Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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Epiphanias, 6. Januar 2001
Predigt über Jesaja 60,1–9.13–16, verfaßt von Hans–Gottlieb Wesenick

Anmerkungen

1 Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!
2 Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
3 Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.
4 Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden.
5 Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt.

6 Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen.
7 Alle Herden von Kedar sollen zu dir gebracht werden, und die Widder Nebajots sollen dir dienen. Sie sollen als ein wohlgefälliges Opfer auf meinen Altar kommen; denn ich will das Haus meiner Herrlichkeit zieren.

8 Wer sind die, die da fliegen wie die Wolken und wie die Tauben zu ihren Schlägen?
9 Die Inseln harren auf mich und die Tarsisschiffe vor allem, daß sie deine Söhne von ferne herbringen samt ihrem Silber und Gold für den Namen des Herrn, deines Gottes, und für den Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.
13 Die Herrlichkeit des Libanon soll zu dir kommen, Zypressen, Buchsbaum und Kiefern miteinander, zu schmücken den Ort meines Heiligtums; denn ich will die Stätte meiner Füße herrlich machen.
14 Es werden gebückt zu dir kommen, die dich unterdrückt haben, und alle, die dich gelästert haben, werden niederfallen zu deinen Füßen und dich nennen »Stadt des Herrn«, »Zion des Heiligen Israels«.
15 Denn dafür, daß du die Verlassene und Ungeliebte gewesen bist, zu der niemand hinging, will ich dich zur Pracht ewiglich machen und zur Freude für und für.
16 Du sollst Milch von den Völkern saugen, und der Könige Brust soll dich säugen, auf daß du erfahrest, daß ich, der Herr, dein Heiland bin und ich, der Mächtige Jakobs, dein Erlöser.

Liebe Gemeinde,

wir kommen in diesem Text nicht vor, wir, die christliche Gemeinde in ........... Nein, diese alte Aufforderung: „Mache dich auf, werde licht!“ und die Verheißungsworte „Aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir!“ – sie sind zuerst an die Menschen in Jerusalem gerichtet, damals vor ziemlich genau 2.500 Jahren, als sie ein Prophet, dessen Namen wir nicht kennen, zum ersten Mal verkündete. Und ich glaube, auch heute meinen sie zuerst das Gottesvolk Israel. Wir Christen sind da nicht angeredet, jedenfalls nicht gleich, nicht an erster Stelle. Trotzdem wollen wir versuchen, auf diesen Text zu hören.

In seinem Mittelpunkt stehen Jerusalem, die „Stadt des Herrn“, das „Zion des Heiligen Israels“, und die Menschen dort. Die ehrwürdige Stadt Jerusalem, vielen Menschen heilig, Juden wie Christen wie Arabern, Jerusalem wird zur Zeit tagtäglich auf den Titelseiten der Zeitungen und in den Spitzenmeldungen der Tagesschau genannt: der ohnehin mühsame Friedensprozeß zwischen Israelis und Palästinensern kommt nicht mehr von der Stelle. Er ist gefährdet wie schon lange nicht mehr. Er hängt an einem seidenen Faden. Jeden Tag werden neue Gewalttaten aus dem Land der Bibel gemeldet. Jeden Tag gibt es von neuem Tote, sinnlos erschossen, und Verletzte, für ihr Leben gezeichnet – auf beiden Seiten. Verbitterung und blinder Fanatismus sind im Spiel und machen alle Verständigungsbemühungen nur noch schwerer. Man redet zwar noch miteinander, trotz allem, und darin liegt eine schwache Hoffnung, aber die gegenseitigen Anschuldigungen werden immer härter und schärfer, und es wird hoch gepokert um jeden noch so kleinen Vorteil für die eigene Seite. Zur Zeit mag keiner nachgeben „um des lieben Friedens willen“. Es ist zum Verzweifeln.

