Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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14. Sonntag nach Trinitatis, 24. September 2000
Predigt über Thessalonicher 1, 2-10,
verfaßt von Matthias Petersen

Liedvorschläge, Psalm, Gebete


thessalonicher 1, 2-10

die wirklichkeit der welt ist manchmal zum heulen
hunger gewalt ungerechtigkeit
machtgier und bosheit
und keine entwicklung zum besseren in sicht

auch die wirklichkeit der kirche ist zum heulen
die verfehlungen der vergangenheit werfen
bis heute
ihre schatten
dazu
austritte traditionsverlust
rückgang der finanziellen möglichkeiten
schmerzhafter strukturwandel
stellenabbau
geistlosigkeit
müdigkeit
ratlose kirche in einer ratlosen welt
in einer welt
voller gelangweiltem desinteresse

übertreibe ich
nein
gar nicht
die klage
ist mit eigenen ohren zu hören
auf ratlosen synoden
springt in die augen
selbst aus kirchlicher presse

und gleichzeitig
paradox
ja
ich weiß
aber es ist dennoch wahr
gleichzeitig
in welt und in kirche
überschlagen sich die schrillen töne
und alles
aber auch alles
ist super und mega
und millenium
und nie dagewesen und wahnsinnig

hysterisches gegackere
schrille pr auch in der kirche
gemeinden als wirtschaftsunternehmen
der pastor als vorstandsvorsitzender
wachs und weihrauch ggmbh
und das heil der gemeinde jesu christi
in den gesetzen des marktes

so leben wir
irgendwo zwischen selbstmitleid und narzismus

aber nun
leise nüchtern wohltuend
liegt da der brief des paulus
sein liebesbrief nach thessalonich
ohne seufzen und klagen
ohne schrilles gejubel auch
ein brief der leisen töne
hingelächelt aus der tiefe einer dankbaren seele

an wen
schreibt er da
möchte man fragen
wer waren diese adressaten
diese thessalonicher

nun ja
städte wie thessalonich gab es viele
und da wurde
das sage ich gleich dazu
auch nur mit wasser gekocht

die stadt quirlte und pulste
eine hafenstadt
eine provinzhauptstadt
händler beamte politiker verwalter
sklaven arbeiter huren diebe
ein buntes durcheinander
und eben gerade
nicht
ein zentrum frommer gottesanbetung

100.000 einwohner sind es gewesen damals
davon christinnen und christen
dreißig bis vierzig
mehr nicht
ein häuflein
eine minderminderminderheit
und auch die
wie sollte es anders sein
werden ihre schwierigkeiten gehabt haben
miteinander und mit anderen

dreißig bis vierzig von 100.000
ein karger missionserfolg
möchte man sagen

sagt paulus aber nicht
der kritische paulus
ausgerechnet der
sagt kein wort der kritik
nur dank und lob
schreibt auch gleich einen liebesbrief
daß einem das herz aufgeht
nicht nur den lesern damals
auch den gemeinden heute
so liebevoll
so dankbar

und dieses lob
bei aller notwendigen kirchenkritik
bei allem leiden auch
unter dieser
widersprüchlichen faszinierenden
abstoßenden geliebten
kirche
dieses lob dringt tief ein in die seele

dieses lob möchte ich
unberufen wie ich bin
weitersagen meiner gemeinde
meiner nordelbischen kirche
meinen mitchristinnen und mitchristen
meinen kolleginnen und kollegen
in münchen bonn frankfurt
in düsseldorf lübeck tönning
in sydney washington paris
am kilimanjaro
in lettland
in papua neuguinea oder feuerland
oder wo auch immer auf der welt
einer muß es ja mal sagen

ich bin dankbar
für diese weltweite christenheit
und die kraft die von ihr ausgeht
für die ökumene
die
paulus nennt es so
das werk im glauben vollbringt
die streitet und ringt
um weg und wahrheit und leben
die gelernt hat
brüche und unterschiede zuzulassen
mit der unvollkommenheit zu leben
und dennoch
im glauben
unter dem kreuz
beisammen zu bleiben

ich weiß
viel ist noch zu tun
viel ist noch unerreicht
und
immer wieder gibt es
mißverständnisse verärgerung
und dennoch
so vieles ist schon geworden

ich bin
zweitens
dankbar für
so nennt es paulus
die arbeit in der liebe
für mühevolle diakonie
für viele viele kleine schritte überall
bei uns und in der weiten welt
ich bin dankbar für
die arbeit der gemeindeschwestern
für obdachlosenasyl und arbeitslosenhilfe
für blaues kreuz und mitternachtsmission
für bewährungshelfer und kindertagesstätten
für altersheime und krankenhäuser
für besuchsdienst und behinderteneinrichtungen
welch ein buntes vielfältiges anstrengendes leben
damit menschen menschlich leben können

und schließlich möchte ich
mit paulus
danke sagen
für geduld in der hoffnung
daß wahr wird
endlich wahr wird
was jesus versprach
daß gottes reich kommt
und sein wille geschieht im himmel und auf erden
allen zweifeln
auch meinen
zum trotz
und daß wir einst schauen werden
von angesicht zu angesicht
was wir hier nur glauben können

vieles ist ja unvollkommen und ärgerlich in unserer kirche
und viel zu oft
bleiben wir weit zurück
hinter unserem auftrag und gottes verheißung
und dennoch
versucht nur euch vorzustellen
eine welt ohne kirche
ohne gemeinschaft und vergebung und diakonie
es wäre finster
stockfinster
in solch einer welt

