Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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Epiphanias
6.1.2000
Kolosser 1, 24-27

Esko Ryökäs, Helsinki

Zu Beginn des Boxkampfes gongt es. Damit fängt der Wettkampf an. Der Boxer schlägt so schnell und so oft wie möglich und der andere versucht seine Schläge so gut wie möglich abzuwehren. Ab und zu gelingt es dem guten Boxer seinen Gegner für kurze Zeit zu beruhigen, aber gleich geht es wieder los. Nach der letzten Partie gongt es nochmals, und das Publikum wartet auf das Ergebnis. Beide Boxer stellen sich neben den Ringrichter und warten. Nach einer Weile hebt der Ringrichter die Hand des einen oder anderen hoch. Dieser hat den gesamten Boxkampf gewonnen!

Das ganze Leben eines Boxers dreht sich ums Boxen. Am Anfang der Laufbahn trainiert er in einigen Wettkämpfen. Dabei sind die Wettkämpfe noch spielerische, leichte Übung, und der Trainer bereitet den Boxer vor. Allmählich werden sie echter. Die Einsätze sind noch ziemlich gering, und die Wettkämpfe werden immer noch spielerisch geführt. Man braucht noch nicht alles ernst zu nehmen. Es geht noch um Übung. Schliesslich kommt die Zeit des ernsten Wettkampfes. Und im Laufe der Zeit, schneller als man glaubt, werden die Kämpfe alltäglich. In allen Kampfsituationen muss man auf Schläge gefasst sein. Man muss sie entgegennehmen und bereit sein, sie zu geben. Man erhält Schläge auf seine rechte und linke Backe. Wenn der Boxer Karriere macht, wird er Profi, und er ernährt sich vom Boxen. Die besten Profis erreichen Spitzenpositionen auf der Rangliste und werden vielleicht sogar Weltmeister.

Das Leben der Menschen ist oft dem Leben eines Boxers ähnlich. Von klein an muss man allerlei Haue und Schläge geben und entgegennehmen. Zu Beginn geht es natürlich nur ums Spiel, aber allmählich mit der fortschreitenden Schulung werden die Kämpfe reeller. Im alltäglichen Leben erhält man Schläge auf viele verschiedene Arten. So bei der Arbeit und in der Familie, so bei Hobbys. Das Schicksal kann einen übel zurichten, trotz der erreichten, hohen Stellung. Jeder muss Schläge einstecken.

Das Leben scheint eine Reihe von Boxkämpfen zu sein. Zwischen den Wettkämpfen hat man Ruhepausen, aber dann muss man wieder in den Ring. Die Wettkämpfe folgen aufeinander. Es macht einen müde, aber man scheint keine Alternative zu haben.

Während des Epiphanienfestes wird von drei Gestalten erzählt, von den Heiligen Drei Königen. Sie waren Profis und können deshalb mit Schwergewichtsmeistern verglichen werden. Symbolisch betrachtet gingen sie zusammen zu einem neuen Gegner. Diese drei hatten schon einen ehrwürdigen Rang, sie waren geübt und konnten prachtvoll reisen. Sie konnten viel Geld und wertvolle Schmuckstücke dem Gegner mitbringen.

Nach ihrer Ankunft baten sie höflich um Zutritt zu dem neuen Gegner. Als sie ihn trafen, schenkten sie ihm sofort Geld, Gold und andere wertvolle Sachen - in großen Mengen. Nach ihrer Erkenntnis war der neue Gegner auf der Weltrangliste so hoch rangiert, dass man sich vor ihm beugen musste. Sie ehrten ihn, obgleich sie mit ihm keinen einzigen Wettkampf geführt hatten. Sie hatten hohe Achtung vor ihm, obwohl der Gegner nur ein kleines Kind war. Drei Profis beugten sich vor einem kleinen hilflosen Kind.

Die drei Profis, die nach dem Text des Epiphaniasfestes zu dem Kind kamen, wussten, wer gewinnen wird. Das Kind wird der Meister werden. Deswegen werden auch all diejenigen, die zu seiner Mannschaft gehören, gewinnen. Die Kämpfe sind noch nicht beendet, aber schon jetzt kennt man den Namen der siegreichen Mannschaft. Deren Leiter ist Jesus, der Gottessohn.

Vierzig Jahre nach der Zeit der Heiligen Drei Könige hatte sich die Situation verändert. Der Saulus aus Tarsus war auch Schwergewichtsmeister, dennoch traf auch er seinen Sieger. In seinem Brief an die Kolosser erzählt Paulus das Geheimnis seines Lebens, und wie er die nötige Kraft bekam, seinen Wettkampf zu führen und zu beenden. Er hatte das Geheimnis, das ihm immer Kraft verlieh. Dieses Geheimnis soll allen Völkern offenbart werden. (Kolosserbrief, 1. Kapitel, Vers 27) Er hatte die Hoffnung, die Hoffnung der Herrlichkeit, deren Geheimnis Christus ist. Gleicher Christus, der zu Weihnachten geboren wurde, und vor dem die Heiligen Drei Könige sich gebeugt hatten. Sie ehrten ihn schon in der Zeit, als er noch ein kleines Kind war.

Paulus hatte Kämpfe geführt, und er hatte gewonnen. Er war ein solcher Meister geworden, der anderen Kraft zu verleihen vermag. In den Boxkämpfen des Lebens gibt es eine Regel, die eigenartig ist. Der Sieger wird erst dann bekanntgegeben, wenn alle Wettkämpfe durchgeführt sind. Als ob es um eine Reihe der Wettkämpfe ginge, wo man immer, fast pausenlos, von einem Wettkampf zum anderen übergeht. Und erst nach dem allerletzten Wettkampf wird der Sieger bekanntgegeben. Und durch und durch sonderbar ist es, dass von vornherein bekannt ist, wer aus dem Wettkampf schliesslich als Sieger hervorgeht.