Als vor langer Zeit der Prophet in Gottes Auftrag diese Worte predigte, sah es in Jerusalem etwas anders aus als heute. Die ehedem stolze, prächtige Residenzstadt, im Jahre 587 von den Babyloniern erobert und zerstört, war immer noch überwiegend ein Ruinenfeld. Auch der berühmte Tempel, einst vom König Salomo erbaut, lag noch in Trümmern, und zahlreiche Dörfer und Städtchen im Umland waren verwüstet. Jedoch im Jahre 535 hatte der Perserkönig Kyros den Israeliten, die 50 Jahre vorher in die Gefangenschaft nach Babylon entführt worden waren, gestattet, in ihre Heimat zurückzukehren. Und nun waren sie heimgekehrt, zwar noch längst nicht alle, aber immerhin ein erheblicher Teil von ihnen, waren zurückgekommen als ein gedemütigtes, geschlagenes Volk und hatten mit dem Wiederaufbau der Heimat begonnen. Zunächst waren sie noch voller Mut gewesen und hatten entschlossen und zuversichtlich den neuen Anfang gemacht. Doch bald schon zeigte sich: sie kamen nicht recht voran, nicht so, wie sie es sich zunächst vorgestellt hatten.

Die Lage im Lande blieb ärmlich und dürftig, und bald schon zeigten sich wieder die alten Mißstände, die es dort vor der Zerstörung Jerusalems und der Eroberung des Landes Juda ja auch schon gegeben hatte: einige wenige profitierten vom Mangel und machten gute Geschäfte, aber die Masse der Heimkehrer fand kaum Arbeit. Viele mußten sich verschulden, fühlten sich ausgebeutet und unterdrückt. Es gab keine Rechtssicherheit, keine unabhängige Gerichtsbarkeit. Hinzu kamen unweigerlich starke soziale, gesellschaftliche Spannungen: Spannungen untereinander, aber auch Spannungen zwischen den Heimkehrern und den Menschen, die sich in der Zwischenzeit hier angesiedelt hatten, oftmals keine Juden. Die wollten sich natürlich nicht verdrängen lassen. Auch der Wiederaufbau des Tempels, den man gleich angepackt hatte, kam nicht recht weiter, und längst waren noch nicht alle Verbannten zurückgekehrt. Die große Wende – sie war ausgeblieben. Enttäuschung machte sich breit, Resignation, lähmende Mutlosigkeit.

In diese Situation hinein fällt wie ein Trompetensignal der Ruf des Propheten: „Mache dich auf!“ Steh auf! „Werde licht! Denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.“ Ja, es ist dunkel, gewiß. „Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker.“ Die Lage ist schwierig, keine Frage; es ist finster, es scheint noch kein Licht am Ende des Tunnels. Aber so wird es nicht, so soll es nicht bleiben: „Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir!“ Gott selbst wird euch aufgehen wie die Sonne. Sein Glanz wird über euch aufstrahlen und die ganze Welt erleuchten und alle Finsternis vertreiben. Ein unglaubliches Wort! Kein Wort zum Durchhalten, keine billige Vertröstung auf bessere Zeiten, sondern eine Vision, die weit über die damalige und jede andere Wirklichkeit hinausreicht. Gott selbst wird handeln – unglaublich!

Wir wissen nicht, wie die Menschen damals, vor 2500 Jahren, diese Botschaft aufgenommen haben. Daß sie ihnen jedoch außerordentlich wichtig war, ersehen wir daraus, daß sie aufgeschrieben worden ist und festgehalten im Buch des Propheten Jesaja. Sie sollte nicht nur dem Augenblick damals gelten. Sie war wichtig auch für die nachfolgenden Generationen. Immer und überall, wo Menschen sich im Dunkel erleben, wo sie müde geworden sind in ihren Hoffnungen, da sollten sie es hören: „Mache dich auf, werde, licht! Denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.“ Gott selbst geht auf über euch wie die Sonne. Er ist bei euch und wird handeln. Das ist das Thema dieses Bibelwortes.

Jedoch stellt sich nun die Frage: kann diese Verheißung auch bis zu uns ausstrahlen? Ich sagte es schon: wir sind nicht das Volk Israel; wir gehören weder zu den Menschen in Jerusalem damals noch zu den Menschen in Jerusalem heute; wir sind nicht in erster Linie angesprochen.

