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Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Predigtreihe "Texte und Gedanken zur Schöpfung", September 1999

 

Schöpfung - Genesis 1,1 - 2,4a
von Klaus Schwarzwäller

I.

Alljährlich werden hohe Millionenbeträge an öffentlichen Geldern verschleudert - ein Jahr um Jahr von den Rechnungshöfen veröffentlichter Skandal. Wenn dieses Geld für Sinnvolles verbraucht worden wäre, für das Gemeinwohl!

Zugleich gibt es einen Bereich, der Jahr um Jahr hohe Millionenbeträge an Steuermitteln verschlingt, ohne daß viel Nötiges oder Hilfreiches dabei herauskäme: Astronomie, Astrophysik und insgesamt die Wissenschaften, die nach der Herkunft von Leben, Materie und All forschen. Das neue Superteleskop in den Anden, der projektierte Teilchenbeschleuniger bei Hamburg, die ungezählten Elektronenmikroskope in den biologischen Laboratorien usf.: Die Kosten für alle diese Forschungen sind wahrhaft astronomisch. Ein Zyniker allerdings würde sagen, das brächte nachweislich Gewinn, nämlich - Kernwaffen, Raumsonden, genmanipulierte Lebensmittel, Bücher sowie Kongresse und Schlagzeilen...

Wen interessiert es, daß die Sonne in jeder Sekunde 4 Millionen Tonnen ihrer Masse verbrennt oder ins All schleudert? Wen interessiert die Anzahl von Galaxien, also von Milchstraßen, im All? Wen der ganze "Zoo" von subatomaren Ur-Teilchen nach dem Urknall? Dieses Wissen ließen wir uns nicht Millionen und Milliarden kosten, es wäre denn....

Es wäre denn, darin steckte etwas, das uns so wichtig ist, daß wir es uns jede Summe kosten lassen. So verhält es sich in der Tat - es ist schier mit Händen zu greifen, sieht man, was hier interessiert. Nämlich:
ob Leben sei im All - denn dann wären wir nicht allein,
ob und wie Leben spontan entsteht - denn dann können wir Gott streichen.
ob die kosmische Massenverteilung eine unendlich weitergehende Ausdehung des Alls erlaubt - denn dann muß kein Jüngster Tag befürchtet werden.
oder ob auch die Gene von Pflanzen und Tieren den unseren verwandt sind - denn dann haben wir Verwandte in der Welt, denen wir allerdings auf der Leiter der Entwicklung voraus sind. Und so immer weiter fort.

Kurzum, von dieser Forschung erwarten wir uns zuverlässige Antwort auf die Fragen unseres Lebens überhaupt: Woher stammen wir? Aus was für "Material" sind wir? Sind wir einzigartig? Woraufhin können und dürfen wir leben und handeln, wie wir leben und handeln? Ist unser Lebensraum sicher und die Zukunft gewiß? Insgesamt: Wer oder was sind wir? Nahezu jede Antwort wird akzeptiert, wenn es nur nicht heißt: "Gott"! Am Rande: Je emanzipierter wir sind, desto ausgedehnter diese Forschunung, und je radikaler wir den Himmel von Gott reinigen, umso mehr zersplittern die Antworten in eine Vielzahl bloßer Hypothesen. Komisch, nicht wahr - ?

Vielmehr: gar nicht komisch, sondern bezeichnend. Ohne Gott müssen wir uns selbst Grund und Ziel und Zusammenhang und Berechtigung unseres Seins und Lebens verschaffen. Hierbei geht es um unsere Grundlagen, also ist das grundlegend teuer. Und auch deswegen nicht komisch, weil es nicht möglich ist, sich die eigene Basis selber unter die Füße zu schieben. Das funktionierte nur bei Münchhausen, der sich selbst samt seinem Gaul am eigenen Schopf aus dem Sumpf zog...

