Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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1. Sonntag der Passionszeit, Invokavit
12.3.2000
2. Korinther 6, 1-10

Anke Fasse

Vorüberlegungen zum Predigttext 2 Kor 6, 1-10

Kollektengebet, Fürbitten und Liedvorschläge

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

Mit Leib und Seele bei einer Sache sein: Ein verliebtes Paar spürt wie das ist – Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch vor dem nächsten Treffen, in Gedanken den ganzen Tag immer nur bei dem anderen. Richtig verliebt sein geht nicht nur ein bißchen - entweder ganz oder gar nicht.

Mit Leib und Seele bei der Sache sein, - das ist notwendig um ein Musikinstrument richtig zu erlernen. Die Mitglieder des Posaunenchores haben damit sicher in den letzten sechs Jahren schon ihre Erfahrungen gemacht: „Wenn ich gut spielen will, reicht es nicht hier und da ein bißchen zu üben, sondern ich muß es wirklich wollen und jeden Tag konzentriert üben,“ so erzählte mir ein Mädchen, das vor kurzem mit großem Eifer angefangen hat, Posaunespielen zu lernen.

Wenn ich wirklich mit Leib und Seele bei einer Sache bin, bin ich auch bereit, mich für diese Sache einzusetzen. Für das, woran mein Herz ganz hängt, nehme ich geduldig einiges an Schwierigkeiten auf mich und gebe nicht gleich auf. „Auch wenn mein Freund den Eltern nicht gefällt und sie an ihm ‚rummeckern‘, bin ich doch trotzdem mit ihm zusammen und halte zu ihm“ sagte eine Jugendliche ganz selbstverständlich. Ähnliches gilt auch für das Posaune spielen: Wenn ich wirklich das Instrument erlernen, im Chor auch öffentlich mitspielen möchte – so wie die Kinder aus der Nachwuchsgruppe unseres Posaunenchores - dann gebe ich nicht bei der kleinsten Schwierigkeit auf. Zu einer Sache, an der ich mit Leib und Seele hänge, fällt es mir nicht schwer, auch bei Schwierigkeiten zu ihr stehen. Denn durch diese Sache wird mein Leben um ein vielfaches reicher.

Wir, alle, die wir hier sitzen und Gottesdienst feiern, haben auch eine ganz entscheidende Sache gemeinsam: Wir sind Christen, - aber sind wir es mit Leib und Seele? Nach den vorangegangenen Beispielen würde das bedeuten: begeistert, mit Leidenschaft wie Verliebte, bereit aufgrund unseres Glaubens vielleicht auch manches einstecken zu müssen, belächelt zu werden, aber trotzdem in jeder Situation selbstverständlich dazu zu stehen: Ja, ich bin Christ, mit dem Wissen, die Sache ist es wert.

In dem Predigttext für diesen Sonntag zeigt Paulus sich als solch ein Christ, als ein Christ mit Leib und Seele. Er fordert in diesen Zeilen aus dem 6. Kapitel des zweiten Briefes an die Korinther dazu auf, es ihm gleich zu tun. Paulus schreibt:

- Predigttext lesen -

Es sind unbequeme harte Worte, die Paulus an die Gemeinde in Korinth richtet. Er bittet sie nicht, er wünscht sich nicht etwas von ihr, nein, er ermahnt sie. Paulus hat guten Grund so energisch zu sein, denn es geht ihm um das Entscheidende im Leben einer christlichen Gemeinde – es geht um die Gnade Gottes. ‚Empfangt die Gnade Gottes‘ nicht vergeblich sind seine Worte. Ich muß an das Beispiel von dem verliebten Paar denken. Es ist schön, vom anderen zu wissen, „der mag mich“ und „der ist für mich da, wenn ich ihn brauche“. So wird der Partner zu einem wichtigen Begleiter im eigenen Leben, der mich oft stützt und hält. Die Beziehung zwischen Gott und Mensch ist sicher von ganz anderer Qualität und doch empfinde ich sie auch in vielem wie eine Liebesbeziehung. Auf jeden Fall auf der Seite Gottes, denn er macht uns Menschen eine Liebeserklärung. Wir sind ihm so wichtig, daß er uns in den Höhen und Tiefen unseres Lebens begleiten möchte. Er möchte bei uns sein, uns tragen und Hoffnung geben in schwierigen Situationen. Damit wir uns dieser Liebeserklärung ganz sicher sein können, hat Jesus auf dieser Erde gelebt. Gott liebt uns, Gott will immer bei uns sein wie ein Geliebter – das ist die Gnade. Das ist Gottes Angebot, das unser Leben reich machen will, es verändern will. Dieses wunderbare Angebot gilt es nun anzunehmen. Dazu ruft Paulus mit den Worten „empfangt die Gnade Gottes nicht vergeblich“ auf.

