Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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Reformationstag 1999
31. Oktober 1999

Homilie im Gottesdienst zur Unterzeichnung der Gemeinsamen Offiziellen Feststellung zur Rechtfertigungslehre am 31.10.1999 in der St. Anna Kirche zu Augsburg

Präsident des Lutherischen Weltbundes, Landesbischof Christian Krause


Sperrfrist: 31. Oktober, 10.30 Uhr

Es gilt das gesprochene Wort

Apostolischer Gruß

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Das Ereignis auf den Punkt gebracht:

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

wir sind Zeugen eines bedeutenden Tages in der Geschichte unserer Kirchen. Zum ersten Mal nach Jahrhunderten betreten wir wieder gemeinsamen Boden. Mit der feierlichen Unterzeichnung der Gemeinsamen Offiziellen Feststellung zur Rechtfertigungslehre bekräftigen wir Übereinstimmung, wo es vor 469 Jahren zum Bruch gekommen war: in der Frage des Verhältnisses Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott.

Einordnung in den ökumenischen Prozeß:

In den letzten Jahrzehnten ist es in unseren Gemeinden zu zahllosen Begegnungen zwischen katholischen und evangelischen Christen gekommen. Wir sind aufeinander zugegangen, haben einander zugehört und miteinander gebetet. Vertrauen und Hoffnung sind gewachsen: Das, was uns verbindet, ist stärker als das, was uns unterscheidet oder trennt.

In diesen Erfahrungen wurzelt auch das theologische Gespräch, das mit der Gemeinsamen Erklärung und Offiziellen Feststellung zur Rechtfertigungslehre eine in die Zukunft weisende Etappe erreicht hat. Weitere Schritte sollen und müssen folgen. Denn viele Probleme harren noch sorgfältiger Prüfung und bedürfen umsichtiger Klärung. Doch die Richtung, die den Weg in die Zukunft weist, ist deutlich und klar bestimmt.

Dank und Gruß an die weltweite Gemeinschaft

In dieser Stunde ist aufrichtig zu danken: denen, die in langen Verhandlungen geduldig um Verständigung bemüht waren; denen, die durch konstruktive Kritik zu Verbesserungen beigetragen haben; den zahllosen Menschen in unseren Kirchen, für die es ein Herzensanliegen ist, daß wir einander näher kommen und die dafür beten. Wir grüßen sie als unsere Schwestern und Brüder und rufen ihnen mit dem Wort des Apostel Paulus zu: Wir danken unserem Gott für Eure Gemeinschaft am Evangelium. (Phil. 1, 3).

Zurückführung auf die ecclesia invisibilis:

Diesen Tag haben Menschen in unseren Kirchen herbeigeführt. Trotzdem wissen wir als Christen, wie es Martin Luther ausgedrückt hat: „Wir sind es doch nicht, die da die Kirche erhalten könnten. Unsere Vor-fahren sind es auch nicht gewesen. Unsere Nachkommen werden es auch nicht sein, sondern der ist´s gewesen, ist´s noch und wird´s sein, der da sagt: Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt “

Die vorgegebene Blickrichtung: theologia crucis und Bekenntnis der Schuld

Gemeinsam richten wir unsere Augen auf das Kreuz. Dort begreifen wir die rettende Botschaft für jeden von uns. Über dem Kreuz Jesu Christi, der in die tiefste Tiefe des Leidens gestoßen wurde, breitet der barmherzige Gott seine Arme aus. Gegenüber so großer Liebe bekennen wir, daß wir als einzelne und als Kirchen gegeneinander und gegen andere schuldig geworden sind.

Aus Gegnerschaft, oft auch Feindschaft zwischen unseren Kirchen sind Konflikte, Not und Leid für viele Menschen in vielen Ländern dieser Erde erwachsen. Wir bitten um Gottes gnädige Vergebung. Möge er uns neue Kraft zur Versöhnung und Mut zum Frieden schenken!

Ökumenische Diakonie:

Keine Macht der Welt kann uns von Gottes Liebe scheiden. Niemand kann sie sich verdienen oder erzwingen. Gott gibt sie umsonst, aber nicht vergeblich! Die Liebe Gottes geht weiter in den Spuren der Güte, der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Sie ist die unsichtbare Kraft im Dienst und Opfer aller, die in Treue das Gute tun. Der erreichte Konsens im Wort wird glaubwürdig im gemeinsamen Tun und in der gemeinsamen Anstrengung unserer Kirchen, wo wir Menschen in leiblicher und seelischer Not helfend begegnen.

Taufe und Ökumene der historischen Kirchen:

Mit dem Kreuz werden die Kinder bei der Taufe gezeichnet. Auch wir haben dieses Zeichen empfangen, sind in Christi Tod und Auferstehung einbezogen. Das Band der Taufe vereint die Christen überall auf der Erde. „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Epheser 4,5). In der Taufe sind auch die großen Kirchenfamilien miteinander verbunden. Von daher gilt, was Papst Johannes Paul II 1980 zum 450-jährigen Jubiläum des Augsburgischen Bekenntnisses in seiner Grußbotschaft geschrieben hat: „Der Wille Christi und die Zeichen der Zeit drängen uns zu einem gemeinsamen Zeugnis in wachsender Fülle der Wahrheit und Liebe.“

Die Universalität der Friedensbotschaft von Bethlehem:

Es ist eine Kostbarkeit in der Nachfolge Jesu, daß wir zu einer universalen Gemeinschaft gehören, die auch weltweit füreinander einzustehen vermag. Das gilt gerade für die Schwachen, die nicht mehr mithalten können und die bei dem, was wir heute Globalisierung nennen, unterzugehen drohen. Die Friedensbotschaft von Bethlehem braucht ihre Trägerinnen und Träger. Wie sollte das gehen, wenn wir nicht bei uns selber damit anfangen? So will auch die Gemeinsame Erklärung den Weg freimachen zur Gastfreundschaft in der Teilhabe an den Gaben Gottes für alle Menschen.

Schluß und noch einmal der entscheidende Punkt:

Wir hoffen, daß unsere Kinder eines Tages zurückblicken und sagen: >> Der Reformationstag in Augsburg 1999 war ein wichtiger Schritt zum gemeinsamen Zeugnis unserer Kirchen. Von diesem Tag an hat sich unsere Gemeinschaft weiter vertieft und gefestigt.<< Die Hände, die wir einander reichen, dürfen wir nicht wieder loslassen. In Dankbarkeit beten wir zu Gott, daß er diesen Tag segnen und uns in seiner Wahrheit leiten möge.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Landesbischof Christian Krause, Präsident des Lutherischen Weltbundes


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