frieden (Rhein. Regionalteil)

Katja Moscho
stud. theol.
(*)

(*) Die vorstehende Predigt hat Katja Moscho, Theologiestudentin der Evangelisch-theologischen Fakultät an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn im Zusammenhang des homiletischen Seminars verfaßt und mit mir als Leiter des Seminars durchgesprochen. Sie wird sie am 16. September 2001 im Rahmen ihres Gemeinde-praktikums in Aachen-Brand halten. Prof. Dr. R. Schmidt-Rost
E-Mail: R.Schmidt-Rost@web.de