Diese Liebeserklärung Gottes besteht für uns heute hier in Hohenkirchen genauso wie damals für die Menschen in Korinth. Wir haben sogar ein sichtbares Zeichen dafür: unsere Taufe. Sie ist ein konkretes, sichtbares Zeichen dafür, daß Gott uns angenommen hat, daß er für uns da sein will. – In wenigen Wochen werden einige von euch Jugendlichen konfirmiert. Bei der Konfirmation empfangt ihr noch einmal den Segen Gottes. Auch der Segen ist ein Zeichen dafür, daß Gott in eurem Leben immer dabei sein will, daß er es gut mit euch meint. Aber in der Konfirmation bekennt auch ihr euch zu Gott. Ihr sagt ihm zu, sein Angebot euch zu begleiten anzunehmen. Auch wir, deren Konfirmation schon einige Jahre zurückliegt, haben damals bekannt: Ja, wir wollen als Christen leben. Das Versprechen ist da, die Beziehung ist von beiden Seiten besiegelt. Nun gilt es dieses auch im Alltag umzusetzen und nicht als leere Phrase ad acta zu legen. Ich denke an dieser Stelle an die Worte des Paulus aus unserem Predigttext: „Empfangt die Gnade Gottes nicht vergeblich“. Vielleicht würde er sich heute so ausdrücken: „Bleibt mit Herz und Seele bei Gott – die Sache ist es wert“.

Mit Gott im Alltag leben, was kann das bedeuten? Wenn ich mich entscheiden sollte, ein Instrument zu erlernen, wie die Kinder des Posaunenchores, reicht diese Entscheidung allein nicht aus. Zuerst muß ich mir ein Instrument beschaffen, aber vor allem muß ich mir immer wieder Zeit zum Üben nehmen. Das ist logisch. Ähnlich ist es, wenn ich das Christsein ernst meine. Ich muß Gott einen Platz in meinem Leben einräumen. Für Gott offen zu sein, sich Zeit für ihn zu nehmen wie für die Übungsstunden beim Posaune lernen. Das ist die entscheidende Voraussetzung für ein Christsein mit Leib und Seele. Wenn ich mich darauf einlasse, werde ich die Liebe Gottes in meinem Leben auch spüren. Sie wird mich bereichern und beschenken weitaus mehr als die beste Freundschaft. Aber wie bei einer Freundschaft, die sich nicht immer vertrösten läßt, gilt auch für die Beziehung zu Gott: Sie läßt sich nicht immer vertrösten, sondern sie will jetzt und heute gelebt werden.

Gott in jedem Augenblick einen Platz im eigenen Leben einzuräumen, bedeutet auch sich in Freud und Leid zu ihm zu bekennen. Es ist wie bei einem verliebten Paar. Auch wenn die Eltern gegen die Freundschaft sind, bekennen sich die Verliebten dennoch zueinander. Sie sind bereit miteinander durch dick und dünn zu gehen, denn die Freundschaft gibt ihnen Halt. Sie teilen miteinander ihre Sorgen und Nöte. Um wieviel mehr erfahren wir Trost und Halt, wenn wir mit Gott durch alle Höhen und Tiefen des Lebens gehen. Dazu gehört dann auch wie bei dem geliebten Freund selbstverständlich in allen Situationen zu Gott zu stehen, in den angenehmen und den unangenehmen.

Für Paulus war es oft gefährlich, sich als Christ zu bekennen. Dieses Bekenntnis brachte ihm neben mancher Bewunderung aber vor allem viel Not und Verfolgung ein, dennoch stand er dazu. Er erzählt davon in unserem Predigttext. In solche Situationen geraten wir heute aufgrund unseres Glaubens zum Glück nicht mehr. Für uns ist es heute hier in Deutschland nicht gefährlich zu unserem Christsein zu stehen, aber ich kenne aber Situationen, in denen es unbequem oder peinlich ist, zu sagen, wie wichtig mir mein Glauben ist. Auf der einen Seite bewundert und auf der anderen Seite belächelt, so haben es auch einige erlebt, die sich als Kandidat oder Kandidatin für den Gemeindekirchenrat aufstellen ließen. Einerseits Bewunderung für das Engagement, andererseits ein verständnisloses Belächeln für den Einsatz. Auch der Konfirmand kennt die spöttischen Blicke, die sie erntet nur weil sie gern in die Kirche geht. Es gilt nun, wie bei einer festen Freundschaft, zu der ich auch in unangenehmen Situationen stehe, in eben diesen Situationen auch zu Gott zu stehen, ihnen nicht auszuweichen.