Es ist teuer, auf Gott zu verzichten; es kostet Milliarden! Das ist kein Seitenhieb gegen diese Forschung (die mich persönlich bis zur Begeisterung fasziniert); es ist die Einsicht: Keine Forschung kann die Grundfragen unseres Menschseins lösen, keine Wissenschaft uns die Basis unseres Menschseins gewähren. Solange wir das nicht bedenken, müssen wir noch mehr in diese Forschung investieren, wird die Zukunft also entsprechend teuer. Oder aber wir sehen ein, daß nur Gott dieses Fundament unseres Menschseins legen kann, und folgen dieser Einsicht. Was aber heißt das?

II.

Das erste Kapitel der Bibel (es endet Kap.2, V.4a) gibt darauf Antwort. Es verarbeitet nicht nur das gesamte einschlägige Wissen der damaligen Zeit (6./5. Jahrhundert v.Chr.), sondern es ist überlegt und bedacht wie selten ein Buchkapitel. Es hat die Form eines Berichts. Sein erster Satz liest sich wie Überschrift und Zusammenfassung in einem:

AM ANFANG SCHUF GOTT HIMMEL UND ERDE.

Darin steckt etwas, was man nicht denken kann: Ein Anfang ohne irgendein "davor". Himmel und Erde gibt es und haben Bestand darum, weil Gott aus sich heraus einen Anfang setzte. Seither gibt es sie und mit ihnen die Zeit. Unsere Gedanken können nur bis zu diesem Anfang, nie jedoch vor ihn zurückgehen. Heißt: Es gibt somit keinen beweisbaren oder einsichtigen Grund dafür, daß es uns und die Erde und das All gibt. Es gibt uns und unsere Erde, die ganze Schöpfung und alle Zeit darum und darum allein, weil Gott es für gut und richtig hielt, Himmel und Erde und alles, was sie ausmacht, zu erschaffen. Und so haben Himmel und Erde, haben Pflanzen, Tiere und Menschen Bestand und Wesen darum und darum allein, weil Gott sie will - und solange Gott sie will.

Ja - und wenn er nicht will? Die Bibel weiß: "Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie [nämlich: die Geschöpfe]; du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie..." (Ps. 104,29) Und schwere Erdbeben nahezu Woche um Woche in der letzten Zeit mit ihren so schrecklichen Folgen brennen uns ins Bewußtsein: Daß wir festen Boden unter den Füßen haben, ist alles andere als selbstverständlich. Nein, unser Lebensraum ist nicht der Himmel; Gott zieht seinen Geschöpfen Grenzen, wie er insgesamt eine begrenzte raumzeitliche Welt schuf, in der somit nicht alles nach unserem Wohlgefallen abläuft. Vor und über allem aber weiß die Bibel: "Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist..., der Himmel, Erde, Meer und alles, was darinnen ist, gemacht hat, der Treue hält ewiglich..." (Ps. 146,5f) Der Boden kann schwanken - und er schwankt immer wieder. Sterne können erlöschen - die Astronomie beobachtet es. Die Biosphäre kann veröden - und wir tragen dazu bei... Doch Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, und er ist treu: "Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." (Joh. 3,16) Darum können wir als Menschen in unserer Welt und Zeit leben.

Darum sind wir auf unserer Erde im All behaust.
Darum ist unser Wesen als Menschen gesichert, selbst wenn wir entarten und viehisch werden.

Es besagt zugleich: Alles geht verloren, wenn wir Gott verlassen. Dann wird unser Leben fraglich und fragwürdig. Dann verlieren wir die Erde als Heimat. Dann gerät unsere Menschlichkeit in Gefahr, und wir fangen an, zu vertieren. - Blicken wir auf unser Jahrhundert, in dem unter uns Gott abgetan wurde.

Schöpfung heißt also: Wir, die Welt und das All, wir sind von Gottes Gnaden, weil er uns und die Welt und das All wollte und noch will. Darum, darum allein!. Gewiß, wir können uns selber verderben, uns auslöschen. Daß Gott uns wollte und will, hindert uns nicht an Mutwillen und Entartung.

III.

Der Schöpfungsbericht führt das weiter aus; dabei fesselt dreierlei die Aufmerksamkeit besonders.

