Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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Buß- und Bettag, 22. November 2000
Meditationsgottesdienst am Abend über die zehn Gebote in Gebetsform
von Dorothea Zager

ABENDGOTTESDIENST AM BUSS- UND BETTAG
Meditationsgottesdienst mit Abendmahl
Liturgische Farbe: violett
Wochenspruch: Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben. (Spr 14,34)
ORGELVORSPIEL
EINGANGSLIED
EG 144,1+6: Aus tiefer Not lasst uns zu Gott
EINGANGSVOTUM
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
GEM.: Amen.
EINGANGSSPRUCH
Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.
Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.
(1. Joh 1,8.9)
Kommt, lasst uns loben und anbeten!
GEM.: Ehr sei dem Vater und dem Sohn ...
KOLLEKTENGEBET
Wir wollen beten.
Herr, unser Gott, du willst in unseren Herzen wohnen, behutsam und in aller Stille. Aber wir machen soviel Lärm und Hektik, daß wir dich gar nicht bemerken. Du willst kommen und in unserer Mitte sein, aber wir geben dir nur einen kleinen Platz am Rand.
Wir danken Dir, dass Du uns heute Abend eingeladen hast in Dein Haus. Du willst uns Stille schenken und Einkehr.
Hilf uns, dass wir diese Zeit und diese Stille nutzen und uns neu auf den Weg begeben zu Dir.
GEM.: Amen.
SCHRIFTLESUNG
Von der engen Pforte und der verschlossenen Tür (Lk 13,22-27)
Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja!
GEM.: Halleluja!

GLAUBENSBEKENNTNIS
WOCHENLIED
EG 146,1+2: Nimm von uns, Herr, du treuer Gott
MEDITATION: DIE ZEHN GROßEN FREIHEITEN
nach Ernst Lange – Gedanken über die zehn Geboten
Auf die Frage, was das Christentum sei, antwortete ein Junge:
„Christentum ist das, was man nicht darf.“ So denken viele.
Und wenn man sie nach dem Grund für diese merkwürdige Ansicht fragt, reden sie von den Zehn Geboten:
Da heißt es doch immer Du sollst nicht !
Was für ein ungeheuerliches Missverständnis!
Gott ist kein Zwingherr, sondern der Befreier.
Er befreite sein Volk Israel aus der Knechtschaft in Ägypten.
Dann führte er es zum Berg Sinai.
Und vom Berg Sinai aus machte er ihm klar, wie groß die Freiheit ist, die man mit Gott hat.
Er machte ihnen das klar in zehn Sätzen.
Acht von diesen zehn Sätzen beginnen mit: Du wirst nicht...
Zwei beginnen mit: Du wirst...
Keiner beginnt mit: Es ist verboten...
Sondern alle fangen an : Ich, Gott, und du, Mensch, wir gehören jetzt zusammen. Und wenn wir zusammenbleiben, dann wird dein Leben folgendermaßen aussehen: Du wirst keine anderen Götter haben.
Du wirst meinen Namen Ehre machen.
Dur wirst dich nicht zu Tode hetzen.
Dur wirst in deiner Familie ein menschliches Leben finden.
Die Zehn Gebote sind die zehn Artikel der großen Freiheit, die Gott schenkt.
Lassen Sie uns gemeinsam über die 10 Gebote der Freiheit nachdenken, mit einander beten, unsere Schuld vor Gott bekennen. Zwischen den einzelnen Geboten wollen wir jeweils einen Vers des Kyriegesangs 178.9 miteinander singen.
Kyriegesang EG 178.9

1. Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott:
du sollst keine anderen Götter haben!
Du wolltest, daß ich frei bin, Herr.
Aber ich habe die Freiheit vertan,
die du mir gegeben hast.
Es gab immer etwas, dem ich mehr zutraute als dir:
meiner eigenen Kraft
oder dem Einfluss anderer Menschen,
dem Geld, den Sternen oder der öffentlichen Meinung.
Nun bin ich ein Sklave meiner eigenen Angst
und Begierde geworden
und lebe unter Menschen, denen es genauso geht.
und die Sklaverei wird immer schlimmer!
Wir haben es verdient, Herr,
daß du uns in unserer Unfreiheit verkommen lässt
und daß wir dich für immer verlieren.
Wir können uns nicht selbst helfen, Herr,
sei doch barmherzig,
und lass uns wieder frei sein!
Kyriegesang EG 178.9

2. Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott:
du sollst meinen Namen nicht mißbrauchen!
Du wolltest, daß ich Vertrauen habe, Herr.
Aber ich habe die Freundschaft mißbraucht,
die du mir geschenkt hast.
Da war immer die Versuchung, dich in meine Gewalt
zu bekommen:
dich zu bestechen mit frommen Leistungen,
deinen Namen im Mund zu führen,
auch wenn das Herz leer war,
dich zu benutzen, um den Menschen Eindruck zu machen.
Nun ist mir, als müsste ich entweder bewusst weiterheucheln
oder dich ganz aus meinem Herzen reißen;
und ich lebe unter Menschen, denen es genauso geht.
Und der Riss zwischen Reden und Tun wird immer größer!
Wir haben es verdient, Herr,
daß du uns in unserer Gotteslästerung verkommen lässt
und daß wir dich für immer verlieren.
Wir können uns nicht selbst helfen, Herr,
sei doch barmherzig,
und lass uns wieder wie deine Freunde leben.
Kyriegesang EG 178.9

3. Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott:
du sollst den Feiertag heiligen!
Du wolltest, daß ich sorglos lebe, Herr.
Aber ich habe den Zusagen nicht getraut,
die du mir gemacht hast.
Da war immer die Angst, ich könnte etwas versäumen:
versagen bei der Arbeit,
zu kurz kommen beim Vergnügen,
von meinem Leben nichts habe.
Nun kann ich einfach nicht mehr zur Ruhe kommen
und lebe unter Menschen, denen es genauso geht.
Die Hetze wird immer mörderischer!
Wir haben es verdient, Herr,
daß du uns in unserer Ruhelosigkeit verkommen läßt
und daß wir dich für immer verlieren.
Wir können uns nicht selbst helfen, Herr,
sei doch barmherzig,
und lass uns wieder Stille finden vor dir.
Kyriegesang EG 178.9

4. Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott:
du sollst Vater und Mutter ehren!
Du wolltest, daß ich ein wirklicher Mensch werde, Herr.
Aber ich habe die gute Ordnung zerstört,
die du geschaffen hast.
Da war immer die Sorge, ich könnte mich selbst verlieren:
vergewaltigt werden von meiner Familie,
ersticken im Sumpf dessen, was früher galt,
und nie ein selbständiger Mensch sein.
Nun bin ich wie Treibsand in der Wüste,
ohne Wurzel und Halt,
leichte Beute der Mode, Reklame, der Propaganda.
Und meinen Mitmenschen geht es genauso.
Die Unordnung wird immer verheerender!
Wir haben es verdient, Herr,
daß du uns in unserer Wurzellosigkeit verkommen lässt
und daß wir dich für immer verlieren.
Wir können uns nicht selbst helfen, Herr,
sei doch barmherzig,
und lass uns wieder in Liebe zusammen leben.
Kyriegesang EG 178.9

5. Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott:
du sollst nicht töten!
Du wolltest, daß ich für meinen Nächsten da bin, Herr.
Aber ich bin ein einen heillosen Konkurrenzkampf
mit meinen Mitmenschen geraten.
Da war immer das Misstrauen,
andere könnten mir zuvorkommen:
mich übervorteilen,
mir meine Chancen verderben,
meinen Lebenserfolg zunichte machen.
Nun kann ich einfach keinen Frieden mehr halten,
und ich lebe unter Menschen, denen es genauso geht.
Der Kampf aller gegen alle wird immer mörderischer!
Wir haben es verdient, Herr,
daß du uns in Hass und Misstrauen umkommen lässt
und daß wir dich für immer verlieren.
Wir können uns nicht selbst helfen, Herr,
sei doch barmherzig,
und lass uns wieder in Frieden zusammen leben.
Kyriegesang EG 178.9

6. Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott:
du sollst nicht ehebrechen!
Du wolltest, daß Mann und Frau einander leben helfen, Herr.
Aber ich bin nicht gut umgegangen mit den Kräften der Liebe,
die du in mich gelegt hast.
Da war immer der Drang,
auf eigene Faust Befriedigung zu suchen:
die Freude vorwegzunehmen,
die Liebe zum „Geschlechtsverkehr“
und den Partner zur Sache herabzuwürdigen.
Nun habe ich die Herrschaft über meine Gedanken
Und Wünsche verloren,
und ich lebe unter Menschen, denen es genauso geht.
Die Freudlosigkeit wird immer ärger!
Wir haben es verdient, Herr,
daß du uns in unserer verdorbenen Liebe verkommen lässt
und daß wir dich für immer verlieren.
Wir können uns nicht selbst helfen, Herr
Sei doch barmherzig,
und lass uns wieder in Treue zusammen leben!
Kyriegesang EG 178.9

7. Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott:
du sollst nicht stehlen!
Du wolltest, daß ich zufrieden leben kann, Herr.
Aber mir waren die Gaben nicht genug,
die du mir anvertraut hast.
Da war immer etwas, das ich noch dazu haben wollte:
Vom Besitz der anderen,
vom Erfolg der anderen,
von der Freude der anderen.
Nun ist mein Gewissen allzu weit geworden,
und ich lebe unter Menschen, denen es genauso geht.
Die Ungerechtigkeit unter uns wird immer hässlicher.
Wir haben es verdient, Herr,
daß wir in unserer Ungenügsamkeit verkommen
und dich für immer verlieren.
Wir können uns nicht selbst helfen, Herr,
sei doch barmherzig,
und lass uns das Hergeben wieder lernen.
Kyriegesang EG 178.9

8. Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott:
du sollst nicht lügen!
Du wolltest, daß ich in Wahrhaftigkeit lebe, Herr.
Aber ich habe mutwillig die Brücken zerstört
zwischen mir und Meinen Mitmenschen.
Da war immer ein Grund für eine ganze oder halbe Lüge:
meine Bequemlichkeit,
der Blick auf die anderen, die es grade so machen,
der Mangel an Mut, meine Fehler zuzugeben.
Nun ist mir die Unwahrhaftigkeit
schon zur Gewohnheit geworden,
und ich lebe unter Menschen, denen es genauso geht.
Das Misstrauen zwischen uns wird immer unüberwindlicher.
Wir haben es verdient, Herr,
daß du uns in unserer Verlogenheit verkommen lässt
und daß wir dich für immer verlieren.
Wir können uns nicht selbst helfen, Herr,
sei doch barmherzig,
und lass uns wieder Vertrauen zueinander gewinnen.
Kyriegesang EG 178.9

9. und 10. Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott:
du sollst nicht neidisch sein!
Du wolltest, daß ich froh bin, Herr.
Aber ich habe mir die Lebensfreude selbst zerstört
durch das Schielen nach den anderen.
Da war immer ein Anlass, mich ungerecht behandelt zu fühlen:
dieser war reicher als ich,
jener war beliebter als ich,
der dritte war besser als ich.
Nun ist mir der neidische Blick auf die anderen
zur zweiten Natur geworden,
und ich lebe unter Menschen, denen es ebenso geht.
Die Unzufriedenheit wird immer größer.
Wir haben es verdient, Herr,
daß du uns in unserer Kleinlichkeit verkommen lässt
und daß wir dich für immer verlieren.
Wir können uns nicht selbst helfen, Herr,
sei doch barmherzig,
und zeig uns das Geheimnis der Genügsamkeit!
Kyriegesang EG 178.9

SÜNDENBEKENNTNIS
Lassen Sie uns gemeinsam beten:
EG 794
Herr, erbarme Dich!
Christe, erbarme Dich!
Herr, erbarm Dich über uns!
BEICHTFRAGE
BEICHTANTWORT
ABSOLUTION
Im Namen Jesu spreche ich euch frei.
Die Schuld ist vergeben,
das Dunkel durchbrochen,
Gott hat begonnen, alles zum Guten zu werden.
Von neuem dürfen wir wagen,
als Kinder Gottes zu leben,
einander zu vertrauen,
Lasten zu tragen
und Hoffnung und Freude in der Welt zu stärken.

