Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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7. Sonntag nach Trinitatis
6.8.2000
Philipper 2, 1-4

Jürgen Berghaus

Liebe Gemeinde !

„Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit“ - so können wir es auf jeder Zigarettenschachtel lesen, und auch die Werbeplakate für Tabakwaren tragen solch einen Vermerk. Dennoch wird sich wohl kaum jemand von seinem nebligen Laster abwenden, bloß weil ihn das Kleingedruckte überzeugt hätte. Auch in Versicherungsverträgen kommt Kleingedrucktes vor - und wer da nicht ganz genau hinschaut, kann möglicherweise im Schadensfall sein blaues Wunder erleben : Plötzlich stellt man fest, daß gerade die jetzt eingetretene Situation durch das Kleingedruckte vom Schadensersatz ausgeschlossen wird.

Aber warum erzähle ich Ihnen das alles, liebe Gemeinde ? Warum behaupte ich, daß Kleingedrucktes zwar leicht übersehen wird, aber dennoch ganz besonders wichtig sein kann ? Ich habe diesen Anfang deswegen gewählt, weil unser heutiger Predigttext in der Lutherbibel als eine Kombination von unauffälligen und fett gedruckten Zeilen erscheint. Ich ermute, daß der fett gedruckte „Christushymnus“ uns allen gleich beim ersten Hören aufgefallen ist : viele KonfirmandInnen früherer Jahrzehnte mußten diese Bibelverse noch auswendig lernen.

Aber das „Kleingedruckte“ vorher, diese wortreichen Gemeinde-Ermahnungen - sie scheinen nicht so wichtig zu sein und rauschen leicht an uns vorbei. Heute jedoch soll gerade jenem Kleingedruckten unsere Aufmerksamkeit gelten - ich werde die Anfangsverse aus Philipper 2 am Schluß noch einmal verlesen und meine Predigt jetzt diesen Sätzen widmen : Warum gehören die Ermahnungen und das Christuslied zusammen ? Wo liegt das Zentrum der Mahnworte ? Vor welchen Gefahren werden wir gewarnt ?

1. Warum gehören die Ermahnungen und das Christuslied zusammen?

Liebe Gemeinde, es ist oft gar nicht so einfach, eine Verbindung zwischen Glauben und Alltagsleben herzustellen : Die Freuden und Sorgen des Alltags haben auf den ersten Blick nicht unbedingt etwas mit Gott zu tun; und wenn ich davon erzähle, was meinen Glauben ausmacht, dann reicht meine Sprache ein Stück weit in eine andere Welt hinein und hebt sich ab von der Normalität.

Der Hymnus von Christus, der in göttlicher Gestalt war, aber menschliche Knechtschaft und den Kreuzestod auf sich nahm : Er ist als Glaubenslied klar erkennbar. Der Apostel Paulus beläßt es aber nicht bei diesen feierlichen Tönen, sondern ihm ist gerade die Verknüpfung des Christusglaubens mit dem Gemeindealltag ungeheuer wichtig. Also nicht zwei voneinander getrennte Bereiche - hier Glaube, da Leben - sondern Christus als Alltagsvorbild; das normale Leben als Versuch, im Alltag so zu werden, wie Christus es war.

Liebe Gemeinde, sollten wir nicht immer wieder neu damit Ernst machen, unseren Glauben in solch enge Verbindung mit der Alltagswelt zu bringen ? Selbst wenn uns das zunächst schwerfallen sollte - am Ende kommt Gott spürbar tiefer in unser Leben hinein !

2. Wo liegt das Zentrum der Mahnworte?

Doch nun zurück zum Kleingedruckten. Da gilt es zunächst, einen möglichen Widerstand in uns selbst zu überwinden. Paulus spricht hier nämlich von „Ermahnung“ - und vielleicht entsteht dabei vor unseren Augen das Bild eines strengen Oberlehrers, der mit dem Zeigefinger droht. Dabei hatte der Apostel gar nicht die Absicht, von oben herab zu predigen. Er selbst sitzt nämich ganz unten : Man hat ihn ins Gefängnis geworfen und in Ketten gelegt. War damit zugleich auch dem Evangelium ein rasches Ende bereitet ?

