Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch 
7. Sonntag nach Trinitatis, 29. Juli 2001
Predigt über 3. Mose 25 von Dirk Grundmann

Liebe Gemeinde,

für die heutige Predigt habe ich selber einen Bibeltext herausgesucht,
nicht weil mir der vorgegebene nicht gefallen hätte -
Lukas 9 wäre dran gewesen, die Geschichte vom Brotwunder.
Da steckt eine Menge drin, man hätte etwas draus machen können.

Ich habe dennoch nach einem anderen Ausschau gehalten,
der von einem Thema handelt, was mich jetzt im Blick auf den Sommer beschäftigt.

Die Verse, die ich uns jetzt als Predigttext lesen möchte, stehen im 3. Buch Mose, Kapitel 25:
"Und der Herr sprach zu Mose auf dem Berg Sinai: Rede mit den Kindern Israel und sag zu ihnen: Wenn Ihr in das Land kommt, das ich Euch geben werde, dann soll das Land dem Herrn einen Sabbat feiern, eine Ruhezeit. Sechs Jahre sollst Du Dein Feld besäen und sechs Jahre Deinen Weinberg beschneiden und die Früchte einsammeln. Aber im siebten Jahr soll das Land dem Herrn einen feierlichen Sabbat halten. Da sollst Du Dein Land nicht besäen und auch Deinen Weinberg nicht bearbeiten. Und wenn Ihr sagt: Was sollen wir essen im siebten Jahr? Denn wenn wir nicht säen, dann sammeln wir auch kein Getreide - dann will ich meinem Segen über Euch schon im Jahr davor befehlen, daß ich Euch Getreide schaffen werde sogar für drei Jahre. Von diesen Sabbatjahren sollst Du wiederum sieben zählen, bis also sieben mal sieben Jahre vergangen sind, 49 insgesamt. Dann sollst Du die Posaune blasen lassen durch das ganze Land. Das dann anbrechende fünfzigste Jahr sollt Ihr ebenfalls heiligen, dann sollt Ihr eine Freilassung ausrufen für alle, die im Lande wohnen: Es soll ein Erlaßjahr sein für Euch. Dann soll jeder, der verschuldet ist oder der wegen seiner Schulden als Sklave verkauft worden ist - er soll freikommen und wieder zu seiner Habe und zu seiner Familie zurückkehren. Denn Ihr sollt das Land nicht verkaufen für immer, weil es mein Land ist, -- und Ihr -- seid meine Gäste."

Was ist das für ein Gebot, das Gott seinem Volk damals gegeben hat?
Dieses Gebot vom Sabbatjahr alle 7 Jahre und vom Schulden-Erlaßjahr alle 50 Jahre.
Anscheinend ein ganz unbedeutendes:
Zumal wir es so ja überhaupt nicht praktizieren,
wer von uns weiß überhaupt noch, daß es so etwas beim Volk Israel früher einmal gegeben hat?


Der vergangene Sommer hat mich wieder daran erinnert.
Denn es gab da ein paar Wochen während der Schulferien,
die hatten ein bißchen Ähnlichkeit damit, wie ich mir so ein Sabbatjahr damals vorstelle.
Wir hatten gerade das große Zeltlager hinter uns,
und ich hatte auch in diesen Wochen danach keinen Urlaub.
Aber es waren viel ruhigere Wochen als üblich.
Und ich habe sie genossen, ich habe aufgetankt.
Ich merkte, wie ich auftankte, mitten im Jahr und unverhofft,
wie ich Kraft sammelte für das Neue, was im Herbst kommen würde.

Klar, in Moringen warteten etliche Gottesdienste, Geburtstagsbesuche und Büroarbeit.
Aber zwischendurch war so viel Ruhe -
man hatte das Gefühl, die ganze Gemeinde wäre ausgeflogen,
Richtung Süden oder einfach auf die eigene Terrasse, sonnenbaden oder Schatten genießen.
Und wenn man nach Northeim reinkam, dann schienen die Straßen nur halb so voll wie sonst,
alles ging einen Gang langsamer.
Und vor dem Kirchenkreisamt - das war das Wunder schlechthin -
da gab es Parkplätze, ich hätte mit zehn Autos anreisen können.