Das ist so, und das dürfen wir nicht einfach beiseite schieben. Aber wahr ist auch, daß es von Anfang an Überzeugung der Christen gewesen ist: in Jesus von Nazareth ist Gottes Herrlichkeit über den Menschen aufgegangen, ist Gottes Licht zu uns gekommen, so wie es der Prophet angekündigt hatte. Gerade die ersten Sätze des alten Prophetenwortes bekamen für sie neue Kraft, setzten für sie neue Hoffnung und Verheißung frei: in Jesus Christus ist Gottes Reich, seine Herrlichkeit und Herrschaft strahlend aufgeleuchtet und hat sich unter uns Menschen gezeigt, hat sich bewahrheitet. Ihre Ausstrahlungskraft haben diese Worte bis heute unter uns Christen behalten. Und darum glaube ich, daß sie uns auch meinen und uns auch gelten.

Denn das kennen wir ja auch, daß wir uns zuweilen wie Menschen im Dunkeln fühlen, daß manche unter uns müde geworden sind in ihren Hoffnungen und Erwartungen. Der Blick zurück in das Jahr 2000 gibt manchen Anlaß dazu. Dieser Tage konnte man in den Zeitungen nicht wenig dazu lesen und auch die Rückblicke im Fernsehen verfolgen.

Aber auch der Blick voraus in das Jahr 2001 bietet nicht nur eitel Helligkeit. Wenn ich an Jerusalem denke, tut sich arge Finsternis vor mir auf. Und ähnliche Finsternis empfinde ich beim Blick auf die Zukunft der Balkanländer, auch wenn es dort neben Unversöhnlichkeit einige kleine Zeichen der Hoffnung gibt. Oder wenn ich die BSE–Krise zu begreifen versuche oder die Möglichkeiten der Gentechnologie und vor allem die menschliche Versuchlichkeit, wirklich alles auszuprobieren, was machbar ist, dann überkommen mich Ängste. Noch zahlreiche andere Bereiche wären da zu nennen, die unser Leben in Zukunft unmittelbar berühren, zu deren Bewältigung und sachgrechter Ordnung aber weithin klare Vorstellungen, Beurteilungsmuster und -maßstäbe fehlen. Als ein Beispiel davon nenne ich jetzt nur die Ost–Erweiterung der EG. Weithin ist sie bei uns bislang kaum zu Bewußtsein gekommen. Jedoch hängt von deren Gelingen unendlich viel für die gemeinsame Zukunft aller Länder und Völker Europas ab. Sie ist eine in den letzten 200 Jahren noch nie dagewesene Chance, zu dauerhaft friedlichem Neben- und Miteinander in Europa zu gelangen und kann uns allen nur Vorteile bringen – wenn wir nur wollen und diese Gelegenheit nutzen.

Woran können, sollen, werden wir uns in diesen und vielen anderen Fragen orientieren im neuen Jahr?

Das geschlagene und gedemütigte Israel bekommt vom Propheten gesagt: „Steh auf! Dein Licht kommt.“ Das ist kein billiges Schulterklopfen, und ihm wird auch nicht einfach gesagt: Ärmel aufkrempeln und zupacken, es wird schon gehen. Nein, so klingen diese Sätze nicht. Eher freundlich und liebevoll werden die Leute bei der Hand genommen: Kommt, steht auf, die Nach ist vorbei, es wird hell. Gott kommt, Gott, der selber das Licht ist. Sein Licht strahlt so weit aus, daß nicht nur ihr es sehen werdet, sondern auch all die Völker um euch herum werden es sehen. Und sie machen sich auf und ziehen hin zu diesem Licht, ziehen gen Jerusalem, zum Zion, wo Gottes Herrlichkeit auftsrahlt, und bringen zu ihm den Reichtum der Welt. Dieser Glanz, liebe Gemeinde, strahlt weiter bis zu uns hin.

Wir Christen glauben: in Jesus Christus sehen wir Gottes Herrlichkeit unter uns: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ So beschreibt das der Evangelist Johannes.

Durch und in Jesus Christus gehören wir zu den Völkern, die zu dem strahlenden Licht von Gottes Herrlichkeit ziehen. Durch unsere christliche Kirche und in unserer Kirche kommen viele Menschen zu Gott, zu seinem Licht, das ihren Weg erhellt und ihnen Orientierung, Maßstäbe bietet.