Christus spricht:
Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. (Joh 14,27)
LIED VOR DEM ABENDMAHL
EG 146,3+4: Gedenk an deines Sohnes Tod
ABENDMAHLSLITURGIE
PFARRERIN: Der Herr sei mit Euch!
GEM.: Und mit Deinem Geiste.
PFARRERIN: Erhebet eure Herzen!
GEM.: Wir erheben sie zum Herren.
PFARRERIN: Lasset uns danksagen dem Herren, unserm Gotte!
GEM.: Das ist würdig und recht.
PRÄFATION
Es ist wahrhaft würdig und recht, daß wir Dir lobsingen und Dich preisen, Vater im Himmel. Seit Menschengedenken begleitest Du uns Menschen durch die Zeit. Erlebst immer wieder, wie wir uns von dir abwenden und eigene Wege gehen. Aber Du lässt uns nicht fallen. Immer wieder rufst Du uns zur Umkehr. Immer wieder schenkst Du uns Barmherzigkeit. Wir danken Dir für Deine Geduld. Darum preisen und loben wir dich und stimmen ein mit der ganzen Kreatur in den Lobgesang deiner Herrlichkeit:
GEM.: Sanctus
EINSETZUNGSWORTE
VATERUNSER
GEM.: Agnus Dei
EINLADUNG
AUSTEILUNG
DANKGEBET
Lieber himmlischer Vater, es macht uns froh, daß du uns einen neuen Anfang geschenkt hast. Wir sind voller Dank für Deine Liebe, die uns unsere Schuld nicht nachträgt, sondern vergibt. Bitte hilf uns, daß diese Erfahrung in unser Leben hineinwirkt. Lass sie ausstrahlen in unser Verhältnis zu den Mitmenschen, damit wir anderen so begegnen, wie Du uns begegnet bist in Jesus Christus deinem Sohn, unseren Herrn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.

FÜRBITTENGEBET
(„Liturgieentwürfe für den Gottesdienst“, S. II 65/3)

SCHLUSSLIED
EG 482,1+4+7 Der Mond ist aufgegangen

SEGEN
Geht hin unter dem Segen des Herrn:
Der Herr segne Euch und behüte Euch.
Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über Euch und sei Euch gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht über Euch und gebe Euch Frieden +.
(Amen.)
GEM.: Amen.

ORGELNACHSPIEL

Die zehn großen Freiheiten
(Ernst Lange)

Du brauchst keine Angst zu haben!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Helfer sein.

Du brauchst dir nichts einreden zu lassen!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Lehrer sein.

Du brauchst mich nicht zu zwingen, dir zu helfen!
Ich, der allmächtige Gott, bin ganz freiwillig dein Freund.

Du brauchst dich nicht zu Tode hetzen!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Meister sein.

Du brauchst nicht in ständiger Auflehnung zu leben!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Vater im Himmel sein.

Du brauchst die anderen nicht als Konkurrenten zu behandeln!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Beschützer sein.

Du brauchst dich nicht „auszutoben“!
Ich, der allmächtige Gott, will der Stifter deines Glücks sein.

Du brauchst dich nicht unehrlich zu bereichern!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Versorger sein.

Du brauchst nicht von der Wahrheit abzuweichen!
Ich, der allmächtige Gott, habe Vertrauen zu dir.

Du brauchst nicht neidisch zu sein!
Ich, der allmächtige Gott bin der Geber guter Gaben für dich.
 
 

Dorothea Zager
E-Mail: DWZager@t-online.de


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