Ich habe in diesen 3 Sommerwochen viel Zeit an meinem Schreibtisch verbracht,
ich habe Sachen nachgeholt, zu denen vorher keine Zeit gewesen war,
ich habe Pläne entworfen und Sachen vorbereitet für die Nachsommerzeit.
Und all das in Ruhe, äußerlich und innerlich beinahe noch mehr. -
Unsere Gemeinde und die Stadt Northeim hielten so etwas wie einen großen Sabbat.
Es war Sommerferienzeit, und das ganze Land schien den Sonntag des Jahres zu feiern.

Und das war gut so und wohl auch nötig, ich merkte bei mir selber,
wieviel Ruhe ich in diesen Wochen getankt habe.
Und auch wieviel Vorfreude auf die Zeit danach, wieviel Energie für das neue Arbeitsjahr.
Ich habe das selten vorher so intensiv erlebt.

"Sechs Jahre sollst Du Dein Feld besäen und sechs Jahre Deinen Weinberg bearbeiten und seine Früchte sammeln. Aber im siebten Jahr soll das Land dem Herrn einen feierlichen Sabbat halten" -
für mich hatten diese ruhigen Sommerwochen etwas Feierliches an sich,
an manchen Tagen kamen mir die Ruhe und die Leere der Straßen und Plätze vor wie ein Fest.
"Und wenn Ihr sagt: Was sollen wir essen im siebten Jahr, in dem Sabbatjahr? Denn wenn wir nicht säen, so sammeln wir auch kein Getreide - dann will ich, sagt Gott zu Mose, dann will ich schon im Jahr davor meinem Segen über Euch gebieten, daß ich Euch Getreide schaffen will, sogar für drei Jahre" -
ich glaube nicht, daß es uns schaden wird, wenn wir dem Jahr einen großen Sabbat lassen.
Sondern daß es sogar von Nutzen ist und etwas Gesegnetes, wenn wir die Zeiten einhalten:
arbeiten und unser Bestes geben, wenn es an der Zeit ist.
Entspannen, wenn das Entspannen seine Zeit hat.
Die Ruhe wird uns stärken, sie wird Kraft in uns wachsen lassen für die Zeit danach.
Und jedesmal kann es sein wie ein Neuanfang im Kleinen.

Ich könnte mir denken, daß Gott sich das mit dem Sonntag innerhalb der Arbeitswoche
auch in etwa so gedacht hat.
Denn der Wochensonntag ist ja so etwas wie der kleine Bruder des großen Feriensonntags:
"So vollendete Gott seine Werke, die er in sechs Tagen gemacht hatte,
und er ruhte am siebten Tag von allen seinen Werken.
Und er segnete den siebten Tag und heiligte ihn" -
ich kann immer noch nicht so ganz glauben, daß Gott das nötig gehabt haben soll,
nach vollbrachter Weltschöpfung nun erstmal ein wenig davon auszuruhen.
Aber vielleicht ist das auch viel mehr um unseretwillen so aufgeschrieben,
denn wir haben es nötig!

Das Alte Testament kennt einen Lebensrhythmus,
wie er dem Menschen und seinem Wesen wohl angemessen ist:
der Sabbat / der Sonntag als Ruhetag in der Woche nach sechs Arbeitstagen,
das Sabbatjahr als Ruhejahr in größeren Zeitabschnitten nach sechs Arbeitsjahren,
und schließlich das Erlaßjahr, alle 50 Jahre,
das jeder Mensch überhaupt nur ein- oder zweimal erlebte
und das ihm im größtmöglichen Rhythmus die Chance zu einem Neuanfang gab:
alles wurde erlassen, was sich an Schulden angesammelt hatte, das Leben konnte neu beginnen.