einen kleinen feinen unterschied
höre ich bei paulus
im vergleich zu meinen worten
paulus dankt nicht der gemeinde
zumindest nicht ohne umweg
er dankt vielmehr gott
dankt gott für die gemeinde
denn der ist es doch
der dies blühen bewirkt
der den mut schenkt zum engagement
und dem deshalb der erste dank gebührt
es ist ja nicht unsere eigene kraft
sondern gottes sprühender geist
der uns in bewegung setzt

dieser geist treibt uns
in dieser welt einzustehen
für gastfreundschaft und bleiberecht gegenüber den fremden
für gerechtigkeit gegenüber den hungernden und unterdrückten
für vergebung und neuanfang gegenüber den gestrauchelten

wenn nicht wir uns weigern
mit den wölfen der patentlösungen zu heulen
wenn nicht wir unsere überzeugung leben
daß
nicht die große zahl
nicht militärische macht
nicht wirtschaftlicher erfolg
nicht hohe einschaltquoten und mitgliederzahlen
sondern der geist gottes diese welt bewegt
wenn nicht wir zeigen
daß nicht die finanzielle potenz
sondern unsere liebesfähigkeit den weg in die zukunft weist
und daß friede auf erden und eine gerechte gesellschaft
nicht an der wahl des richtigen unternehmensberaters hängen
sondern an einem neuen geist der geschwisterlichkeit
wenn nicht wir dies alles mutig bekennen
wenn nicht wir dies alles unerschrocken leben
wer denn dann sollte es tun

nein
wir sind nicht vollkommen
auch wir zweifeln
auch wir sind müde
auch wir tun uns selbst leid
oft genug und immer wieder

wir sind nicht besser als andere
wir sind nur besser dran
weil gottes guter geist uns mut macht

thessalonich hatte 100.000 einwohner
nur 30 bis 40 von ihnen waren christen
und doch war dieser kleine haufen
paulus schreibt es so
in aller munde
so viel ausstrahlung
so viel ermutigung
nicht haar
sondern salz in der suppe der welt
sand im getriebe der gedankenlosigkeit

daran möchte ich uns
mit paulus
gerne erinnern
uns christinnen und christen
die sich grämen um kleiner werdende gemeinden

was wir tun
das hat bedeutung
was wir sagen
wird gehört

gott traut uns eine menge zu
unsere mitmenschen trauen uns eine menge zu
darum
traun wir uns doch ruhig auch mal wieder

amen

Liedvorschläge, Psalm, Gebete

Wochenspruch: Psalm 103, 2
Psalm 146
Epistel: Römer 8, 14-17
Evangelium: Lukas 17, 11-19
Predigt: 1. Thessalonicher 1, 2-10
+++

Liedvorschläge:

- Sieh, da hebt die Sonne sich (629 – Nordelbischer Anhang)
Von Gott will ich nicht lassen (365)
Selig seid ihr (613 – Nordelbischer Anhang)
Sonne der Gerechtigkeit (262)
Lob Gott getrost mit Singen (243)
Verleih uns Frieden gnädiglich (421)

stücke zu psalm 146

dein lob
wollten wir singen
vater
und plärren doch immer wieder
die abgedroschenen schlager
unserer eigenen vortrefflichkeit

herr
erbarme dich

+

auf dich allein
wollten wir vertrauen
bruder jesus
und setzen doch viel mehr
auf menschliche macht

christus
erbarme dich

+

du allein
solltest uns leiten
guter heiliger geist
und doch lassen wir uns immer wieder leiten
vom ungeist der zeit

herr
erbarme dich

+

recht schaffst du den rechtlosen
treue hältst du den treulosen
gibst brot den hungernden
licht den blinden
zukunft den zerschlagenen
mein gott
deine liebe beschämt uns

zögernd zweifelnd bruchstückhaft
und doch voller dank
singen wir
deinem namen
unseren lobgesang

ehre sei gott
in der höhe

+

um deinen lebendigen geist
guter gott
bitten wir
für dieser stunde
für diese neue woche

dein lebendiger geist
guter gott
leite uns
von der klage zum lob
von der bitterkeit zum dank
von der unruhe zum vertrauen
vom selbstmitleid zur mutigen tat

komm
schöpfer geist

amen


fürbitte

guter gott
vater im himmel
unseren dank
wollen wir dir heute sagen
für freude und liebe und gelebte gemeinschaft
für deine nähe auf unseren wegen
für alles mühen umeinander
für neue wege und alte wahrheit

aber auch unsere bitten
guter gott
bringen wir vor dich

daß du uns den weg zum leben zeigst
zu erfülltem leben
das diesen namen wirklich verdient
zu freundschaft und liebe
zu gerechtigkeit und frieden
und eine welt der geschwisterlichkeit
in der einer dem andern
in verantwortung und vertrauen verbunden ist

wir bitten für alle
die gestorben sind
wir danken für ihr erfülltes leben
heb sie gut auf bei dir
mach wahr an ihnen
was du uns versprochen hast
und begleite alle
die um sie trauern
mit deinem trost und deiner liebe

für die opfer
von krieg und gewalt
von hunger und hoffnungslosigkeit
bitten wir
und um offene herzen und hände
die not zu lindern

für alle die angst haben
bitten wir
angst auf unseren straßen
vor blinder hirnloser böser gewalt
und bitten
daß du uns allen den rücken stärkst
mutig und kompromißlos
der gewalt und dem haß entgegenzutreten

segne
guter gott
uns alle miteinander
kinder und eltern
fromme und zweifelnde
ferne und nahe
fröhliche und trauernde
an diesem morgen
in dieser kirche
oder auch fern
und in gedanken verbunden

segne uns
und begleite uns mit deiner liebe
in diese neue woche

guter gott
im namen deines sohnes
jesus christus
beten wir zu dir


vater unser im himmel

Pastor Matthias Petersen, Heikendorf
e-mail: petersen.m@t-online.de


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