Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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Heiliger Abend - Christvesper, 24. Dezember 2000
Predigt über Johannes 7,28-29, verfaßt von Jürgen Berghaus

„ Woher Christus kommt “

Jesus aber, der gerade im Tempel lehrte, rief mit lauter Stimme : „Wißt ihr wirklich, wer ich bin und woher ich komme ? Ich bin nicht im eigenen Auftrag gekommen. Aber der, der mich gesandt hat, ist glaubwürdig. Und den kennt ihr nicht. Ich kenne ihn; denn ich komme von ihm, und er hat mich gesandt.“

Liebe Gemeinde !

„Ich komm, weiß nicht woher. Ich geh, weiß nicht wohin. Mich wundert, daß ich fröhlich bin.“ Diese Zeilen eines mittelalterlichen Liederdichters sind mir eingefallen, als ich mich erstmalig mit dem für die heutige Christvesper vorgeschlagenen Predigttext befaßte. Bei aller Liebe zum Johannesevangelium : Jene hoch-philosophischen Sätze des erwachsenen Jesus, gesprochen im scharfen Streit mit Glaubensgegnern - die sollen uns hier vor der Krippe und vor dem neu geschmückten Tannenbaum zur Besinnung auf das Wunder der Weihnacht verhelfen ? Wie soll das angehen, wo doch kein einziges Wort von der Geburt Christi fällt - ganz zu schweigen von Engeln, Hirten, Schafen, Maria und Joseph und was für uns sonst noch alles dazugehört . . .

Andererseits haben sich die schlauen Leute, die vor einigen Jahren erst sämtliche Predigttexte neu sortierten, ganz bestimmt eine Menge dabei gadacht, gerade Johannes 7 für eine Christvesper vorzuschlagen. Ich will versuchen, unsere beiden Bibelverse auf die Weihnachtsbotschaft hin abzuklopfen; und damit lade ich Sie alle ein, sich jetzt für ein paar Minuten von der vertrauten Weihnachtsatmosphäre loszulösen, um dann hinterher vielleicht mit ganz neuen Einsichten dorthin zurückzukehren. Meine Predigt will uns dazu verhelfen, indem sie sich einleitend auf unsere Herkunft besinnt und was sie für uns bedeutet; danach sollen die zwei Betrachtungsweisen der Geschichte Jesu einander gegenübergestellt werden; und den Schluß bildet eine kurze Anleitung zur Freude.

1.) Unsere Herkunft - und was sie uns bedeutet

„Ich komm (...)“ : Entspricht diese mittelalterliche Liedstrophe eigentlich auch unserem Empfinden im ausgehenden 20. Jahrhundert ? Oder können wir nicht vielmehr sehr genau angeben, wo wir herkommen : die einen aus dem Rheinland, die anderen vor allem aus dem Osten : aus Ost- und Westpreußen, Pommern, Schlesien, Siebenbürgen, Kasachstan und wie die Regionen alle heißen, aus deren Menschen sich unsere Gemeinde hier zusammensetzt. Ich erlebe oft bei meinen Besuchen, daß die alte Heimat einem immer noch viel bedeutet, selbst wenn sie teilweise schon vor Jahrzehnten verlassen wurde.

Auch über unsere persönlichen Prägungen wissen wir manches zu sagen : Was wir gelernt und erfahren haben von Eltern, Lehrern, Verwandten und Freunden - sie alle nahmen Einfluß auf meine Ent-wicklung, und ohne meine guten und schlechten Erfahrungen mit solchen mich prägenden Menschen wäre ich nicht, was ich heute bin. Ja, l.G., unsere Herkunft aus einer ganz bestimmten Region dieser Welt und unsere Prägung durch bestimmte Menschen - dies alles macht uns zu unverwechselbaren Einzelwesen, zu Zeitgenossen mit liebenswerten und unangenehmen Eigenschaften - und als so einzig-artige Geschöpfe Gottes finden wir uns alle hier zum Weihnachtsgottesdienst ein; mit den unter-schiedlichsten Wünschen und Hoffnungen an den Verlauf dieser Christvesper. Was wird nun werden?

2.) Die beiden Betrachtungsweisen der Geschichte Jesu

Auf einem großen Fest in Jerusalem steht Jesus im Tempel und lehrt die Menschen mit Vollmacht. „Wer ist denn das ?“ so raunen sie sich zu. Jesus antwortet mit den Sätzen, die unseren Predigttext bilden : ((Predigttext erneut verlesen.))