Wir feiern heute, am 6. Januar, das Epiphaniasfest, das Fest der Erscheinung des Herrn. In Baden–Württemberg, Bayern und Sachsen–Anhalt ist dieser Tag gesetzlicher Feiertag, in allen anderen Bundesländern ein gewöhnlicher Kalendertag. Das war einmal anders. Die Älteren unter uns kennen das vielleicht noch. Dieser Umstand läßt uns ahnen, daß sich da etwas verändert hat während der vergangenen fünfzig Jahre: was einst ein Festtag war, ist zum Alltag geworden.

In den beiden ersten christlichen Jahrhunderten war es gerade umgekehrt. Die frühe Christenheit kannte Weihnachten, das heutzutage wohl das bekannteste christliche Fest ist, überhaupt nicht. Zwar feierte man seit dem 3. Jahrhundert in Ägypten am 6. Januar die Geburt und die Taufe Jesu, und daraus wurde in einigen Gebieten des Abendlandes das Fest der Erscheinung Christi, eben das Epiphaniasfest. Wir begehen es heute noch, so weit es möglich ist, wohingegen es in der orhodoxen Christenheit zum eigentlichen Weihnachtsfest geworden ist. Erst allmählich, etwa hundert Jahre später, begann man in Rom, den 25. Dezember als Geburtsfest Christi zu feiern. Allgemein verbindlich geworden ist der Termin des Christfestes noch viel später, nämlich unter dem römischen Kaiser Justin II. (565–578).

Übrigens taucht das Wort „Weihnachten“ in der deutschen Sprache erst seit 1544 auf. Bis dahin sprach man nur von „Christnacht“ und „Christtag“ und vom heiligen „Christfest“ und noch später dann schließlich auch vom „Heiligen Abend“, dem Vorabend des Christfestes. Inzwischen ist der Heilige Abend am 24. Dezember für viele fast zum Inbegriff von Weihnachten geworden, vor dem die eigentlichen Weihnachtsfesttage und auch das Epiphaniasfest in die zweite und dritte Reihe rücken. Das sind also beträchtliche Wandlungen eines Festes und zugleich Wandlungen der christlichen Sitten und Gebräuche. Sind es Wandlungen auch unseres christlichen Glaubens? Sicherlich ist unser christlicher Glaube davon nicht unberührt geblieben. Wir setzen seine Schwerpunkte anders als vor 1800 oder 1400 Jahren und auch anders als in der Reformationszeit vor 450 Jahren. Geblieben ist uns aber die Überzeugung: in Jesus Christus ist Gottes Herrlichkeit, ist sein Licht unter uns erschienen und vertreibt unsere Finsternis. Das ist das Thema des Epiphaniastages.

Am Schluß bleibt die Frage: ist unter uns, ist in unserer Gemeinde, in unserer Kirche etwas von dem wunderbaren Licht Gottes zu erkennen, so daß Menschen sich davon angezogen fühlen, alte wie junge Leute, und kommen und mitfeiern und ihres Lebens froh werden?

Wir haben nicht viel vorzuweisen. Wenn wir mitziehen wollen zum Zion im Strom der Völker, wie der Prophet ihn in seiner Vision beschreibt, Völker, die schwerbepackt Gott ihre Gaben darbringen, dann sind unsere Hände beinahe leer. Vor Gott haben wir nicht viel vorzuweisen. Wenn wir rückblickend erkennen, wie unsere Vorväter im Glauben im Laufe der Geschichte mit Israel umgegangen sind, mit den Juden, aber auch mit anderen Völkern, wieviel Leid Christen ihnen zugefügt und gerade nicht Freude gemacht haben, dann können wir heute nur voller Scham und Trauer sagen: das Licht, das von Zion ausging, wollten sie nicht sehen. Sie sahen auf das eigene Licht und verdunkelten Gottes Herrlichkeit.

