Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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3. Sonntag nach Epiphanias, 21. Januar 2001
Predigt über Johannes 4,5-14, verfaßt von Uwe Erdmann

Liebe Gemeinde,

ich kann mich noch erinnern, kann sogar das Gefühl noch beschreiben, als ich nach einer langen Wanderung meine Stiefel auszog und meine Füße in einen kühlen Bach hielt. Alle Erschöpfung, die ganze Hitze des Weges schien wie weggeblasen. Vielleicht kennen Sie das ja auch, wie ein kühler Wasserstrahl über Füße oder Arme gegossen, einen erfrischen kann. Herrlich, wie das kühle Naß die Anstrengungen vergessen läßt, wie sich eine neue Frische in einem ausbreitet. Nur wenige Kilometer später war es ein anderer Bachlauf, aus dem wir dann Wasser geschöpft und getrunken haben. Kühl, frisch und lecker war es. Ja, es gab schon Zeiten, in denen man so ganz einfach und unbesehen aus einem Bach trinken konnte.

Erfrischungen dieser Art halten Minuten, manchmal auch für Stunden an, dann geht das gleiche Sehnen wieder von vorn los.

Was ich an diesen kleinen Erlebnissen so besonders finde, das ist die Tatsache, daß sich mit mir etwas tut, wenn ich die Füße in den kalten Bach halte, wenn ich Wasser trinke. Es stellt sich ein Wohlbefinden ein, es ist schön, es tut gut, ich spüre wieder neue Kraft in mir wachsen, kann mich wieder auf den Weg machen.

Der Evangelist Johannes erzählt im 4. Kapitel seines Evangeliums eine Geschichte, die mit erfrischendem Wasser zu tun hat. Wir wollen sie uns einmal anhören:

Joh 4,5-14

5 Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab.
6 Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde.
7 Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken!
8 Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen.
9 Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. -
10 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser.
11 Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser?
12 Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh.
13 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten;
14 wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.

Jesus benennt genau das Problem. Wir müssen immer wieder neu Wasser schöpfen, uns immer wieder neu um eine Erfrischung bemühen, die Frau muß immer wieder, jeden Tag aufs Neue zum Brunnen gehen. Das Wasser, daß sie dort schöpft reicht vielleicht für einen Tag, kaum länger.

Lebendiges Wasser will Jesus ihr geben, Wasser, daß nie versiegen wird, Wasser, das den Durst für immer stillen kann, Wasser, das unerschöpflich ist. So wird es der Frau angeboten, so wird es uns angeboten.

Wasser, das mehr kann als den normalen Durst löschen. Das hört sich gut an, das hört sich interessant an. Wir wissen oder wir ahnen auch schließlich, daß das Leben aus mehr besteht, als aus Essen und Trinken.

Sehnen wir uns nicht oft genug nach einem solchen Wasser, nach Kraft und Stärkung im Leben, zum Beispiel nach einer langen Durststrecke? Sehnen wir uns nicht oft genug nach einer Erfrischung, nach Wegzehrung, die über das Sichtbare hinausgeht?

Jesus bietet es an, Jesus, der an den Brunnen gekommen war, um selber um Wasser zu bitten, er wird zum Gebenden. Er hat, er ist das, wonach wir uns sehnen. Er ist das lebendige Wasser. Er will uns davon zu trinken geben, will uns damit erfrischen.

In der Geschichte von der Samaritanerin am Brunnen erfahren wir auch, wie sich dieses lebendige Wasser auswirkt, was es kann, wie es Menschen erfrischt.

Das geht schon gleich am Anfang los, als Jesus, der Jude die Samaritanerin anspricht. Als Jude sprach man damals nicht mit Menschen aus Samaria, als Mann sprach man damals auch keine Frau an. Jesus tut es trotzdem, der Jude Jesus läßt sich nicht von Konventionen, von Sitten und Gebräuchen, von Urteilen und Vorurteilen abhalten. Schon dieses erste, diese ersten Worte enthalten schon Tropfen dieses kostbaren lebendigen Wassers.

Wenn man über Grenzen hinweg sprechen kann, wenn man über Verletzungen hinweg Kontakt aufnehmen kann, wenn man auf andere zugehen kann, dann ist es so, als würde dieses lebendige Wasser fließen.

Auch die Bitte, die Jesus ausspricht, auch die weist schon auf dieses lebendige Wasser hin. Jesus, er bittet, er kommt als Erschöpfter, als Bedürftiger. Ich kann mir gut vorstellen, wie sehr er unter der Mittagshitze leidet, die Sonne brennt dort heißer als in unseren Breiten. Er bittet um Wasser und wird am Ende zum Gebenden. Er kann seine Erschöpfung zugeben, er muß nicht stark sein, nicht unbezwingbar, nicht perfekt. Er kann bitten, sich öffnen, er gehört nicht zu jenen, die meinen, sie können, sie müssen alles allein schaffen.

In letzter Konsequenz heißt das, wenn ich von dem lebendigen Wasser trinke, wenn ich mich davon erfrischen lasse, dann kann ich auch meine Schuld eingestehen, meine Fehler, mein Versagen, mein Nicht können. Und dies nicht, weil ich nichts tauge, weil nichts auf die Reihe bringe, sondern, weil ich in mir ruhen kann. Weil ich die Wirklichkeit so annehmen kann, wie sie ist. Ich muß mich nicht mit irgendwelchen Ersatzstoffen zufrieden stellen, ich kann und darf bei der Wirklichkeit bleiben.

" Wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt."

Mit diesem letzten Vers unseres Abschnitts geht Jesus noch ein ganzes Stück weiter. Er bietet sein lebendiges Wasser, daß zum Ende hin über alles Leben hinausragen wird. Es wird in das ewige Leben quellen. Die Grenze des Todes ist hier angesprochen. Was im Leben hilft, das hört auch im Tod nicht auf. So umgreift Jesu Gabe mehr als nur den kleinen Alltag. Da wirkt es bereits, aber es reicht viel weiter.

Dieses lebendige Wasser erfrischt seit Urzeiten Menschen, es stärkt immer wieder aufs neue Menschen. Wie nach einer langen Wanderung mit den Füßen im kühlen Bach. Nicht nur für einen kleinen Augenblick, sondern bis in alle Ewigkeit hinein.

Amen

Pastor Uwe Erdmann, Hemmoor
E-Mail: uwe.erdmann@t-online.de


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