Hier prallen zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen Jesu aufeinander. Man kennt ihn als Sohn eines Zimmermanns aus Nazareth - wir dürfen ergänzen : als wunderbar gezeugtes Kind der Maria, geboren im ärmlichen Stall von Bethlehem. Jesus, der Jude; Jesus, der Mensch wie du und ich; Jesus, dem das Elend der Welt von Anfang an vertraut ist. Das ist die eine mögliche Antwort auf die Frage, woher Christus kommt; und das ist wohl mehrheitlich auch unsere Sichtweise am heutigen Heiligen Abend.

Der Predigttext aber will davon im Grunde genommen gar nichts wissen. In Johannes 7 weist Jesus gewissermaßen mit dem Finger nach oben und weg von sich : „Der mich gesandt hat, ist glaubwürdig; und ich komme von ihm - von Gott, den ihr nicht kennt !“ In diesen Worten liegt das Schwergewicht jener Christusrede, mit diesen Worten will er unser Herz erreichen. Ist Gott wirklich so, wie wir ihn uns vorstellen - so lieb und nett, so schützend und bewahrend, so grausam und unfaßbar ? Oder ist Gott nicht vielmehr der ganz Andere, immer im Gegenüber zu uns, niemals für unsere Zwecke zu verein-nahmen ? Gott, ein Fremder ! Und das an Weihnachten ?

3.) Eine Anleitung zum Freuen

„Ich komm, weiß wohl, woher. Ich geh, weiß wohl wohin. Mich wundert, daß ich traurig bin.“ So hat Martin Luther die Zeilen jenes Dichters aus dem Mittelalter umgewandelt. Wenn wir dies hören und unseren Predigttext aus Johannes 7 hinzunehmen, dann werden wir zur Freude angestiftet, dann kann und darf unsere Traurigkeit gerade heute nicht das letzte Wort behalten.

Es ist wie bei der Weihnachtspost : Da kommt ein Paket an von Freunden weither, und mit dieser Sendung sind auch sie selbst, die Fernen, mir ganz nah. Oder ich schreibe eine Weihnachtskarte und sehe im Geiste die Gesichtszüge des Empfängers beim Lesen meiner Botschaft. Ja, lieber Freund, für dich ganz persönlich ist das, was da ankommt; du bist der Empfänger, gerade du unter all den vielen anderen - für dich wurde mein Geschenk, wurde meine Weihnachtskarte auf den Weg geschickt.

Freude entsteht aus dem Unbekannten und aus dem Unvermuteten. Ich reiße die Augen weit auf : „Das alles soll für mich sein ?“ Freude überrascht mich, beschenkt mich. Unverdient und unerwartet wird mir da etwas zuteil - und ich darf es annehmen, ohne irgendwelche Hintergedanken oder Nebenabsichten befürchten zu müssen.

Ja, ich will mich freuen. Weihnachten soll es werden, auch bei mir. Das Kind in der Krippe will die Traurigen trösten, den Einsamen beistehen, die Kranken heilen, Hungrige speisen, die Satten mahnen und alle Menschen guten Willens vereinen. Weihnachten soll mir zum Fest der Freude und des Friedens werden !

Das ist es, l.G. was heute geschehen kann und geschehen soll. Macht euch keine Unruhe über den Ablauf des Festes in der Familie oder ganz allein zuhause. Freut euch, denn jetzt wißt ihr, woher Christus kommt - in unserem Predigttext aus Johannes 7 sagt er es selber : „Ich komme von Gott !“ Gottes Geschenk, die Gnadengabe unseres Schöpfers - hier bei uns in Manfort ist sie angekommen. Jetzt müssen wir uns nicht mehr mühen und plagen, jetzt haben wir alles, was wir für unser Leben brauchen. Von Gott gesandt - als Mensch geboren. ((Mit Hand von oben nach unten zeigen. )) Hier ist der Ort, wo Himmel und Erde einander begegnen; hier darf ich Mensch sein - und dennoch ist Gott ganz nah bei mir.

Das Wunder der Weihnacht : von Gott abgeschickt, bei uns angekommen. Nehmen wir es mit hinein in unser Leben - als ein Geschenk, über das wir uns immer wieder neu freuen dürfen. Amen.

Pfarrer Jürgen Berghaus
51377 Leverkusen-Manfort
Scharnhorststraße 38
Tel./Fax : 0214 - 8707091
www.ekirlev.de/gemeinde/manfort


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