Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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Predigt zur Trauung
Psalm 46,2 f.

Ulrich Nembach

Trauspruch und Predigttext: Ps. 46,2f (In der Fassung der Einheitsübersetzung des Verlages des Katholischen Bibelwerkes und der Deutschen Bibelgesellschaft)

Liebes Brautpaar!
Liebe Eltern und Geschwister!
Liebe Gemeinde,

Küsten gehören zu unseren Wunschlandschaften. Erst gestern stiegen wieder Tausende in Frankfurt in die Flieger, um an Sonnenstrände zu gelangen. Dort angekommen locken Sand und Wellen. Markante Punkte sind die Leuchttürme. Am Tage locken sie, von hoher Warte einen Blick über Land und Meer zu werfen. Nachts faszinieren sie mit ihren Lichtkegeln. Darum verständlich, wenn eins der meist bekannten Fotos Deutschland ein Leuchtturm ist, der von Westerhever an Schleswig-Holsteins Westküste. Wer nicht selbst dort war, kennt das Foto aus der Werbung. Am Tage, bei schönem Wetter verhelfen Leuchttürme als lohnendes Ziel zu Ausflügen und manchen Eltern zu sinnvoller Beschäftigung der lieben Kleinen.

Leuchttürme steigern Urlaubsfreuden. Es ist wirklich spannend, übers Meer zu schauen und zu sehen, wie etwa nachts dort das Feuer eines Turms in weiß, dort in Grün aufblitzt und wieder verlöscht, je nach der Kennung des betreffenden Turms. Wer sich auskennt oder eine Seekarte zur Hand hat, weiß genau, dort liegt das Festland, oder dort liegt eine Insel, Föhr, Amrum, Sylt. Nicht immer sieht man so viele Leuchtfeuer wie im Wattenmeer Nordfrieslands. Der etwas südlicher gelegene von Westerhever steht etwas einsam da. Dafür ist er dort ein, ja, der markante Punkt zu Land und zu See.

Gebaut sind Leuchttürme aber nicht für die Tourismusindustrie, sondern als Helfer für die Seefahrt. Sie weisen Schiffen den Weg sicher zum Hafen. Das tun sie bei Sonnenschein und bei Regen, bei Tag und Nacht und bei Sturm, wenn die See kocht.

Eine Hochzeitsfeier gleicht so einem Leuchtturm. Sie ist eine Reise wert. Sie läßt frohe Laune aufkommen. Sie verlangt Vorbereitung, nicht alltägliche Vorbereitungen. Auf einen Leuchtturm steigt man nicht täglich, besonders nicht als Bewohner im Binnenland. Aber auch Küstenbewohner klettern nicht täglich hinauf. Die Technik nahm selbst Leuchtturmwärtern, das tägliche Treppensteigen ab.

Ein Hochzeitstag ist wie ein Leuchtturm. Beide, dieser Tag und dieses Bauwerk, wollen den Weg weisen. Die standesamtliche Eheschließung kann mit einem Hafen verglichen werden. Zwei laufen in den Hafen ein. Dort steigen sie auf ein größeres Schiff um. Dieses muß wie jedes Schiff hinaus auf die See. Das ist sein Leben. Dafür ist es gebaut. Also laufen die beiden mit ihrem Schiff aus. Hier draußen, wo Wind und Wellen regieren, das Schiff von dem Wasser getragen, vom Wind in seinem Lauf mindestens mitbestimmt wird, gewinnt der Leuchtturm seine Bedeutung. Er weist den Weg. Er zeigt das sichere Fahrwasser. Er ist willkommen bei Sonnenschein und bei Nacht. Er ist eine Hilfe, kann zum Lebensretter bei Sturm und Dunkelheit werden. Sein Licht leuchtet weit hinaus auf die See. Dieses Licht ist noch zu sehen, wenn längst alle anderen Lichter an Land nicht mehr zu erkennen sind.

Das Licht des Leuchtturms, seine „Kennung“, wie der Rhythmus des Aufleuchten und Verlöschens seines Lichts in der Sprache der Seefahrer heißt, prägt ihn, läßt ihn unverwechselbar werden. Die Kennung des Leuchtturms Hochzeitstag in der Kirche ist der Trauspruch, der auch der Text der Predigt ist.

Liebes Brautpaar, Sie haben sich als Trauspruch Verse aus den Psalmen ausgesucht. Sie lauten:
Gott ist uns Zuflucht und Stärke,
ein bewährter Helfer in allen Nöten.
Darum fürchten wir uns nicht,
wenn die Erde auch wankt,
wenn Berge stürzen in die Tiefe des Meeres.