Es ist ein ganz schön hoher, edler Anspruch, in jeder Situation des Lebens, in Freud und Leid zu Gott zu stehen. Ich frage mich, wie kann das gelingen, woher kommt die Kraft, das Vertrauen, so zu fühlen und dann auch so zu handeln? Bleiben wir bei dem Beispiel der Verliebten: Woher nehmen sie die Kraft in allen Situationen zueinander zu stehen? Durch die Liebe des Partners erfahren sie Mut und Kraft zueinander zu halten, auch in schwierigen Situationen. Als Glaubende können wir uns auf die Liebe verlassen und aus ihr Kraft schöpfen. Gerade in diesen Wochen bis Ostern erinnern wir uns daran, daß Jesus, ein leidender Mensch im Mittelpunkt unseres christlichen Glaubens steht. Er wurde als Herr und Meister verehrt und im nächsten Moment als Aufrührer verspottet. Ich denke an dieser Stelle an unsere, dagegen zwar völlig harmlosen, Erfahrungen als engagierter Christ auch spöttische Blicke zu ernten, wie vielleicht mancher Kandidat des Gemeindekirchenrates oder andere Mitarbeiter der Kirchengemeinde. Jesus kennt das. Er selbst hat Versuchungen erlebt – wir hörten davon soeben im Evangelium. Er hat sich sogar von seinem Vater verlassen gefühlt, er hat die Schmach und die Schmerzen am Kreuz wirklich erlebt und ertragen. Er ist es, dem wir als Christen nachfolgen, auch heute. Weil gerade Jesus selbst alle Leiden und Nöte kennt, können wir sicher sein, wir sind in unseren Sorgen und Nöten nicht allein. Er hat sie selbst erlebt und durchlitten. In alledem wich Gott nicht von seiner Seite. So ist er auch bei uns in unseren Sorgen und Nöten, will uns stärken und Hoffnung geben wie ein Freund und Bruder. Aber das Entscheidende und Unvergleichliche ist: Jesus hat dieses Leiden überwunden. Er ist am dritten Tag auferstanden von den Toten. Das gibt uns eine unvergleichliche Hoffnung und Zuversicht, daß alles Leiden überwunden wird, das Leiden und Tod nicht das letzte sind. Durch diese Gewißheit verleiht uns der Glaube die Kraft alle dunklen Momente zu durchstehen und zu überwinden. Denn wir wissen, Gott ist uns gerade in den schweren Situationen des Lebens besonders nahe. Er gibt uns Hoffnung, die trägt.

Mit dieser tiefen Glaubenserfahrung fühlt Paulus sich auch in den Situationen des größten Leids durch den Glauben gestärkt und beschenkt. Er spürt, Gott ist mir auch im Dunkel nah. Er gibt mir Halt und Hoffnung auf eine gute Zukunft.

Diese reiche Erfahrung steht allen offen, die sich auf Gott einlassen, sich für seine Sache begeistern lassen, wie Verliebte in jeder Situation zu ihm stehen und selbst so überaus reich von ihm beschenkt werden durch seine Nähe. Mit Leib und Seele Christ sein bedeutet den Glauben im Alltag zu leben und zu erfahren: Ich bin von Gott getragen in jeder Situation des Lebens.