Eine dieser alttestamentlichen Regelungen haben wir von Anfang an übernommen:
den Ruhetag innerhalb der Woche.
Die anderen mögen bei uns so im großen Stil nicht praktikabel sein: Sabbatjahr und Erlaßjahr.
Aber dafür haben wir eine zweite Sache, die den gleichen Geist atmet
und die sich seit Jahren mehr und mehr durchzusetzen scheint:
daß auch das Jahr seinen Sonntag bekommt, diese Wochen im Sommer nämlich,
in denen mehr Ruhe einkehren kann als sonst irgendwann,
Zeit zum Auftanken, Zeit zum Durchatmen, zum Sammeln von neuer Kraft.
Ich habe das letzten Sommer empfunden wie etwas, was in Gottes Sinne ist,
wirklich wie ein Geschenk.

Ich wünsche Ihnen, daß Sie diesen kommenden Sommer auch ein wenig so erleben können.
Damit wir - uns und unserer weiteren Arbeit zum Nutzen -
"dem Herrn einen feierlichen Sabbat halten können".

Amen.

Herr, unser Gott,

wir wollen Dir danken für die viele Sonne der letzten Wochen und Monate!
Vielleicht ist die Wärme der Sonne
ein Gleichnis für die Wärme Deiner Liebe.
Laß uns Möglichkeiten finden,
laß uns Gleichnisse finden,
in denen wir Deine Liebe erleben und spüren können.
Segne uns diesen Tag und diesen Gottesdienst,
aber nicht nur uns, sondern allen,
die jetzt vor Dir zusammengekommen sind.

Amen.

Herr, unser Gott,

"das Leben des Menschen dauert 70 Jahre,
und wenn es hoch kommt, dann sind es 80 Jahre,
und was daran köstlich gewesen ist, ist Mühe und Arbeit gewesen"
- dieses Lebensfazit kennen wir aus Psalm 90.
Und es kann sein, daß viele unter uns ihr eigenes Leben auch oft so empfinden:
wie etwas, worin Mühe und Arbeit das Bestimmende gewesen sind;
daß über Jahre oder Jahrzehnte hart gearbeitet wurde,
weil die Aufgaben so groß waren
und die Berge an Arbeit ja bewältigt werden mußten.
Und solche Arbeit kann ihren Sinn haben,
sie kann einen bleibenden Wert haben.
6 Tage willst Du, daß wir arbeiten.

Aber am 7. soll Ruhe sein,
Zeit zum Auftanken, zum Sammeln von neuer Kraft.
Am 7. Tag dürfen und sollen wir die Früchte unserer Arbeit genießen.
Herr, wir wollen Dich bitten, daß uns auch das gelingt:
nicht nur zu arbeiten, sondern auch zu entspannen.
Laß uns die wohltuende Ruhe, die Du für uns willst,
als ein Geschenk von Dir annehmen.
Dann können wir Dir, dankbar, einen feierlichen Sabbat halten.

Wir bitten Dich auch für die Menschen um uns herum -
viele wirken gehetzt und ständig innerlich unruhig -
hilf Du auch ihnen, daß sie Deine guten Ordnungen erkennen
und nach der Arbeit auch Ruhe finden.

Herr, wir bitten Dich für die Menschen in Jugoslawien,
die unter dem Bürgerkrieg schwer leiden:
hilf, daß dieses Gegeneinander überwunden wird!
Wir denken auch an die Zukunft der Menschen in der Sowjetunion,
weil keiner weiß, durch was sie noch hindurch müssen:
hilf, daß der Frieden ihnen und uns erhalten bleibt!

Alles, was uns auf dem Herzen liegt,
legen wir in das Gebet unseres Herrn:

 

Dirk Grundmann, Pastor in Moringen

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