Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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Jubilate, 6. Mai 2001
Predigt über 1. Mose 1,1-4a.26-31; 2,1-4a, verfaßt von Rudolf Schmidt

Liebe Gemeinde!

...und siehe, es war sehr gut – so endet dieser Bericht von Gottes Erschaffung unserer Erde – es war sehr gut!

Wir stehen heute fast vor einem Scherbenhaufen im Blick auf das, was wir mit Gottes Schöpfung angestellt haben: Tausende von Rindern werden in Europa getötet, nachdem wir sie mit unartgemäßem Futter krank gemacht haben; Tausende Schafe und Schweine werden verbrannt, weil wir der Seuchen nicht Herr werden, die in solchen unnatürlichen Mammut-Zuchtbetrieben ungeahnte Ausbreitungsmöglichkeiten haben. Was ist heute am Essen noch genießbar, fragen sich viele Menschen angesichts immer neuer verunsichernder Nachrichten aus dem Bereich der Tier- und Pflanzenzucht.

Lesen wir die Schöpfungsgeschichte vom Anfang der Bibel in den Abschnitten, die uns für diesen Sonntag als Predigttext vorgeschlagen sind, so spüren wir förmlich, wie anders, dankbarer, geordneter und geregelter die Schöpfung von denen erlebt wurde, die diesen Bericht für uns aufgeschrieben haben.

Sie hat sicher auch interessiert, wie denn dieses große Schöpfungswerk Gottes entstanden ist und haben dabei auf die Mythen und die Erzählungen ihrer Zeit zurückgegriffen. Aber wir werden diesen Bericht nicht angemessen verstehen, wenn wir ihn als Augenzeugenbericht mißverstehen und den Schöpfungsbericht der Bibel als heutigem naturwissenschaftlichen Forschungsstand angemessenen Bericht über die Entstehung der Erde begreifen wollen. Dieser Text steht ja nicht am Anfang der Bibel, weil er der erste Text ist, den die Verfasser der Bibel geschrieben haben, sondern weil sie aus den Erfahrungen ihrer Geschichte mit Gott, wie sie in den Erzählungen von dem Auszug aus Ägypten und dem Einzug in das verheißene Land aufgeschrieben sind, nun auch deutlich machen wollten, wie denn das ganze angefangen hat, wie das Verhältnis Gottes zu seinem Volk eingeordnet ist in das Verhältnis Gottes zu der gesamten Schöpfung, zu der auch Gottes eigenes Volk Israel gehört.

Auffallend ist die fast hymnische Sprache dieses so bewußt gestalteten – gedichteten, verdichteten Textes.
Dankbar wird festgehalten, daß die bedrohliche Finsternis soweit zurückgedrängt wurde, daß das Licht seine Lebenskraft entfalten kann und aus dem anfänglichen Wüsten und Leeren eine bewohnbare, lebensvolle Erde wird.
In diesem großen Bild wird uns zugesagt, daß die Erde so wie sie ist, wie wir sie als Menschen erleben - mit ihrer vitalen, ja geradezu explosiven Lebenskraft gerade jetzt im Frühling, - daß diese Erde nicht einfach ist, - sondern uns Zeichen und Hinweis auf Gottes uns zugewandtes Angesicht, auf seine Güte und Freundlichkeit sein will, wie sie der Schöpfungspsalm Nr. 136 : Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, denn seine Güte währet ewiglich so unglaublich besingt. Hier werden die Schöpfungstaten Gottes, wie sie in der Schöpfungsgeschichte aufgeschrieben sind, dankbar besungen mit dem mit dem ständigen Kehrreim: Denn seine Güte währet ewiglich!

Auch wir Menschen gehören in diesen Zusammenhang als Geschöpf Gottes mit hinein. Schon die immer wieder Staunen erregende Menschenfreundlichkeit Gottes, daß er den Menschen als Mann und Frau erschuf, daß es also Mann und Frau gibt, liebend einander zugewandt und aufeinander bezogen und angewiesne, - ist solch ein Zeichen von Gottes Liebe und Menschenfreundlichkeit.

Nun hat Gott uns Menschen aber nicht einfach als schöne Spielfiguren in seine Schöpfung, die Erde, den Garten Eden, gesetzt, - sondern er hat ihm, er hat uns einen Auftrag gegeben: Als sein – Gottes - Ebenbild hat Gott uns auf diese Erde gestellt. So haben sich die Schreiber dieser Schöpfungsgeschichte verstanden: als Beauftragte Gottes auf dieser Erde, um in seinem Namen und in seinem Auftrag diese Erde zu bewahren und zu bebauen.

Wie weit haben wir uns davon entfernt mit unserem unglaublichen Umgehen mit Haustieren, mit Natur und Umwelt ?

Wohl deswegen, weil wir den Auftrag: "Machet euch die Erde untertan" nicht im Rahmen der Beauftragung als Bebauer und Bewahrer der Erde, der guten Schöpfung Gottes verstanden haben, sondern als uneingeschränkte Herren der Schöpfung, mit der unbegrenzten Möglichkeit, zu tun , was uns möglich erscheint. So ist die Erde, Gottes gute Schöpfung, an vielen Stellen verkommen, was wir heute immer betroffener wahrnehmen. Die Feuer, mit denen tausende Rinder verbrannt wurden, sind zu einem Rauchzeichen geworden, das uns unübersehbar an unseren von Gott gegebenen Auftrag erinnert und zurückruft, daß wir verantwortungsvoll die Erde, Gottes gute Schöpfung, in seinem Auftrag bebauen und bewahren sollen.

Vielleicht fehlt uns die Ruhe und Gelassenheit, der Abstand zu dieser Erde, um unserer Auftrag als Gott gegebenen Auftrag wahrzunehmen. Von Gott heißt es in diesem hymnischen Bericht: am siebenten Tage ruhte Gott von allen seinen Werken. Er ist also nicht hektisch rund um die Uhr beschäftigt, sondern er nimmt Abstand von seinen Aufgaben, ruht von seiner Arbeit und segnet das, was sich ihm als gute, sehr gute Schöpfung darstellt.

Diese Erfahrung ist uns ja nicht ganz verschlossen. Die Blütenpracht in unseren Gärten in diesen Frühlingstagen, - oder im Sommer der Gang durch die reifenden Kornfelder vermag auch uns eine Ahnung von dem Segen zu vermitteln, den Gott über seine Schöpfung mit seinem Wort ausgebreitet hat. Oft ist uns allerdings dieser Zugang verwehrt durch unser Umgehen mit dieser von Gott gesegneten Schöpfung, wenn wir die Tiere nur noch zur Vermehrung unserer Geschäfte ausnutzen und unserer Umwelt ihre Geschöpflichkeit nehmen durch unser vermessenes Umgehen mit ihr. Nicht wir sind die Herren der Schöpfung, sondern Gott hat uns Menschen eingesetzt, daß wir in seinem Auftrag sie schützen und bewahren und in solcher Absicht unserer Erde verantwortungsvoll bebauen. Wo das geschieht, schenkt Gott auch uns heute die Erfahrung seiner Schöpfermacht und Schöpfergüte, können wir etwas von der uns zugewandten Seite Gottes und der Schönheit seines Schöpfungswerkes wahrnehmen.

Für solche Seiten Gottes und für die Schönheit seiner gesegneten Schöpfung möchte uns dieser alte Text aus dem 1.Mosebuch immer wieder die Augen, die Ohren und das Herz öffnen.

Amen.

Rudolf Schmidt
Pastor an St. Marien
Rosdorfer Weg 6
37073 Göttingen


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