Amen

Vorüberlegungen zum Predigttext 2 Kor 6, 1-10

Der Text im 2. Korintherbrief

Die Perikope befindet sich im ersten Hauptteil des zweiten Korintherbriefes 2, 14 – 7, 4, in dem es um die enge Verquickung von Apostelamt und Botschaft geht. Der Anlaß des zweiten Korintherbriefes hat den Charakter von 2 Kor 6, 1-10 entscheidend geprägt. Anlaß des Briefes war, daß die Gemeinde an der Glaubwürdigkeit des Paulus zweifelte. Hervorgerufen wurden diese Zweifel durch die Predigt von ‚Paulusgegnern‘(1). Entscheidend ist hierbei, daß ihre Position zu ihm eng mit ihrer Position zum Evangelium verknüpft ist. Daher entscheidet sich für die Korinther in dieser Stellungnahme die Frage der Annahme oder Ablehnung der Gnade Gottes.(2) Paulus fühlt sich nun zu einer Apologie genötigt, in der er die Legitimität und das Wesen des paulinischen Apostolates herausstellt. Ziel dieser Apologie ist dabei nicht primär der Selbstruhm des Paulus, sondern er möchte zur Annahme des Evangeliums ermutigen. Dies tut er nicht als rein sachlich-theologische Erörterung, sondern er gibt in einer persönlichen Weise einen tiefen Einblick in seine apostolische Existenz. Es handelt sich hier um eine Frage von seelsorgerlicher Relevanz. Paulus bemüht sich um „Stabilisierung des heilsrelevanten Verhältnisses zwischen Gemeinde und Apostel (Kap. 1-9)“.(3)

Gliederung

Der Text ist eine Einheit, die aber aus zwei aufeinander aufbauenden Hauptteilen besteht.

- V. 1.2: Ermahnung, jetzt in der Gnade Gottes zu bleiben

- V. 3-10: Explikation durch Übertragung auf das Leben des Paulus

V. 3-4.b: Thema: in jeder Hinsicht Diener Gottes

V. 4c-10: Ausführung

V. 4c-5: Peristasenkatalog

V. 6.7: Katalog von Tugenden, bzw. Kräften

V. 8-10: Reihe direkter Antithesen: Paradoxie der Offenbarung in der Verborgenheit (V. 8-9a) und des Lebens im Tode (V. 9b-10)

(1) Die Auseinandersetzung mit den Gegnern ist in 2 Kor 10-14 wesentlich schärfer und deutlicher. Sie steht sicher auch in 2 Kor 6 im Hintergrund, primär ist hier jedoch der ermutigende Tenor durch das Beispiel des Apostels unter der Gnade zu bleiben im Vordergrund.

(2) „Paulus mißt dem Thema Apostolat eine außerordentlich große Bedeutung bei, denn mit dem Verhältnis zu ihm als dem von Christus beauftragten Apostel und Träger des Evangeliums steht das Heil der Gemeinde auf dem Spiel.“ (Gebauer, Paulus als Seelsorger, Seite 167). Mit Gnade Gottes ist das versöhnende Heilshandeln Gottes in Jesus Christus gemeint. Vgl. 2 Kor 5, 18.

(3) Gebauer, Paulus als Seelsorger, Seite 165.

Kollektengebet

Gott, du willst uns ganz nahe sein,
dessen können wir sicher sein, durch das Leben, Sterben und Auferstehen deines Sohnes. Dafür danken wir dir.
Schenke Du uns deinen Geist, daß wir deine Nähe und Liebe spüren
und so in jeder Situation durch dich gestärkt leben können.
Darum bitten wir dich durch Jesus Christus.

Amen

Fürbittengebet

Guter Gott,
du bist in unsere Welt gekommen in einem Mensch wie wir.
So kommen wir Gott zu dir,
wie Kinder zu Vater und Mutter kommen.
Wir kommen mit unserer Freude und allem, was uns bedrückt.
Wir kommen zu Dir mit den Menschen,
mit denen du uns verbunden hast.
Wir denken an sie – und bitten dich:
sei Du bei den Kindern und Jugendlichen,
die ihren Weg im Leben suchen.
Gib Du Ihnen Menschen an die Seite,
die sie verstehen und liebevoll begleiten.
Sei Du bei den Erwachsenen, die traurig sind über eine Enttäuschung,
über einen Abschied, über ein Versagen.
Schenke Du ihnen Wärme und Geborgenheit
Und laß ihnen ihre Hoffnung nicht ausgehen.
Sei Du bei deiner Kirche und bei der Gemeinde hier in Hohenkirchen,
dass ihr Frauen und Männer geschenkt werden,
die Deine Nähe und Liebe spüren
und diese auch weitertragen.
Gott, du willst uns trösten und für uns sorgen so wie es eine Mutter und ein Vater für ihre Kinder tun.
Danke guter Gott,
dass wir uns dir ganz anvertrauen dürfen durch Jesus, unseren Bruder.

Amen

Lieder

Er weckt mich alle Morgen (EG 452)
Ach bleib mit deiner Gnade (EG 347)
In dir ist Freude (EG 398)
Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt (EG 585)
Bewahre uns Gott (EG 171)

Anke Fasse, E-Mail: anke@sefarim.de


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