Der Boxkampf des Lebens ähnelt dem Wettkampf, in dem der christliche Mitkämpfer selbst erfährt, dass er der Sieger sein wird. Der Richter verkündet den Sieger, aber es ist schon jetzt möglich zu wissen, wer er ist. Es wird nur darauf gewartet, dass der Richter die Hand des Siegers hochhebt und bekanntgibt: Du bist Sieger. Du gehörst zu denjenigen, denen Jesus das Recht zu siegen gegeben hat.

Diejenigen, die zu dem kleinen Kind gingen, wussten, dass dieses Kind grosse Taten vollbringen wird. Sie sollten nur darauf warten. Paulus beeilte sich, den zukünftigen Preis zu bekommen. Er hatte die Hoffnung auf besseres Leben. Darauf wartete er und war in seinem Warten froh. Die Heiligen Könige warteten, und so tat Paulus.

In dem Boxkampf des Lebens gibt es viele Matches. Inmitten dieser kann man nur warten. Man kennt schon das kommende Urteil. Darauf kann man in aller Ruhe warten. Die Nachfolger Jesu bekommen als Belohnung das ewige Leben.

Beim Warten auf die Entscheidung kann man sich über den zukünftigen Sieg freuen. Daraus kann man neue Kräfte für Leben und seine Wettkämpfe schöpfen. So hat man die nötige Kraft dem Gegner auch die andere Backe hinzuhalten. Man hat mit anderen Erbarmen; sie haben ja auch ihre harten Wettkämpfe zu führen. Aber weil ich weiss, dass ich gewinnen werde, kann ich ruhig anderen helfen. Hier und jetzt kann ich in dieser Hoffnung froh sein. Ich kann auf die kommenden Partien warten und das Jubeljahr 2000 leben und gleichzeitig auf die Bekanntgabe des endgültigen Siegers warten.

Exegetische Probleme:
Der heutige Text ist in der deutlichen Sprache der langen Sätze von Paulus verfasst, aber darin besteht auch ein grosses und dogmatisch wesentliches Problem. Aus Vers 27 geht nicht deutlich hervor, welchen Bezugszusammenhang Paulus gehabt hat. Besteht der Grund der Hoffnung in dem inneren Wohnen Christi im Menschen oder im Christo, der dem Zuhörer der Grund der Hoffnung ist, und der unter seiner Gemeinde lebt. Die finnische Übersetzung, die die Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands im Jahr 1992 einführte, gibt auch zwei Alternativen: „Christus unter ihnen, die Hoffnung der Herrlichkeit“ und „Christus in ihnen, die Hoffnung der Herrlichkeit“. In meiner Predigt wollte ich dieses Problem umgehen, und deswegen habe ich darüber geschrieben, was allen gemeinsam ist, über Hoffnung und Belohnung.

Dogmatische Analyse:
In der erwähnten Stelle des Kolosserbriefes besteht der Kern der Botschaft von Paulus im Leben in der Hoffnung. Dieser ist ein sehr abstrakter Gedanke. Ich habe dafür ein Korrelat gesucht. Ein Pfarrer hat mir gegenüber an dem letzten Totensonntag einen Gedanken geäussert, der sehr fruchtbar erschien: Die Christen warten nicht in Angst auf das Urteil, sondern im Vertrauen. Sie wissen, dass ihnen das Urteil des ewigen Lebens gesprochen wird, nicht das der Verdammung. Darüber können sich die Christen schon jetzt freuen.
Das Jubeljahr der Christlichen Kirche 2000 hat als Thema auch die Hoffnung, es ist das Jahr der Hoffnung. Deswegen wird das Thema der wartenden Hoffnung als Zentralthema des Epiphaniasfestes hervorgehoben.

Homiletische Analyse:
Ich begann zu erwägen, auf welche Weise dieses Warten in der Hoffnung und im Vertrauen konkretisiert werden konnte. So kam ich zu verschiedenen Sportarten. Der Sport ist in Finnland die zweitpopulärste Form der Freizeitgestaltung. Die Finnen nehmen an den kirchlichen Veranstaltungen mehr teil als am Sport. Wir haben aber viele Zuschauer bei Sportveranstaltungen, und die auf den Sport bezogene Gedankenwelt ist allgemein bekannt. Es scheint, dass der Sport z.B. in Mitteleuropa nicht so eine bedeutende Stellung hat wie bei uns, aber die Denkmodelle der verschiedenen Sportdisziplinen mögen doch überall allgemein bekannt sein.In einigen Sportarten erfolgt die Beurteilung erst nach dem eigentlichen Wettbewerb. Zum Beispiel in Kunstturnen und Eiskunstlauf werden die entscheidenden Punkte erst nach der Leistung gegeben. Ich entschied mich für Boxen, weil die Punkte während des gesamten Boxkampfes gegeben werden, und ihre Sammlung jederzeit verfolgt werden kann. So kann man ganz konkret wissen, welche Beurteilung kommt. Der Ringrichter macht nur sehr selten etwas unerwartetes. Ich versuchte dieses Symbol zu konkretisieren und in die Botschaft des Epiphaniasfestes einzuführen.
Die Bezugsgemeinde ist hier eine Stadtgemeinde. Auf dem Lande ist Boxen wahrscheinlich nicht so populär. Die Predigt ist für alle Altersgruppen gedacht, mag aber besonders für die männlichen Zuhörer passen.

Esko Ryökäs
Docent, Assistent
University of Helsinki
E-Mail: esko.ryokas@helsinki.fi 

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