Umso dringlicher ist deshalb heute zu fragen:

  • Was können wir dazu beitragen, daß Frieden wird in Palästina, daß Araber und Israelis dort friedlich miteinander leben können, daß Jerusalem die Stadt Gottes sein kann, zu der die Völker ziehen?
  • Was können wir dazu beitragen, daß wir auch hierzulande in Frieden miteinander leben, daß wir uns gegenseitig achten trotz oft sehr unterschiedlicher Herkunft, Geschichte, Sitte, Tradition, Hautfarbe, Geschlecht? Unterschiede zwischen den Menschen gibt es im eigenen Land seit jeher schon in großer Fülle, zwischen Nord und Süd, Ost und West, nicht nur in der Sprache, sondern auch im Denken, in Lebensart und -stil. Unterschiede und Spannungen existieren seit jeher zwischen Nachbarorten, verschiedenen Stadtvierteln und auch von Haus zu Haus, Familie zu Familie. Wie können wir uns trotzdem gegenseitig gelten lassen und in Frieden miteinander auskommen?
  • Was können wir dazu beitragen, daß Menschen herausfinden aus der Finsternis ihres Lebens, daß es hell wird für sie, daß sie wieder zuversichtlich nach vorn schauen?
  • Was können wir dazu beitragen, daß Menschen Orientierung finden, Maßstäbe erkennen und beachten, wenn sie dabei sind, wissenschaftliches Neuland zu erforschen und der Menschheit dienlich zu machen? Welche Irrwege müssen wir benennen, was dürfen wir nicht zulassen, obwohl es machbar wäre?

Sie sehen, liebe Gemeinde, das sind gewichtige Fragen, die fast all unsere Lebensbereiche in den Blick nehmen, Fragen, auf die wir als einzelne oftmals gar keine deutliche Antwort geben können. Und doch dürfen sie uns nicht gleichgültig sein, sondern verlangen auch nach unserem persönlichen Beitrag zu den Antworten. Es ist richtig: Auf der einen Seite kommen wir mit leeren Händen. In Wahrheit jedoch sind unsere Hände gefüllt mit all dem, was Gott uns da hineingelegt hat, mit seinem Licht, mit seiner Herrlichkeit, mit seinem Sohn Jesus Christus. Unser Glaube ist es, der unseren Mut und unsere Hoffnung weckt, und den sollen wir weitergeben an Menschen, die sich in der Finsternis fühlen. Unser Glaube gibt uns Maßstäbe an die Hand, an denen wir unsere fälligen Entscheidungen ausrichten können: ob sie nicht nur einem Menschen dienen, sondern allen, ob sie die Würde des einzelnen achten, das Recht respektieren, ob sie Hoffnung und Liebe unter uns den Weg bahnen, ob Gottes Wille verwirklicht wird.

Liebe Gemeinde, lassen Sie uns so also zuversichtlich und getrost von Epiphanias aus in das neue Jahr hineingehen: „Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker, aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“

Amen.

Anmerkungen

Der exegetische Befund zeigt: die Abgrenzung der Predigtperikope auf die Verse 1–6 ist unsachgemäß. Mindestens die Verse 1-9.13–16, besser das ganze Kapitel, müssen einer Predigt zugrunde gelegt werden bzw. bei deren Erarbeitung im Blick sein.

Bei meiner Auslegung bleiben dennoch die ersten Verse im Vordergrund, weil sie bekannt und einprägsam sind, auch wenn ich versucht habe, den historischen Kontext anzudeuten und ihn bei der Vergegenwärtigung des Textes einzubeziehen, z. B. bei der Frage des (legitimen?) Adressaten.

Nicht eingegangen bin ich auf „Heilig Drei König“ und alles, was mit diesem Bereich der Volksfrömmigkeit zu tun hat bzw. in Verbindung steht. Im Moment sehe ich nicht, wie ich die sachliche Information dazu und deren Bewertung wie zweifellos vorhandene geistliche Momente auch noch in meiner Predigt hätte unterbringen sollen. Wir sind in Norddeutschland aus gutem Grund evangelisch und haben deshalb mit dem Proprium von Epiphanias bzw. von Jes. 60 genug zu sagen.

Hans-Gottlieb Wesenick, Göttingen
E-Mail: H.-G.Wesenick@t-online.de


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