Paulus spricht der jungen Christengemeinde in Philippi, und wohl ein Stück weit auch sich selbst, Mut zu. Er will zur Orientierung verhelfen, will Wegweiser und Begleiter sein, will ängstlichen Menschen mit seinen Worten den Rücken stärken. Paulus weiß, daß ihm möglicherweise das Leiden nicht erspart bleibt - und das schärft seinen Blick für das Wesentliche : „Seid eines Sinnes, habt gleiche Liebe, seid einmütig und einträchtig !“ Auf die Einheit der Gemeinde kommt es dem Apostel an - sie ist tröstlicher Zuspruch und fordernder Anspruch in einem.

Wir leben heute in einer anderen Zeit als Paulus damals. Unsere Gemeinden sind zahlenmäßig recht groß und unübersichtlich geworden. Viele verschiedene Aktivitäten finden ihren Platz unter dem Dach der Kirche. Für uns müßte wohl der Ruf zur Einheit aktualisiert werden : „Besinnt euch auf das, was all die unterschiedlichen Bereiche kirchlichen Lebens miteinander verbindet - besinnt euch auf Jesus Christus, der mitten unter uns ist, wo zwei oder drei in seinem Namen beisammen sind.“

Liebe Gemeinde, ich bin gewiß : Wo wirklich Christus der Grund und Boden unseres Tuns ist, da stehen wir schon in einer Einheit, wie sie der Apostel Paulus meinte : eine Einheit, die tiefer reicht als unsere Verschiedenheiten im Denken, Reden und Handeln.

3. Vor welchen Gefahren werden wir gewarnt?

Wer mit solchem Nachdruck auf die Einheit der Gemeinde hinweist, der wird wohl um die Gefährdungen dieser Einheit wissen. Nicht erst heute gibt es unterschiedliche Meinungen zu praktischen Fragen des Gemeindelebens - schon im Neuen Testament lassen sich eindeutige Tendenzen erkennen, die auf eine Spaltung von Gemeinden hinauslaufen. Auch damals gab es bereits Glaubensweisen, die einander entgegengesetzt waren, scheinbar ohne irgendeine Gemeinsamkeit.

In dieser Lage bieten die Worte des Paulus guten Rat an : „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst.“ Modern ausgedrückt, entwickelt der Apostel hier eine erfolgversprechende Verhaltensweise für Streitigkeiten : Er rät, den Blickwinkel zu wechseln, die Sache einmal mit den Augen des jeweiligen Gegners zu betrachten, die Wahrheitsbröckchen des anderen groß zu machen.

Wie schwer uns das oft fällt, wissen wir alle. Deshalb hat die Warnung des Apostels vor Eigennutz und Ehrsucht erhebliches Gewicht. Denn immer wieder verbergen sich hinter unserem angeblichen Einsatz für die Gemeinschaft ganz persönliche Interessen und der Wille, mich selbst durchzusetzen.

Wo es mir aber gelingt, mein Eigenes zurückzustellen zugunsten des Gegenübers, da werden Brücken geschlagen hin zu neuer Gemeinschaft des scheinbar Unvereinbaren.

Liebe Gemeinde, unser Predigttext aus Philipper 2 zeigt uns, wie Paulus den Christusglauben mit der Gemeindewirklichkeit verknüpft; wir hörten den Ruf zur Einheit und die Warnung vor Selbstsucht. Lassen wir zum Abschluß noch einmal das Kleingedruckte im Zusammenhang auf uns wirken : ((erneute Verlesung des Predigttextes)) Amen.

Pfarrer Jürgen Berghaus
51377 Leverkusen-Manfort
Scharnhorststraße 38
Tel./Fax : 0214 - 8707091
E-Mail: berghaus@ekir.de


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