Göttinger Predigten im Internet hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch |
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6. Sonntag der
Passionszeit, Palmarum 16.4.2000 Jesaja 50,4-9 Hellmut Mönnich |
Liebe Gemeinde! Wer spricht da? Worum geht es? Was ist Ihnen eben beim Hören im Ohr geblieben? Vielleicht das zweimalige "Gott hilft mir", wobei Martin Luther den Gottesnamen hier mit "Gott der HERR" übersetzt hat. Ja, der uns dem Namen nach nicht bekannte Verfasser des Abschnittes Jesaja 50,4-9 sagt mit einer Gewißheit, die keinen Zweifel zuläßt: "Gott hilft mir". Und nennt dann, was für ihn daraus folgt, nämlich: "Darum werde ich nicht zuschanden". Und dann fährt er fort: "Darum habe ich mein Gesicht hart gemacht wie einen Kieselstein." Und dann noch einmal: "Ich weiß, daß ich nicht zuschanden werde."(V.7) Soviel, liebe Gemeinde, scheint doch deutlich: Hier geht es nicht um Alltägliches. Hier redet nicht jemand so, wie wir alltäglich sprechen. Hier wird vielmehr mit ganzer Deutlichkeit, ja, mit unbeirrter Gewißheit, mit Sicherheit 'ohne wenn und aber' formuliert und gesprochen. So kann er durchstehen, was er erleiden muß: "Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, Ja, angesichts dessen, trotzdem hält er fest: "Gott hilft
mir." "Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger
haben, Drei weitere Abschnitte in den Kapiteln vor bzw. nach unserem Predigttext lassen die biblische Gestalt, die hier spricht, weiter erkennen. In Kapitel 42 lesen wir: "Siehe, das ist mein Knecht - ich halte ihn - So also versteht sich der "Knecht", der vom Unsichtbaren in Dienst genommene. Und kann deshalb sagen: Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; Wissen wir noch mehr von diesem namenlosen Boten, der von Gott in Dienst genommen ist? Ja. Im 53. Kapitel lesen wir: Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Es bleibt dabei: Diesen namenlosen Boten können wir nur in Umrissen erkennen. Aber soviel geben die Konturen her: Er ist von Gott in Dienst genommen und beauftragt worden. Und sein Weg war nicht der eines überzeugenden Erfolges, sondern ein Leidensweg. Mit seinem Schicksal konnte er nicht überzeugen, gar Gott beweisen. Gehört Leiden, gehört augenfälliges Scheitern kennzeichnend zu Menschen, die Gott in Dienst genommen hat? Das Geschick einer anderen biblischen Gestalt, nämlich des Propheten Jeremia, spricht dafür. Die "Männer von Anathot" - gemeint sind die Einflussreichen des Städtchens Anathot - trachteten Jeremia nach dem Leben und machten deutlich: "Weissage nicht im Namen des HERRN - also Gottes - wenn du nicht von unsern Händen sterben willst!" (Jer11,21) Jeremia klagt zu Gott: "HERR, wenn ich auch mit dir rechten wollte, Als reiche das nicht, wird dem Propheten als Gottes Antwort klar:
Verzweifelt sehen wir den Propheten Jeremia: "HERR, du hast mich überredet, Und dann bricht es aus Jeremia heraus: Wer solche Stimmen in der Bibel hört und sich in die Sprecher hineinzuversetzen sucht, kann wohl erschrecken. Nichts da von vielen Gottesvorstellungen, die wir vielleicht haben. Stimme Gottes in der Welt zu sein heißt hier: leiden! Beide Stimmen liegen kaum zwei Generationen auseinander. Wer Genaueres wissen will, wenigstens zum Knecht Gottes und seiner Zeit, dem sei kurz skizziert: Rund 550 Jahre vor Jesus Christus, in der Zeit, als das Gottesvolk Israel nach der Zerschlagung des eigenen Staates, Jerusalems und des Tempels durch die Weltmacht Babylon weg ins babylonische Reich zwangsumgesiedelt worden war, als dann eine ganze Generation, also mehr als 30 Jahre, vergangen und keine Aussicht auf Heimkehr zu erkennen war, als tiefe Resignation um sich gegriffen hatte; als wohl mehr als nur eine Stimme fragte - "Gott" - und dann nur noch den Kopf schüttelte, trat ein Bote Gottes auf, ein Prophet, dessen Namen wir nicht kennen. Seine Verkündigung wurde ab Kapitel 40 an das Jahrhunderte ältere Prophetenbuch Jesaja angehängt. Und in diesem angehängten Prophetenbuch stehen die Texte vom Knecht Gottes und seinem Erleiden. Der zu Anfang vorgelesene Text mag nun helfen, uns in die Woche auf Karfreitag hin einzustimmen. Tatsächlich haben die Anhänger Jesu mit solchen Bibeltexten zu verstehen versucht, was da am Ende mit Jesus, dem Christus, dem Stellvertreter Gottes geschah. Sein Leidensweg spricht nicht dagegen, daß er Gottes Stimme ist. Im Gegenteil! Da ist er eingereiht in die Reihe der Zeugen Gottes, der Propheten. Mehr noch: Weil Jesus in einer bis dahin im Gottesvolk nicht gekannten Weise Gott repräsentiert hat, "Gleichnis Gottes" geworden ist, gehören sein Geschick und Leiden zusammen. Es legte sich eben nicht nahe, was erst viel später gedichtet werden konnte: "O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, gegrüßest seist du mir!" Was uns heute fraglos geworden ist, weil oft gehört und gelernt, muß erst einmal langsam "buchstabiert" und begriffen werden: In diesem Menschen Jesus aus Nazereth wurde der Unsichtbare sichtbar und erkennbar, um denen, die auf ihn hören, den Weg zum Vater finden zu lassen. Vielleicht hören wir am Karfreitag, wenn wir uns dem Kreuzesgeschehen stellen, mehr vom Leiden Jesu Christi. Aber jetzt soll soviel schon festgestellt sein: Mit seinem Leiden ist noch nicht alles Leiden in der Welt erklärt. Es bleibt die Frage angesichts des unbeschreiblichen Leidens und Sterbens im gerade zu Ende gegangenen Jahrhundert. Läßt sich von Gott sagen, daß er uns durch seinen Christus angenommen hat und deshalb als Liebe zu verstehen ist, so zeigt das grauenvolle Leiden unserer Zeit, daß Gott da nicht erkennbar ist, daß wir da nur ins antwortlose Dunkle sehen, daß Gott nicht mehr erkennbar ist. Sprachlos macht. Und unsere menschliche Schuld furchtbar ist. Mit mehr Fragen als Antworten sollten wir die Karwoche beginnen und den Weg Jesu in den Tod und dann sein Erscheinen als Lebendiger bedenken. Dabei mag uns der Vers leiten, der auf den Predigttext heute folgt und etwa so übertragen werden kann: "Wer ist unter euch, der Gott ernst nimmt, Amen Pastor i.R. Hellmut Mönnich |
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