1) Das eine ist die Erschaffung des Lichts vor den Sternen; die werden erst am vierten Schöpfungstag gemacht, und zwar als "Lampen", also als leuchtende Körper im All. Damit ist jede Vergottung von Gestirnen und alle Astrologie schroff ausgegrenzt. Vor allem sagt das: Das Licht, diese Grundvoraussetzung unseres Lebens und unserer Lebenswelt, stammt von Gott selber und ist von keiner Kreatur abhängig. Ein für uns revolutionärer Gedanke: Sonne, Mond und Sterne, sie bringen nicht das Licht, sondern sie müssen von Gottes wegen dem Licht dienen! Sie geben ihm seinen Rhythmus.

Es geht nicht um das, was ein heutiger Physiker oder Astronom hierin finden mag. Das ist jetzt der Punkt: Unter Gottes Wirksamkeit ist für Licht gesorgt. Wer schlaflose Nachtstunden, wer Korruption und Vertuschungen vor Augen hat, der weiß, was es heißt: Gott sorgt für Licht und scheidet das Licht von der Finsternis. Wo es nur nach Menschen geht, ob in Kirche oder Welt, da wächst Finsternis, auch wenn wir dem atomaren Winter bisher entgingen.

Gott ist treu. Seine Schöpfung hat Bestand.

2) Das Zweite ist der sechste Schöpfungstag. Den Verfassern des Schöpfungsberichts lag als Raster ein altorientalisches Acht-Tage-Schema vor, das sie auf sechs Tage verkürzten. Ich frage mich, wie ich dabei wohl verfahren wäre, besonders, ob ich diese Mischung aus Einsicht und Bescheidenheit aufgebracht hätte: daß Landtiere und ganz am Ende wir Menschen auf einen einzigen, den sechsten Schöpfungstag zusammen gepackt werden. Die Aussage ist deutlich: Tiere sind zu Tieren und Menschen zu Menschen geschaffen worden, und zwar in einem Zusammenhang. Heißt: Wir sind Menschen, weil wir's von Gottes wegen sein sollen, und er uns dazu geschaffen hat.

Die Evolution hin oder her, der Abstand zwischen Mensch und Tier sei groß oder klein - das ist gar nicht der Punkt, sondern: was uns von den Tieren, denen wir so nahe sind, unterscheidet, ist einzig der Wille Gottes. Der will uns als Menschen und die Tiere als Tiere - beide je in ihrer Art, Würde und Bestimmung. Punkt. Und also sollen wir von Gottes wegen Menschen sein - Menschen und nur Menschen, wirklich: Menschen.

Gott ist treu. Seine Schöpfung hat Bestand.

3) Das Dritte ist der siebente Tag: Gott ruht von seinem Schaffen. Zuvor hat er sein gesamtes Werk überblickt und festgestellt: "Sehr gut". Hieraufhin hält er göttliche Ruhe. Untätig ist er darin nicht: Er vollendet seine Schöpfung an diesem Tag, er segnet ihn, und er heiligt ihn.

Gott vollendet an diesem Tag sein Schöpfungswerk. Vergleichbares kennen wir aus dem Alltag: Entscheidend ist nicht, daß ein neues Haus fertig ist, sondern als fertig übergeben wird - wir wissen, was dieser Unterschied rechtlich besagt. Indem Gott sein Werk vollendet, hat er selber Bestand und Gültigkeit seiner Schöpfung ausdrücklich festgestellt. Gott hat damit seine Treue in seine Schöpfung gleichsam eingeschrieben. Also wie wir in ein Produkt eingeprägt finden: "Made in...", so steckt in jedem Teil und Teilchen der Schöpfung unsichtbar: "Von Gott in Treue geschaffen". Wenn die daran dächten, die weltweit die Wälder abholzen, Hühner in Legebatterien pferchen, Rohstoffe ausbeuten, Wehrpflichtige und Rentner wie Material behandeln... Wenn die daran dächten, ob sie es fertig brächten, weiterzumachen wie bisher? Und wir - ?