Gott wird hier ein „Helfer“ genannt. An der Küste, wenn die steinernen Helfer, die Leuchttürme nicht mehr weiterhelfen, müssen die menschlichen Helfer hinaus. Sie werden besonders bei Sturm und schwerer See gebraucht. Und sie fahren hinaus. Früher fuhren sie mit offenen Booten, und oft mußten sie gegen das Meer anrudern. Sie ließen sich ihre Hilfe Mühe und Arbeit kosten. Dazu gehörten Mut, die eigene Angst zu überwinden. Dazu gehörten Intelligenz und technisches Know-how. Norweger erfanden in älteren Zeiten einen Bootstyp, der sicher, schnell und gut zu segeln war. Neulich wurde ein Schiff nach alten Plänen, die gefunden wurden nachgebaut. Dieses Schiff geriet gleich auf seiner ersten Fahrt von Deutschland nach Norwegen in einen schweren Sturm. Aber das Schiff hielt. Ja, die Mannschaft war von der Sicherheit des Bootes, seiner Güte und seinen Segeleigenschaften beeindruckt. Billig waren diese Boote nicht. Sie mußten den Atlantikwellen vor Norwegens Küste trotzen. Heute haben Rettungsboote PS-starke Motoren. Hinaus müssen die Helfer noch immer. Sie fahren, wenn längst alle Feriensegler sicher im Hafen liegen. Sie müssen an Deck, oft mit dem kleinen Tochterboot übersetzen, um Menschen zu bergen. Das Boot tanzt, schlingert. Wellen, Brecher kommen über. Hubschrauber starten heute. Oft muß einer hinunter in die brüllende See, um Verletzten den rettenden Gurt umzulegen, damit Verletzter und Helfer an Bord gehievt werden können.

Die Helfer ihrerseits brauchen auch Helfer. Ein ganzer Stab ist an der Küste im Einsatz und das rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Und alle diese Helfer brauchen Hilfe für ihre Arbeit. So gibt es klare Regelungen für den Funkverkehr und zwar generell, für alle Tage im Jahr und weitere für die Zeit, da Hilfe notwendig ist. Blaulicht wie auf unseren Straßen reicht nicht aus.

Ja, und dann gibt es immer noch Situationen, da sind die menschlichen Helfer auch am Ende wie vorher schon die steinernen, die Leuchttürme. In diesen Fällen sagen wir: „Jetzt hilft nur noch beten“. Wir meinen, wir sind am Ende, nur Gott kann noch helfen. Diese Situation meint der Psalm, den Ihr Euch als Trauspruch ausgesucht habt.

Der Text sagt, daß Gott noch da ist, wenn sogar Berge ins Meer stürzen. Berge, der Inbegriff für Festigkeit, für Beständigkeit nicht nur im Binnenland, sondern auch an der Küste, wenn das Meer tobt: selbst diese Berge können schwach werden. Aber, ja aber, auch dann noch kann und will Gott helfen.

Es gibt eine Erzählung dazu aus der jüngeren Vergangenheit. Einer ist in Not und sieht vor seinem geistigen Auge, noch einmal sein Leben wie in einem Film ablaufen. Er sieht dabei sich und Gott am Strand entlang gehen. Dann erschrickt er, anstatt der zwei Spuren im Sand sieht er nur eine. Und das ist genau der Zeitpunkt, als er schon einmal in großer Not war. Er wendet sich an Gott, er macht ihm Vorwürfe, warum er ihn allein gelassen habe, gerade damals allein gelassen habe. Da antwortet Gott ruhig: Die eine Spur, das war damals, als ich dich getragen habe.

Ja, Gott ist ein anderer Helfer als wir. Das Wort „Helfer“ ist unzulänglich. Es geht mir jetzt so, wie es gelegentlich Journalisten ergeht. Sie kommen wohin, werden dahin geschickt, sollen berichten und sehen, erleben Dinge, die sie sonst nicht erleben, noch nie gesehen haben. Die Journalisten sagen dann. „Es ist unbeschreiblich“. Es fehlen ihnen die Worte, das, was sie sehen, was sie erleben, zu beschreiben. Luther erging es wohl genauso. Er durchlebte Tage, in denen es um die Reformation schlecht stand. Ein Krieg drohte. Da dachte Luther an den Psalm, aus dem Sie sich Verse als Trauspruch ausgesucht haben. Luther übersetzte den Psalm. Er wählte dafür die Form eines Liedes und dichtete. Er verwandt dafür ein Bild. Als Binnenländer dachte Luther nicht an einen Leuchtturm, aber auch an ein Bauwerk, an eins, das für Sicherheit steht. Eins dieser Bauwerke hatte ihm, Luther nur wenige Jahre vorher als Zuflucht gedient und das Leben gerettet. Luther dichtete. Es wurde eins seiner bekanntesten Lieder. Die Menschen verstanden Luther. Er übersetzte den Psalm mit den Worten:

Ein feste Burg ist unser Gott.

Amen.

Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach
Universität Göttingen
E-Mail: unembac@gwdg.de


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