Gott segnet diesen Tag - ein uns denkbar fremder Gedanke -, sind doch, wie wir meinen, 24 Stunden = 24 Stunden. Wirklich? Da sind Geburtstag und Hochzeitstag und Todestag und... Da sind Tage voller Glück und Tage voller Unglück. Da sind Tage des Gelingens und Tage des Scheiterns. Vielleicht begreifen wir jetzt, was das heißt: Da ist ein von vornherein gesegneter Tag in der Schöpfung. So ist von Gottes wegen die Ordnung unserer Zeit. Indem Gott den siebenten Tag segnet, liegt Segen auf diesem Tag und auf seiner Bewahrung. Wir können uns dem entziehen - daß wir uns damit einer Segensordnung entziehen, läßt sich nicht beweisen und wird sicherlich weithin gar nicht bemerkt. Immerhin, es könnte sein, daß wir es irgendwie doch spüren, wenn wir uns aus diesem Segen herausziehen: Welt, Zeit und Geschichte werden zufällig und unser Lebensgefühl unsicher.

Gott heiligt diesen Tag. Er sondert ihn aus den normalen Zusammenhängen aus als speziell ihm gehörig und auf ihn hin ausgerichtet. Darf ich's mal ganz platt sagen? Das sind für uns böhmische Dörfer, und die kirchlichen Voten in der Diskussion um den verkaufsoffenen Sonntag bestätigen's. Ein von Gott geheiligter Tag - was das meint, überhaupt sein könnte, wir müssen uns hier herantasten wie die Erstkläßler ans ABC. Bei meinem eigenen Tasten stoße ich darauf: Dieser Tag als der Tag, an dem wir Woche um Woche (wie früher beim Bad am Samstagabend) den Alltag von uns schwemmen mit allem, was ihn ausmacht an Sorge und Plage, an Last und Leid - im Sinne des Psalms: "Dies ist der Tag, den der Herr macht! Laßt uns freuen und fröhlich darinnen sein!" (Ps. 118,24) Also als Tag der inneren und der leiblichen Erfrischung. Ein Tag, an dem wir allem, was uns quält und bedrückt, für 24 Stunden Abschied geben - gerade weil es bleibt und uns morgen wieder in Anspruch nimmt und wehtut. Ja! Doch dazwischen hatten wir Urlaub, indem wir uns an Gottes Segen erinnerten... - Wir fahren mit dem Marsmobil auf dem fernen Planeten. Doch wo es um Gottes Segen dieses Tages geht, da tasten wir wie die Blinden.

Gott ist treu. Seine Schöpfung hat Bestand.

Und sind wir den siebenten Tag als Tag des Herrn los, dann gibt es nur noch Alltag. Dann werden wir auf die Länge auch den Schöpfer vergessen und seine Treue und seine Liebe. Dann werden wir uns unsere Grundlagen selber verschaffen müssen. Dann werden die Wissenschaften Konjunktur haben, und wir angesichts der Fülle glänzender Forschungsergebnisse bitter buchstabieren müssen: "Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele?" (Mt. 16,26) Was hülfe es uns, wenn wir alles wüßten und hätten darüber hinaus nur noch - uns selbst?

IV.

Der Schöpfungsbericht ist keine fromme, altertümliche Weltentstehungstheorie. Sondern er stellt die Basis fest: Wir und alles Leben und das All, sie mögen entstanden sein wie auch immer; Grund und Ursprung hat alles in Gottes Schaffen. Gott ist es, dem wir gehören und der uns Boden unter die Füße gibt, Gott, der uns Heimat und Daseinsrecht gewährt, Gott, nach dessen Willen wir Menschen sind, es sein dürfen und sein sollen.

So fassen wir mit den Worten der Alten Kirche zusammen:
ICH GLAUBE AN GOTT, DEN VATER, DEN ALLMÄCHTIGEN,
DEN SCHÖPFER DES HIMMELS UND DER ERDE.

Ja, wir gehen noch weiter: Ihn, Gott, den Schöpfer, unseren Schöpfer, reden wir auf Geheiß und in Vollmacht von Jesus Christus an:

UNSER VATER IM HIMMEL...

Amen.

Prof. Dr. Klaus Schwarzwäller, Universität Göttingen
Platz der Göttinger Sieben 2
37073 Göttingen
Tel.: 05 51-39 71 50
e-mail: kschwar1@gwdg.de

(16.9.1999)